Christiane Grümmer-Hohensee, Michael Bohne: Klopfen gegen den Stress (Pflegealltag)
Rezensiert von Prof. Dr. Margret Flieder, 18.01.2018

Christiane Grümmer-Hohensee, Michael Bohne: Klopfen gegen den Stress. Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP) im Pflegealltag nutzen. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2017. 160 Seiten. ISBN 978-3-86321-328-2. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 25,30 sFr.
Thema
Der Alltag in einem Pflegeberuf ist voller Herausforderungen, er ist mit vielfältigen Chancen und Belastungen verbunden. Stress gehört zum Arbeitsalltag in der Pflege und will bewältigt werden, wenn die Fachkräfte dauerhaft, erfolgreich und gesund im Beruf verbleiben wollen. Diese Vorstellung ist zum einen geknüpft an adäquate Arbeitsbedingungen, zum anderen an eine gut ausgeprägte Bewältigungskompetenz seitens der Pflegefachkräfte. Vielfach erfolgt die Bewältigung von Stress individuell durch einen Ausgleich im privaten Bereich, durch Familie, Freunde oder durch Sport.
In dem vorliegenden Band stellen die Autor_innen einen anderen Weg vor. Das vorliegende Buch beschreibt ein Verfahren zur individuellen positiven Beeinflussung emotionaler Belastungen in stressigen Situationen. In der Pflege sind solche Wege bislang wenig thematisiert, insofern gehen die Autor_innen hier einen neuen Weg, um die Bewältigung von arbeitsbezogenem Stress zu unterstützen.
Autorin und Autor
Christiane Grümmer-Hohensee ist Pflegewissenschaftlerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Kontext der Arbeit mit alten Menschen und pflegebezogenen Interventionen.
Michael Bohne ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Weiterhin ist er tätig als Auftritts-Coach für klassische Sänger_innen und Musiker_innen. In Deutschland ist er einer der bedeutendsten Vertreter der Klopftechniken und der Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie (PEP®).
Aufbau
Der Band umfasst 153 Textseiten in insgesamt zwölf Kapiteln sowie ein Literaturverzeichnis.
Inhalt
Mit Kapitel 1 erfolgt eine kurze Einführung in Pflege – eine ganz besondere Tätigkeit. Christiane Grümmer-Hohensee und Michael Bohne wählen eine persönliche Ansprache an die Leser_innen des Bandes und verdeutlichen anhand eines kurzen Exkurses zu Stress die besonderen Belastungen, die vor allem für Frauen mit der Arbeit in einem Pflegeberuf verbunden sind.
Die Überschrift von Kapitel 2 lautet: Historische Wurzeln für den Stress in der Pflege. Hier beschreiben die Autor_innen in kurzer Form (S. 18-27) ausgewählte historisch bedeutsame Einflüsse auf die heutige Pflege.
Kapitel 3 geht in komprimierter Form (S. 28-30) ein auf grundlegende Soziologische Wurzeln für den Stress in der Pflege mit Bezug auf die Anfänge der beruflichen Entwicklung bis hin zu aktuellen gesellschaftspolitischen Veränderungen.
Krankenpflege: Ein Berufsbild unter Stress steht im Mittelpunkt von Kapitel 4. Hier werden primär die problematischen Anforderungen und damit verbundenen Erfahrungen bzw. Konflikte beleuchtet zwischen hohem Krankenstand einerseits und der Arbeit in einem sicheren und zukunftsorientierten Handlungsfeld andererseits.
In Kapitel 5 Warum nun aber Klopfen? stellen Christiane Grümmer-Hohensee und Michael Bohne relevante Aspekte zur Selbsthilfe mittels der Klopftechnik vor.
Die Wirkmechanismen des Klopfens sind Gegenstand des 6. Kapitels mit dem Titel Wissenswertes zum Klopfen. Christiane Grümmer-Hohensee und Michael Bohne erläutern in kurzer Form Elemente wie neurobiologische Gründe, den Effekt kortikaler Mehrdurchblutung, reziproke Hemmungen, Selbstwertfahrungen, sowie Kontroll- und Wirksamkeitserfahrungen.
Im Mittelpunkt von Kapitel 7 steht das Thema Pflegen – Fürsorge für andere und Selbstfürsorge. Hier reflektieren die Autor_innen vor allem Faktoren des Selbstmanagements und des Umgangs mit emotional anspruchsvollen Situationen im Pflegealltag.
In 8. Kapitel gehen Christiane Grümmer-Hohensee und Michael Bohne ein auf Stress – ein ständiger Begleiter im Pflegealltag. Anhand von praxisnahen Situationen aus der Pflege werden hier Einblicke gegeben in unterschiedliche Möglichkeiten zur Bewertung von Stress.
Burn-out in der Pflege ist Thema des 9. Kapitels. Auf 18 Seiten erläutern die Autor_innen in differenzierter Weise Aspekte der Selbsteinschätzung zu Burnout, ein Phasenmodell des Ausbrennens, Ursachen für einen Burnout und die entsprechende Symptomatik.
Mit dem 10. Kapitel erfolgt eine Allgemeine Klopfanleitung. Das Kapitel enthält auf 18 Seiten eine schrittweise Anleitung zur Klopftechnik, Abbildungen zur Lokalisation der Klopfpunkte, Hinweise auf Entspannungsübungen und eine Zusammenfassung der einzelnen Schritte.
