Philipp Pohlenz, Susan Harris-Huemmert et al. (Hrsg.): Third Space revisited. Jeder für sich oder alle für ein Ziel?
Rezensiert von Gianpiero Favella, 20.04.2018

Philipp Pohlenz, Susan Harris-Huemmert, Lukas Mitterauer (Hrsg.): Third Space revisited. Jeder für sich oder alle für ein Ziel?
UniversitätsVerlagWebler
(Bielefeld) 2017.
154 Seiten.
ISBN 978-3-946017-07-3.
27,90 EUR.
Reihe: Qualität - Evaluation - Akkreditierung, 11.
Herausgeberin und Herausgeber
- Philipp Pohlenz ist Professor für Hochschulforschung und Professionalisierung der akademischen Lehre an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
- Susan Harris-Huemmert ist Post-doc Research Fellow am Lehrstuhl für Wissenschaftsmanagement an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer.
- Lukas Mitterauer ist promovierter stellvertretender Leiter der „Besonderen Einrichtung für Qualitätssicherung“ an der Universität Wien.
Entstehungshintergrund und Thema
Der Band „Third Space revisited. Jeder für sich oder alle für ein Ziel?“ von Philipp Pohlenz, Susan Harris-Huemmert und Lukas Mitterauer geht auf eine Frühjahrestagung des Arbeitskreises Hochschulen der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) zurück, die an der Universität Potsdam stattfand. Diskutiert wurden dabei die Fragen, „wie eine Brücke zwischen Evaluation und Qualitätsentwicklung oder Hochschuldidaktik zu bauen ist“ (S. 3).
Aufbau
Der Band wird in vier Abschnitte untergliedert:
- Theoretische und historische Perspektiven,
- Hochschuldidaktik und Qualitätsmanagement,
- Praxisbeispiele und
- Identitäten von Qualitätsmanager*innen.
Zu Abschnitt 1
Im ersten Abschnitt zeigt zunächst Susan Harris-Huemmert mit einem Seitenblick auf die Physik auf, wie der Third Space einen Handlungsraum eröffnet, der sich weder nur auf Forschung und Lehre noch nur auf Verwaltung bezieht. Es ist ein Raum, der Sichtweisen ermöglicht: „Dieser Aspekt des third space ist wichtig, denn grade diese Sichtweise erlaubt, das Spielerische, Erfindungsreiche, das für Innovation und Entwicklung häufig notwendig ist“ (S. 10 f.).
Paul Reinbacher plädiert dafür, den Third Space als ein „Anwendungsfeld für ‚Prozessmanagement‘ zu interpretieren“ (S. 20) und stößt auf ein Verständnis, in dem der Third Space nicht ein an Personen gebundener Ort, sondern vielmehr ein Ergebnis von Unterscheidungen ist – wie etwa Administration und Profession. Das eigene Handeln wird auf der Grundlage von Ausgangsunterscheidungen „beobachtet und interpretiert“ (S. 23). So sehr die Figur des Tricksters zunächst als „unbequeme[r], schillernde[r] und listige[r] Quertreiber und Provokateur“ (S. 34) erscheinen mag, weil diese sich einer Einordnung entzieht und Widersprüche auslöst, so sehr kann der Third Space als ein Ort gelten – so Jürgen Reinmann –, in dem die „Widersprüche ausgehalten“ (S. 36) werden.
Mit der Frage nach den innewohnenden Praktiken der Steuerungslogik des Qualitätsmanagements richtet Benjamin Ditzel – abschließend für den ersten Abschnitt – seinen Blick auf einen spezifischen Bereich des Third Space. Rekonstruiert werden „Orientierungs- bzw. Denkmuster“ (S. 62) von Akteur*innen des Qualitätsmanagements, die einen Einfluss auf ihr Handeln haben können.
Zu Abschnitt 2
Im zweiten Abschnitt beschreibt Annika Boentert das Verhältnis zwischen Hochschuldidaktik und Qualitätsmanagement (QM). Die Autorin stellt – überzeugend – vier Arten des Zusammenhangs heraus, in dem 1.) die „Hochschuldidaktik als Konkretisierung des QM für Lehr-/Lernprozesse“ (S. 79) verstanden werden kann, 2.) die „Hochschuldidaktik (…) zum Auftraggeber und Kunden von Leistungen des hochschulweiten Qualitätsmanagements“ (S. 80) gelten kann, 3.) das „Qualitätsmanagement an Hochschulen (…) auf didaktische Expertise angewiesen ist“ (ebd.) und schließlich gründet die Beziehung auf einem gemeinsamen Ziel, durch das organisationale Lernen „subjektive Handlungsvoraussetzungen zu verändern“ (S. 81).
In dem zweiten Beitrag werden von Ramona Lange, Ulrike Sonntag & Harm Peters die Möglichkeiten und die Herausforderungen des Verhältnisses zwischen Hochschuldidaktik und Qualitätsmanagement herausgestellt. Am Beispiel der medizinischen Ausbildung wird ein mehrdimensionaler Ansatz „als Methode und Analysewerkzeug“ (S. 89) vorgestellt, wie eine Relationierung zwischen Hochschuldidaktik und Qualitätssicherung gerahmt werden könnte. Ausdifferenziert wird dieser Ansatz in drei Dimensionen: in der strukturellen, kommunikativen und handlungsbezogenen Dimension.
