Norbert Kersting, Helmut Willems et al. (Hrsg.): Urbane Innovation
Rezensiert von Prof. Dr. Detlef Baum, 13.11.2017
Norbert Kersting, Helmut Willems, Timo Bleckwedel, Landkreis Landkreis Lüneburg (Hrsg.): Urbane Innovation. Springer VS (Wiesbaden) 2017. 244 Seiten. ISBN 978-3-658-07320-6. D: 29,99 EUR, A: 30,83 EUR, CH: 37,50 sFr.
Thema
Woher kommen die Impulse für Veränderungen? Auf lokaler Ebene wird diese Frage immer virulenter, zeigen doch ganz viele Projekte auf kommunaler Ebene, dass diese Veränderungen nicht mehr unbedingt von einer planenden Verwaltung kommen, sondern von anderen Akteuren, die sich einzubringen versuchen. Solche Akteure drängen auf Aushandlungsprozesse mit den politisch Verantwortlichen. Das verändert auch den Kommunikationsstil und auch die Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene.
Vor diesem Hintergrund sind urbane Innovationen zu sehen. In den Städten vollzieht sich der Wandel weitgehend durch politische Entscheidungen, aber auch – und das immer mehr – durch innovative Projekte und Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern, die sich den öffentlichen Raum auf innovative Weise aneignen. Was ist an diesen Projekten nachhaltig und führt zu dauerhaften Veränderungen des Urbanen und ist jede der durch politische Entscheidungen initiierten Veränderungen auch innovativ und verändert das Urbane?
Herausgeber
Dr. Norbert Kersting ist Professor für Vergleichende Politikwissenschaft und Kommunal- und Regionalpolitik am Institut für Politikwissenschaften der Universität Münster.
Autorinnen und Autoren
Die Autorinnen und Autoren kommen aus den Bereichen der Verwaltungswissenschaft, der Politikwissenschaft, der Umweltpolitik und der Wirtschaftswissenschaften.
Aufbau und Inhalt
Nach einem kurzen Vorwort, in dem die Beiträge kurz vorgestellt werden, gliedert sich das Buch in sieben größere Beiträge, die jeweils am Schluss mit einer Literaturliste versehen sind.
Zu: Urbane Innovation – Ursachen Strategien und Qualitätskriterien (Norbert Kersting)
Dieses Kapitel kann als Einführungskapitel verstanden werden. Der Autor entfaltet hier die Absicht des Buches; es geht um Innovation im Bereich der Kommunalpolitik, die auch vor dem Hintergrund innovationstheoretischer Überlegungen und der Theorien der Policy-Diffusion diskutiert werden. Dabei konzentrieren sich die Beiträge des Buches auf soziale, politische, administrative, technokratische und fiskalische Innovationen. Im Bereich der sozialen Innovation geht es um Aspekte der Gemeinschaft im verdichteten Sozialraum Stadt; im Bereich der demokratischen Innovationen geht es um neu verfasste und nicht verfasste Formen der Beteiligung, die gerade im städtischen Raum an Bedeutung gewinnen; administrative Innovationen beziehen sich auf neuere Trends in Bereichen der Binnenorganisationen wie Haushaltsführung und Personalmanagement; technische Innovationen konzentrieren sich auf Informationsverarbeitung z.B. vor dem Hintergrund des Datenschutzes und fiskalische Innovationen werden vor dem Hintergrund der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen diskutiert. Diese Innovationsarten werden ausführlicher erläutert.
Der Autor geht dann auf die Theorie der Innovation und Transformation ein, die das Zustandekommen von Reformprozessen zu erklären versuchen. Er diskutiert in diesem Zusammenhang urbane Krisen, setzt sich mit der institutionellen Vorgeschichte und dem rechtlichen und politischen Kontext auseinander und diskutiert dann Akteurskonstellationen. Gerade die Akteurskonstellationen haben sich verändert und sie verändern auch nachhaltig die Beteiligungskultur. Dies wird auch in Bezug auf einschlägige Ansätze ausführlich erläutert.
