Erhard Fischer, Holger Preiß et al.: Kooperation - der Schlüssel für Inklusion!?
Rezensiert von Prof. Dr. Anja Seifert, 26.01.2018
Erhard Fischer, Holger Preiß, Juliane Quandt: Kooperation - der Schlüssel für Inklusion!? Studien zur Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften allgemeiner Schulen und Lehrkräften für Sonderpädagogik.
Athena-Verlag e.K.
(Oberhausen) 2017.
205 Seiten.
ISBN 978-3-89896-686-3.
D: 22,00 EUR,
A: 22,70 EUR.
Lehren und Lernen mit behinderten Menschen, Band 37.
Thema
Inklusion ist mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und dem dort enthaltenen Artikel 24 zur inklusiven Bildung zu einem zentralen Thema sowohl der Bildungspolitik und Schulentwicklungsarbeit als auch der Schul- und Professionsforschung geworden. Das vorliegende Buch widmet sich in diesem Feld der gleichermaßen aktuellen wie wichtigen Thematik der Zusammenarbeit zwischen Sonderschullehrer/innen und Regelschullehrer/innen. Hier handelt es sich um ein Forschungsdesiderat, da bislang kaum deutschsprachige Studien zum Thema der professionsübergreifenden Lehrerkooperation respektive der Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften allgemeiner Schulen und Sonderschulen vorliegen und dieses Desiderat erst allmählich in kleineren und größeren Forschungsprojekten bearbeitet wird.
Entstehungshintergrund
Das vorliegende Buch ist im Kontext eines zwischen 2013 und 2016 laufenden Forschungsprojektes mit dem Titel „Begleitforschungsprojekt inklusive Schulentwicklung“ (B!S), das aus insgesamt fünf Teilstudien besteht, die an bayerischen Schulen durchgeführt wurden, entstanden.
Aufbau
Im ersten Teil des Buches werden, nach einem ausführlichen Überblick zum Stand der Forschung und relevanter Forschungsprojekte und -ergebnisse zur Kooperation von Lehrkräften, die methodischen Grundlagen der eigenen Untersuchung dargelegt, um anschließend die Teilstudie mit dem Titel „Kooperation objektiv“ vorzustellen und deren Ergebnisse in systematischer Weise zu analysieren und Empfehlungen abzuleiten.
Inhalt
Im ersten Teil des Buches wird nicht nur ausführlich der Stand der Forschung im Kontext inklusiver Beschulung im Hinblick auf die Kooperation zwischen Lehrkräften dargelegt, sondern in Form eines Review bisherige einschlägige Forschungsprojekte mit ihren Fragestellungen und Vorgehensweisen besprochen, um daraus zentrale Dimensionen für die eigene empirische Arbeit abzuleiten.
Aufgeführt werden hier sowohl neuere empirisch-quantitative als auch empirisch-qualitative Studien wie etwa die von Arndt/Werning (2013) zur „Unterrichtsbezogene(n) Kooperation von Regelschullehrkräften und Lehrkräften für Sonderpädagogik“ (2013) an Gesamtschulen in Nordrhein-Westphalen, die sich schwerpunktmäßig mit „Kooperationsaspekten auf der individuellen, interpersonellen und institutionellen Ebene“ (S. 35) beschäftigte.
Deutlich wird in der Übersicht zum Stand der „Untersuchungen zur Kooperation von Lehrkräften im gemeinsamen Unterricht“ auch, dass das Forschungsdesiderat in den letzten Jahren zwar durch unterschiedliche Forschungsprojekte bearbeitet wird, dass indes aber die Ausgangssituationen für die jeweilige Forschung zur Kooperation von Regelschul- und Sonderschullehrkräften abhängig sind von der spezifisch vorhandenen unterschiedlichen Organisationsform inklusiver Beschulung, die in den einzelnen Bundesländern, aber auch bereits innerhalb eines Bundeslandes, höchst verschieden ist.