Zu Abschnitt 3
Das erste Praxisbeispiel im dritten Abschnitt beschreiben Christiane Metzger, Uta Amann & Mareike Kobarg am Beispiel der Fachhochschule Kiel. Den Bezugspunkt stellt ein Modell pädagogischer Hochschulentwicklung [1] dar, welches zwischen vier Ebenen unterscheidet:
- die Ebene der „strategischen Ziele für Lehre und Studium“ (S. 107; Hervorh. i. Orig.),
- die „Ebene der Lernumgebung“ (ebd.)
- die „Ebene der Studienprogramme“ (ebd.) und
- die „Ebene der Organisation“ (ebd.).
Es lassen sich – so stellt die Autorinnengruppe detailliert heraus – Tätigkeitsfelder formulieren, die entweder der Hochschuldidaktik oder dem Qualitätsmanagement zugeordnet werden können oder in denen beide Felder ineinandergreifen.
Das zweite Beispiel aus der Praxis stellen Cornelius Lehnguth & Kerstin Schulmeyer-Ahl vor, indem sie aufzeigen, wie sich das Qualitätssicherungssystem an der Goethe-Universität Frankfurt als Organisationsentwicklungsprozess herausbildet. Als Anlass ihrer Reflexion dient den Verfasser*innen des Beitrags die zunehmende „organisationale(.) Hybridität“ (S. 128): Auf der einen Seite wird die Universität durch betriebswirtschaftliche Professionelle zur Etablierung „unternehmensnaher Leistungskulturen“ [2] gesteuert. Auf der anderen Seite existiert die sogenannte Gruppenuniversität weiter, was zu einer „Multiplikation der Entscheidungslast“ (ebd.) beiträgt.
Zu Abschnitt 4
Der letzte Abschnitt wird von Clemens Reindl eröffnet. In diesem Beitrag wird veranschaulicht, wie die Stabsstelle des Qualitätsmanagements ihr Qualitätsmanagementsystem nach dem Total Quality Management-Ansatz ausrichtet. Dieser Ansatz ist mit Befragungsaktivitäten verbunden: „Lehrveranstaltungsevaluation, Studierendenbefragung […], Studienabschlussbefragung, […] AbsolventInnenstudie, MitarbeiterInnenbefragung, Praktikumsevaluation“ (S. 120). Der Autor leitet abschließend Thesen für den Third Space ab.
Der letzte Abschnitt schließt mit Befunden aus einer Online-Befragung zur „Personalsituation im Qualitätsmanagement“ (S. 143) von Markus Seyfried. Der Autor plädiert schließlich für „Unterstützungsstrukturen“ (S. 149) für befristete als auch für unbefristete Beschäftigte im Qualitätsmanagement in Hochschulen: Befristet Beschäftigten müsse die Möglichkeit geboten werden, sich weiter qualifizieren zu dürfen. Unbefristet Beschäftigte müssen Karrieremöglichkeiten offeriert werden, auch innerhalb des Qualitätsmanagements Karrierepfade zu gehen.
Diskussion und Fazit
Es ist die kohärente und vielschichtige Zusammenstellung der Beiträge, die im Rahmen von „nur“ 154 Seiten beeindruckend das Thema bearbeitet. Der Band macht auf ein Thema aufmerksam, das bei zunehmender projektförmiger Umgestaltung des Wissenschaftsbetriebs dringend mehr Beachtung braucht. Die steigende projektorientierte Formung des Hochschulbetriebs befördert gleichermaßen eine zeitlich begrenzte und unsichere Zukunftsplanung. Es erscheint vor dem Hintergrund der Unsicherheit [3] von befristeten und unbefristeten Stellen in Hochschulen lohnenswert, den Third Space durch weitere empirische Arbeiten auf die Frage hin zu durchleuchten, wie dieser durch strukturelle und kontextspezifische Rahmenbedingungen allererst hervorgebracht wird. Dabei insbesondere: Welche sozialen Mechanismen lösen in welcher Art und Weise den Third Space oder die Verbindung zwischen Hochschuldidaktik und Qualitätsmanagement aus? Ansätze für diese Blickrichtung sind im Band durchaus vorhanden.
[1] Vgl. Brahm, T., Jenert, T. & Euler, D. (2016) Pädagogische Hochschulentwicklung als Motor für die Qualitätsentwicklung von Studium und Lehre. In dies. (Hrsg.): Pädagogische Hochschulentwicklung: Von der Programmatik zur Implementierung (S. 19-36). Wiesbaden: VS Verlag.
[2] Kaufmann, B. (2012). Akkreditierung als Mikropolitik: zur Wirkung neuer Steuerungsinstrumente an deutschen Hochschulen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 72.
[3] Lohr, K., Hilbrich, R. & Peetz, T. (2015): Beobachtungen aus der reformierten Universität: Das Ende der Unsicherheit? In: Apelt, M./ Senge, K. (Hrsg.): Organisation und Unsicherheit (S. 123-138). Wiesbaden: VS Verlag.
Rezension von
Gianpiero Favella
M.A.
TU Kaiserslautern,
Fachbereich Sozialwissenschaften,
Fachgebiet Pädagogik
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