Kersting kommt dann zu den urbanen Innovationsfeldern, geht kurz auf die Geschichte der deutschen urbanen Innovation ein und erläutert dann den Prozess von der Krisen und Risiken, über Akteure, Kontext und Vorgeschichte, Strategiewahl bis zum Reformverlauf. Bei den Krisen unterscheidet der Autor soziale Krisen, politische Legitimationskrisen, Verwaltungskrisen, Technikkrisen und Finanzkrisen. Bei den Akteuren und der Reformstrategie erörtert der Autor die Konstellationen und deren Wandel seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dann benennt der Autor Qualitätskriterien für Innovation und stellt Überlappungen der verschiedenen Innovationsbereiche fest.
Abschließend diskutiert Kersting die Umsetzungsfähigkeit der Innovation und die Interdependenz der Innovationsfelder.
Zu: Zur Handlungs- und Innovationsfähigkeit der Kommunen in Deutschland – Entwicklungslinien und Handlungsfelder (Hellmut Wollmann)
Unter Innovationsfähigkeit der Kommunen versteht der Autor die Fähigkeit der Kommunen „auf neue Situationen und Aufgaben organisatorisch, personell und konzeptionell wirkungsvoll reagieren zu können“ (33). Der Autor wählt ein historisches Vorgehen, um die Entwicklungsgeschichte nachzuzeichnen und sein Analyserahmen ist die Kommune, die in eine Reihe von rechtlichen, politischen und administrativen Rahmenbedingungen eingebunden ist, die sich ihrem Einfluss entziehen.
Wollmann diskutiert diesen Ansatz an Hand von vier Handlungsfeldern: Sozialpolitik, Städtebau, Daseinsvorsorge und Verwaltungsmodernisierung.
Im Bereich der Sozialpolitik kommt die kommunale Sozialstaatlichkeit zur Geltung, die sich seit der mittelalterlichen Armenfürsorge entfaltet hat. Beim Städtebau geht es um die städtebauliche Planung als Kernbereich sozialräumlicher Gestaltung des Gemeinwesens. Auch diese hat sich bereits im Mittelalter entwickelt und fand dann die erste gesetzliche Regelung im Preußischen Landrecht von 1794 und später im Baurecht des 19. Jahrhunderts.
Als eine weitere für die deutsche Kommunalgeschichte typische Entwicklung diskutiert der Autor die kollektive Daseinsvorsorge, die aus der Not heraus geboren wurde. Die Industrialisierung und die damit verbundene Entwicklung der Industriestädte hat eine Reihe allgemeiner Fragen der Versorgung der städtischen Bevölkerung mit kollektiven Gütern und Infrastrukturen aufgeworfen, denen sich die Städte damals stellen mussten.
Die Entwicklung einer kommunalen Bürokratie war dem Prozess der Ablösung einer auf feudalen Strukturen heraus entstandenen Honoratiorenverwaltung geschuldet. Der Autor geht dann auf die Reformwelle der 1960er und 1970er Jahre ein und diskutiert dann die Reformen in den 1990er Jahren.
Alle diese Handlungsfelder werden von Wollmann ausführlich und gründlich erörtert. In seinem Rück- und Ausblick diskutiert der Autor dann noch die unmittelbaren Nachkriegsjahre, den Transformationsprozess im Zuge der Widervereinigung und gibt dann noch kurz Antworten auf die Frage, ob die Kommunen an der Schwelle epochaler Herausforderungen stehen.
Zu: Soziale Innovation. Auf die Verwaltung kommt es an (Andrea Walter, Annette Zimmer)
Einleitend gehen die Autorinnen auf die Bedeutung der Kommune als Sozialraum ein, in dem sich gesellschaftliche Disparitäten und Ungleichheiten konkret begegnen und am deutlichsten aufeinanderstoßen. Des Weiteren versuchen sie eine Klärung des Begriffs soziale Innovation. Dabei diskutieren sie die Protagonisten der Erklärung des sozialen Wandels und modernisierungstheoretische Ansätze.