Diskussion
Die Stärke des Buches liegt darin, dass die bisherigen Forschungsergebnisse gesichtet und in einer systematischen Weise in Bezug auf relevante Fragestellungen und Ergebnisse dargestellt werden. Deutlich wird zudem im zweiten Teil, dass sich die vorgestellte Forschung nicht nur auf die „Praxis“ bezieht, sondern mit ihren Ergebnissen ebenfalls wieder für die Praxis gedacht ist (Praxishilfen: Wie kann (mehr) Zusammenarbeit (besser) gelingen?, S. 185-195).
Es wird hier, ausgehend von den eigenen Forschungsergebnissen, deutlich darauf hingewiesen, dass allen drei Dimensionen einer Kooperation zwischen den Lehrkräften allgemeiner Schulen und Lehrkräften für Sonderpädagogik eine hohe Bedeutung zukommt und die drei Ebenen – die Persönlichkeitsebene (Einstellungen, Haltungen), die Beziehungsebene (Vertrauen zueinander) und die Sach- und Organisationsebene (konkrete Ressourcen, schulorganisatorische Gegebenheiten) – sich stets aufeinander beziehen. „Diese Ebenen hängen wechselseitig und eng miteinander zusammen, Faktoren auf einer der Ebenen beeinflussen in der Regel auch die anderen, und eine Unterscheidung erfolgt eher auf einer analytisch-abstrakten Ebene.“ (S. 186) Dennoch, hier betont das Autorenteam deutlich in ihrer abschließenden Conclusio: „Bei aller persönlichen Bereitschaft von Lehrpersonen zu kooperieren, dürfen diese nicht allein gelassen werden mit der Aufgabe, die eigene Persönlichkeit zu stärken, ihr Verhalten zu reflektieren, mit Kolleginnen und Kollegen in Beziehungen zu treten und diesen mit Respekt zu begegnen und deren Erwartungen, persönliche und fachliche Kompetenzen – wie auch Grenzen – ausreichend zu respektieren; vielmehr erscheint es bedeutsam und vonnöten, dass all dies auch ‚von oben‘ institutionell bzw. auf einer organisatorischen Ebene unterstützt und gefördert wird, in Verantwortung der Schulleitungen und Regierungen.“ (S. 195)
Fazit
Die vorliegende Studie, die aus einem Forschungsprojekt entstanden ist, bearbeitet das Desiderat der interdisziplinären Zusammenarbeit im Kontext einer „inklusiven Beschulung“, das erst in den letzten Jahren empirisch bearbeitet wird, nicht zuletzt infolge der Schulgesetzänderungen im Zuge der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung mit dem heraufordernden Paragraph 24, der sich auf eine „inklusive Bildung“ bezieht.
Dem Kontext der Entstehung des Buches ist es geschuldet, dass die Darstellung des Forschungsstandes, der Aufbau und das methodische Vorgehen sowie das Vorstellen der Ergebnisse der eigenen Untersuchung sehr schematisch erfolgt und damit zwar dem üblichen Format eines Forschungsberichtes entspricht, gleichzeitig aber den Lesefluss der Leser/innen etwas hindert. Im Gegensatz dazu ist der letzte Teil des Buches, der sich auf die „Zusammenfassung und Empfehlungen“ bezieht, in einem anderen Sprachduktus verfasst und damit für unterschiedliche Zielgruppen(Lehrer/innen, Studierende) gleichermaßen geeignet.
Rezension von
Prof. Dr. Anja Seifert
Professorin für Grundschulpädagogik an der JLU Gießen
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Zitiervorschlag
Anja Seifert. Rezension vom 26.01.2018 zu:
Erhard Fischer, Holger Preiß, Juliane Quandt: Kooperation - der Schlüssel für Inklusion!? Studien zur Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften allgemeiner Schulen und Lehrkräften für Sonderpädagogik. Athena-Verlag e.K.
(Oberhausen) 2017.
ISBN 978-3-89896-686-3.
Lehren und Lernen mit behinderten Menschen, Band 37.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23242.php, Datum des Zugriffs 09.11.2024.
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