Kapitel 11 ist mit 50 Seiten das umfangreichste Kapitel im Buch und gibt Klopfanleitungen für den Pflegealltag. Enthalten sind kurze Exkurse zu unterschiedlichen stressbeladenen Themen wie Müdigkeit, Schmerzen, Schuldgefühle, Scham, Aggression, Angst oder Ekel. Zu jedem der Themen erläutern Christiane Grümmer-Hohensee und Michael Bohne Affirmationen und entsprechende Übungen der Klopftechnik.
Im 12. Kapitel gehen die Autor_innen ein auf Grenzen des Verfahrens: Wenn das Klopfen nicht den gewünschten Erfolg erzielt – Die Big-Five-Lösungsblockaden. Vorgestellt anhand von praxisnahen Situationen werden unterschiedliche Formen von Blockaden und Hinweise, diese schnell erkennen zu können.
Zielgruppen
Dieser Band richtet sich primär an Pflegefachkräfte in der Praxis und an Lehrende in der Aus- oder Fortbildung von Pflegepersonen. Weiterhin ist er geeignet für Studierende eines pflegebezogenen bzw. pflegewissenschaftlichen Studiengangs zum Kennenlernen der Klopftechnik und zur Unterstützung bei der Bewältigung stressbelasteter Situationen in der Pflegepraxis.
Diskussion
Mit diesem Band wird ein in der Pflege kaum bekannter methodischer Zugang zur Bewältigung stressbeladener Situationen vorgestellt. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Veröffentlichungen fokussieren die Autor_innen primär auf die selbsthilfebezogenen Aspekte durch die Klopftechnik, und weniger auf die vielfach dysfunktionale Arbeitsorganisation oder den Personalmangel. Hierin steckt ein diskussionswürdiger Aspekt des Bandes, denn eine allein individuelle Bewältigung von Stress liefert m.E. zu wenig Anhaltspunkte für dringend notwendige politische Interventionen und Arbeit an den Rahmenbedingungen in der Pflege.
In den ersten Kapiteln (Kap. 1-9, S. 11- 71) erfolgt schrittweise eine Hinführung an die besondere Arbeitssituation in der Pflege. Die Inhalte der ersten Kapitel stehen für fundierte fachliche Kompetenzen und Expertise der Autor_innen. Die persönliche Form der Ansprache durch die Autor_innen ist für ein Fachbuch eher ungewöhnlich, steht aber hier für einen verstehens- und vor allem praxisbezogenen Zugang zu den Leser_innen. Die ersten Kapitel sind recht kurz gehalten, die Sprache ist an Praktiker_innen adressiert. Nähere Informationen zur Klopftechnik folgen in den Kapiteln 10 und 11 (S. 72 – 142). Diese Kapitel sind das eigentliche „Herzstück“ des Buches und wesentlich umfangreicher als die übrigen. Die Anleitungen wirken plausibel, die Affirmationen ansprechend. Abbildungen mit der Lokalisation der Klopfpunkte ergänzen die Beschreibungen.
Ein solcher Zugang zur Stressbewältigung für Pflegefachkräfte zeigt einen innovativen Weg auf, der bereits in der Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie (PEP®) mit anderen Zielgruppen (z.B. mit traumatisierten Menschen) erprobt wurde.
Anzumerken ist allerdings, dass eine solche Anleitung vermutlich vor allem Personen mit guter Selbstkompetenz im aktiven Aneignen und Ausprobieren neuer Inhalte ansprechen wird. Erfahrungsgemäß wünschen sich Pflegefachkräfte zum Kennenlernen neuer Verfahren zunächst eine kompetente praktische Unterweisung, die sie anschließend individuell praktizieren können. Daran anknüpfend könnte dieses Verfahren z.B. im Rahmen innerbetrieblicher Fortbildungen mit dem Schwerpunkt Stressbewältigung im Pflegealltag oder als Programmbaustein in Reha-Einrichtungen zunächst vorgestellt und eingeübt werden mit dem Ziel der selbstständigen Anwendung im Alltag.
In Bezug auf die Formalia gibt es verbesserungsfähige Bereiche. Die im Text und im Literaturverzeichnis genannten Quellen sind uneinheitlich aufgeführt. Im Text fehlen an mehreren Stellen Angaben zu den genannten Autor_innen bzw. zur Quelle (z.B. S. 49, S. 53, S. 56, S. 71), den Internetquellen fehlt das Datum des Abrufs. Weiterhin finden sich sprachlich-grammatische Fehler an mehreren Stellen im Text. Die Kommentare unter den Abbildungen sind aufgrund der Schriftgröße kaum lesbar.
Fazit
Es ist ein Buch mit guten Anregungen in kurzer Form und mit verbesserungsfähigen Bereichen, wie oben ausgeführt.
Zum ersten Kennenlernen der Klopftechnik ist der Band insgesamt gut geeignet, bevorzugt allerdings mit Einbettung in einen berufsbezogenen Reflexionsprozess, z.B. im Kontext von Fort- oder Weiterbildung oder als Kurs-Angebot in Maßnahmen zur gesundheitlichen Rehabilitation.
Rezension von
Prof. Dr. Margret Flieder
Evangelische Hochschule Darmstadt
Fachbereich Pflege- und Gesundheitswissenschaften
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Zitiervorschlag
Margret Flieder. Rezension vom 18.01.2018 zu:
Christiane Grümmer-Hohensee, Michael Bohne: Klopfen gegen den Stress. Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP) im Pflegealltag nutzen. Mabuse-Verlag GmbH
(Frankfurt am Main) 2017.
ISBN 978-3-86321-328-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23284.php, Datum des Zugriffs 24.09.2023.
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