Die Frage, inwieweit die Kommune ein Raum sozialer Innovationen ist, gehen die Autorinnen historisch an. Sie beginnen dabei mit der industriellen Verstädterung, die die Städte und ländlichen Kommunen vor besondere Herausforderungen stellte. Dabei kamen damals bereits ökonomische und politisch-administrative Innovationen zur Geltung. Die administrative Innovation kann mit Forsthoffs Begriff der kollektiven Daseinsvorsorge als Aufgabe einer Verwaltung begriffen werden, die sich zu einer Leistungsverwaltung veränderte. Dies wird ausführlich erörtert.
Weiter diskutieren die Autorinnen soziale Innovationen im lokalen Kontext. Sie beziehen sich auch auf die europäische Forschung und arbeiten eine Reihe von Gemeinsamkeiten heraus, die in Europa insgesamt Gültigkeit haben:
- es geht nicht nur um Dienstleistungen, sondern um Vernetzung, Partizipation und Teilhabe;
- es geht nicht nur um die Berechtigung des Einzelnen, soziale Leistungen zu beziehen, sondern um Empowerment und Bildung als umfassendes Konzept;
- es geht um die Offenheit im Zugang zu sozialen Leistungen und Angeboten, die allen Bürgern einer Stadt unterschiedslos zur Verfügung stehen müssen;
- es geht um Hilfen in Notsituationen, die sich dem Regelwerk der klassischen Wohlfahrtsstaatlichkeit entziehen und einfach zur Verfügung stehen;
- die kommunale Sozialstaatlichkeit muss nicht nur das Recht auf soziale Leistungen dem Grunde nach sichern, sondern auch Angebote und Hilfen bereithalten, die von allen unkompliziert erreicht werden können;
- zeitlich begrenzte und auf spezifische Klientele abgestimmte Projekte haben als innovative Projekte nur dann nachhaltig einen Sinn, wenn sie nicht das Verwaltungshandeln konterkarieren.
Die Autorinnen diskutieren anschließend verschiedene Arten von Governance wie Governance of growth, Governance of social challenges oder Conflicting Governance of social and economic challenges.
Sie gehen dann noch auf die beiden Städte Münster und Berlin ein und stellen einige Beispiele sozialer Innovationen vor.
Zu: Demokratische Innovation. Qualifizierung und Anreicherung der lokalen repräsentativen Demokratie (Norbert Kersting)
Kersting stellt zunächst fest, dass sich das politische System in einer Legitimationskrise befindet. Zumindest kann dies für das institutionelle politische System behauptet werden, wo sinkende Parteizugehörigkeit und Wahlbeteiligung nachweisbar sind. Er geht dann auf die Bereiche demokratischer Innovationen ein, in denen sich anderer Formen demokratischer Kultur durchsetzen: Einmal ist es die repräsentative Demokratie, die Bürgerinnen und Bürger stärker partizipativ mitnimmt; zum anderen geht es um deliberative Modelle der Beteiligung, die sich eher auf diskursiv-interaktive Verfahren berufen.
Dann beschäftigt sich der Autor mit der Definition und den Theorien demokratischer Innovation. Es geht ihm um vier Bereiche demokratischer Partizipation, die von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen und über unterschiedliche Instrumente verfügen: die direktdemokratische Partizipation, die demonstrative Partizipation, die repräsentative Partizipation und die deliberative Partizipation. Diese Bereiche werden in einem Modell vorgestellt und ausführlich diskutiert. Dabei geht der Autor auch auf die Geschichte der bundesrepublikanischen Demokratieentwicklung ein und beschreibt drei Phasen:
- Die Phase der Transformation in der Nachkriegszeit, die von der Etablierung des politischen Systems und einer Territorialreform getragen wurde und die das politische System demokratisierte.
- Die Phase der repräsentativen Demokratie, die im Zuge der Wiedervereinigung und der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre die Kommunen unter Druck setzten. Privatisierung und Verwaltungsmodernisierung waren angesagt und eine Binnenreform der Verwaltung war unausweichlich.
- Die Phase der partizipativen Demokratie, in der vor allem im Zuge von Governance-Strategien andere Akteure in Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden wurden.
Diese Phasen werden ausführlich erörtert, bevor der Autor zu good and bad practice-Beispielen urbaner demokratischer Innovationen kommt. Es geht um Beispiele im Bereich der repräsentativen Beteiligung, der direktdemokratischen Beteiligung, der deliberativen Beteiligung und der demonstrativen Beteiligung. In allen Bereichen werden Verfahren und Instrumente der Beteiligung ausführlich beschrieben.
Zu: Administrative Innovationen (Gerhard Banner, Stephan Grohs, Renate Reiter)
Nach einer kurzen Einleitung, in der die Entwicklung der Kommunalverwaltung vor dem Hintergrund neuer Steuerungsmodelle und anderer Veränderungsprozesse angerissen werden, geht es der Autorin und den Autoren um die Definition und die Theorien administrativer Innovationen. Sie meinen mit administrativen Innovationen „intentionale Veränderungen öffentlicher Verwaltungen in instrumenteller und/oder prozedualer und/oder organisatorischer Hinsicht sowie zusätzlich die grundlegende Erneuerung der Organisationsziele“ (Hervorh. von den Autoren). Dieser Begriff wird vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen fundiert und er begründet auch drei Typen der Innovation:
- Der erste Typus der Innovation ist Innovation durch Zwang. Beispiele hierfür wäre die Einführung der Doppik oder der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes.
- Der zweite Typus bezeichnet das Autorenteam als Innovation durch Diffusion. Beispiel hierfür ist die Einführung neuer Steuerungsmodelle und der Konzept des New Public Managements.
- Der dritte Typus wird als Innovation durch die von innen kommende Entwicklung neuer Handlungs- und Gestaltungskonzepte der Verwaltung sowie ihre Übernahme in jeweilige Organisationen umschrieben.
Alle drei Typen werden ausführlich diskutiert und theoretisch fundiert. Der dritte Typ wird zudem am Beispiel der Stadt Mannheim als Fallstudie im weiteren Verlauf des Beitrags ausführlicher diskutiert.
Ein historischer Rückblick veranschaulicht noch einmal in drei Etappen die Entwicklung administrativer Innovation:
- Die Etappe bis 1989, die von einem aktiven Staat und Bürgernähe geprägt ist.
- Die Etappe von 1989 – 2000, in der sich ein schlanker Staat und neue Steuerungsmodelle durchsetzen.
- Die Etappe seit 2000 mit Post-Neuen Steuerungsmodellen, Doppik, Rekommunalisierung und kommunalen Eigenwegen.
Die dann beschriebene Mannheimer Verwaltungsreform wird unter folgenden Stichworten diskutiert:
- Umsetzung der Strukturmodernisierung,
- Verankerung einer kommunalpolitischen Strategie,
- Modernisierung der Organisationskultur, Aktivierung von Führung,
- Verbesserung der Zusammenarbeit von Rat, Verwaltung und Personalvertretung.
Zu: Technische Innovation – Potenziale von Open Government, offenen Daten und intelligenten Städten (Jörn von Lucke)
Der Autor konzentriert sich bei der Breite technischer Innovationen auf informationstechnische Innovationen und auf Innovationsschübe, die durch eine technisch initiierte Öffnung einer städtischen Politik und Verwaltung entstehen und die der Autor mit Open Government umschreibt. Beide haben wesentlich zu einer Modernisierung des Verwaltungshandels und zu einer Veränderung der politischen Kultur in der Stadt geführt.
Der Autor setzt sich zunächst mit Definitionen und Theorien auseinander und erklärt den noch relativ unbestimmten Begriff des offenen Verwaltungshandelns (Open Government). Dazu gehören auch offene Daten (Open Data), also der Umgang mit Daten, die im Interesse der Allgemeinheit sind und die deshalb auch transparent sein sollten. Dies wird ausführlich dargestellt und diskutiert.
Die intelligente Stadt ist eine Stadt, die wohl mit den damit verbundenen Herausforderungen zurechtkommt und deren Politik und Verwaltung sich mit der Bürgerorientierung, der Transparenz, der Bürgerbeteiligung und den damit verbundenen Aushandlungsprozessen konstruktiv auseinander zu setzen vermag. Auch dies beschreibt der Autor ausführlicher.
Jörn von Lucke stellt dann Theorien und Modell informationstechnologischer Innovation vor. Er geht zunächst auf den technischen Fortschritt ein, der mit der industriellen Revolution verbunden ist. Dann diskutiert er
- die Web-Evolution als einen Prozess vom Internet der Systeme zum Internet der Dinge,
- das E-Government als einen Prozess von der Datenverarbeitung zum Electronic Government,
- das Open Government in einen sechsstufigen Politikzyklus, der graphisch dargestellt wird,
- die Werte des Open Government vor dem Hintergrund des Rechtsstaats,
- Open Innovation und Open Societel Innovation, womit offene gesellschaftliche Innovationen gemeint sind, die den Prozess der Open Innovationen beeinflussen
Diese Aspekte werden ausführlich erörtert.
Der Autor geht dann auf Akteure informationstechnischer Innovation ein und diskutiert Open Government Partnership, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Förderung des Open Government“, die Bundesregierung und das Bundesinnenministerium, Vorreiter unter den Bundesländern, Kommunen und den KGSt-Innovationszirkel „Open-Data-Cities“, die Rolle von Wissenschaft, Forschung und Zivilgesellschaft.
Weiter beschreibt der Autor Praktiken einer Demokratie auf dem Weg zur E-Demokratie, die Politik des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der Open Government zu einer zentralen Strategie erhob und die folgende Öffnung vieler Staaten und die Aktivitäten nach der Bundestagswahl 2013.
Zum Schluss stellt von Lucke noch Fallstudien vor, die aufzeigen, wie Kommunen mit den technischen Innovationen zurechtkommen. Als Beispiele werden die bayerischen Kommunen genannt, bei denen Web 2.0 eingeführt wurde, und Ulm, deren Verwaltung den gleichen Prozess initiiert hat.
In seinem Fazit stellt der Autor in einer Kompaktanalyse noch Einsatzfelder, Nutzen, Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken eines offenen Verwaltungshandels vor.
Zu: Fiskalische Innovation – Neuerungsverhalten im Bereich der Kommunalfinanzen (Thomas Döring)
Einführend klärt Döring den Begriff der fiskalischen Innovation. Demnach sind alle jene Neuerung im Bereich der Kommunalfinanzen gemeint, die zu politischen Reformmaßnahmen und institutionellen Veränderungen innerhalb des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems in Deutschland mit Blick auf die kommunale Aufgaben- und Ausgabentätigkeit sowie deren Finanzierung geführt haben (205). Diese Definition wird ausführlich diskutiert und begründet, bevor der Autor zur ökonomischen Theorie des Fiskalföderalismus als Bezugsrahmen für die Bewertung fiskalischer Innovationen kommt. Vor dem Hintergrund einschlägiger Gutachten und Ansätze formuliert der Autor darin den Anspruch eines Finanzausgleichssystems, dass die von der Volkswirtschaft erbrachten und der öffentlichen Hand anvertrauten Finanzmittel mit dem Höchstmaß ökonomischer Zweckmäßigkeit zur Wirkung kommen.
Weiter diskutiert der Autor die relevanten Akteure, die an der Hervorbringung, aber auch an der Blockade von fiskalischen Innovationen im Bereich der Kommune beteiligt sind. In einer Graphik werden Bestimmungsfaktoren fiskalischer Innovationen dargestellt und die von den Kommunen bewirkten fiskalischen Innovationen diskutiert und an Hand von Beispielen erörtert. Dabei spielen Bund, Länder und die (Verfassungs-)gerichtsbarkeit eine bedeutende Rolle, was auch am Beispiel des Neuen Kommunalen Finanzmanagements erörtert wird.
Im Folgenden geht der Autor auf die bundesstaatlichen Finanzausgleichsbeziehungen ein und diskutiert dort die fiskalischen Innovationen. Dabei betrachtet er sehr ausführlich und detailliert zunächst den Zeitraum bis zur deutschen Einheit, kommt dann zur Entwicklung von 1989 bis zur Jahrtausendwende und diskutiert dann die Entwicklung von da an bis heute.
Weiter erörtert Döring das kommunale Schuldenmanagement und den Finanzausgleich unter dem Aspekt fiskalischer Innovationen.
In seiner abschließenden Zusammenfassung stellt der Autor in einer Übersicht bedeutsame fiskalische Innovationen und ihre ökonomische Bewertung vor. Dabei geht es um Kriterien wie produktiv und unproduktiv, grundlegend, inkrementell, ergebnisbezogen, verfahrensorientiert, flächendeckend und räumliche Begrenzung.
Diskussion
Innovation auf kommunaler Ebene bedeutet in erster Linie Veränderungen von kommunaler Politik und Verwaltung vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels. Urbane Innovation bezieht sich auf die Veränderungen des Urbanen durch Innovation in Politik und Verwaltung. Wie also werden Städte mit den Herausforderungen fertig, die mit den veränderten Bedingungen der Gestaltung des Sozialen, des Politischen, des Ökonomischen, des Fiskalischen und des Technischen verbunden sind? Und das heißt: Wie kommen städtische Verwaltungen und Stadtpolitiken mit den veränderten Herausforderungen zurecht, die mit dem Wandel der politischen Kultur, des Demokratieverständnisses, des veränderten Verständnisses sozialen Zusammenlebens und auch des veränderten Verständnisses von Stadt als Lebensraum und Urbanität verbunden sind, das Städterinnen und Städter inzwischen entwickelt haben? Alle die in diesem Buch vereinten Aspekte urbaner Innovation beziehen sich letztlich also auf die Gestaltung des Sozialen, des Politischen und des Kulturellen einer Stadt unter den Bedingungen gesamtgesellschaftlicher ökonomischer und technologischer Veränderungen und ökologischer Herausforderungen.
Das Buch verweist einerseits auf die einzelnen Ausprägungen urbaner Innovation und auch auf die Interdependenz der verschiedenen Dimensionen von urbaner Innovation; andererseits hebt es die jeweils besondere Bedeutung der einzelnen Ausprägungen für den gesamten Kontext urbaner Innovation hervor. Die jeweiligen Innovationen sind im Einzelnen für den Gesamtkontext notwendig; jede einzelne beschreibt aber nur unzureichend die damit verbundenen Folgen für andere Bereiche.
Interessant wäre die über die politikwissenschaftliche Fragestellung hinausgehende Überlegung, wie sich mit diesen Innovationen der urbane Lebensstil, die Urbanität als städtische Lebensweise mit verändert.
Fazit
Das Buch erfasst die unterschiedlichen Dimensionen urbaner Innovation in ihrer Einzelwirkung und in ihrem interdependenten Verhältnis zu jeweils anderen Ausprägungen urbaner Innovation. Die notweniger Weise geforderten Veränderungen kommunaler Politik und Verwaltung werden präzise dargestellt und diskutiert und in ihren Folgen abgeschätzt. Das Buch ist insofern hilfreich für die Problemanalyse kommunaler Politik und Verwaltung und für die Frage, was sich dort verändern muss.
Rezension von
Prof. Dr. Detlef Baum
Professor em.
Arbeits- u. Praxisschwerpunkte: Gemeinwesenarbeit, stadtteilorientierte Sozialarbeit, Soziale Stadt, Armut in der Stadt
Forschungsgebiete: Stadtsoziologie, Stadt- und Gemeindeforschung, soziale Probleme und soziale Ungleichheit in der Stadt
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Es gibt 172 Rezensionen von Detlef Baum.
Zitiervorschlag
Detlef Baum. Rezension vom 13.11.2017 zu:
Norbert Kersting, Helmut Willems, Timo Bleckwedel, Landkreis Landkreis Lüneburg (Hrsg.): Urbane Innovation. Springer VS
(Wiesbaden) 2017.
ISBN 978-3-658-07320-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23308.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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