Hans Gunia, Cynthia Quiroga Murcia: Tango in der Psychotherapie
Rezensiert von Monika Pietsch, 07.03.2018

Hans Gunia, Cynthia Quiroga Murcia: Tango in der Psychotherapie. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2017. 114 Seiten. ISBN 978-3-497-02673-9. D: 19,90 EUR, A: 27,70 EUR.
Autor und Autorin
Dipl. Psych. Hans Gunia ist Lehrtherapeut und Supervisor mit eigener Praxis.
Dr. Cynthia Quiroga Murcia ist psychologische Psychotherapeutin mit eigener Praxis und forscht über die Wirkungen des Tango Argentino.
Thema
Gunia und Murcia plädieren dafür, den Tango Argentino als Kulturtechnik zu erschließen und ihn in der Psychotherapie und vor allem in der ambulanten Verhaltenstherapie als Gruppenangebot aufzunehmen. Gleichzeitig setzen sie sich für eine theoretische Verbindung in die Verhaltenstherapie ein, um weitere Entwicklungen zu ermöglichen. Ihr Wunsch ist es, zu ermutigen und in einen Austausch mit interessierten Kollegen zu treten.
Aufbau und Inhalt
Der theoretische Teil beinhaltet die Geschichte der Verhaltenstherapie und verhaltenstherapeutischer Bausteine für die Kombination mit Tango Argentino und das SORKC- Schema. Dieses Schema zeigt die Zusammenhänge zwischen den auslösenden Bedingungen und Konsequenzen von Verhaltensweisen. Dieses Schema wird im praktischen Teil auf die verschiedenen Störungen angewendet und so die jeweilige Funktion des Tango Argentino in der Bewältigung bestimmt.
Der praktische Teil umfasst die Qualifikation der Trainer, das Setting, den allgemeinen Ablauf der Workshops und verschiedene Persönlichkeitsstörungen: Borderline- Störungen, Schizophrenien, Depressionen, Parkinson, Paartherapie. Gunia und Murcia geben Informationen zur Störung, die SORKC- Analyse in der Behandlung der Störung und ein Manual für einen Tagesworkshop. So werden bspw. die Leitsymptome des Parkinson- Syndroms nach Gerlach (2007) aufgelistet und erläutert:
- Bewegungsverlangsamung
- Steifheit in den Muskeln
- Zittern
- Haltungsinstabilität
Es folgen biologische, medizinische und biochemische Hintergrundinformationen. Gunia und Murcia führen wissenschaftliche Untersuchungen mit Vergleichsgruppen an, die belegen, dass Tango- Tanzen z.B. zur Verbesserung der Bewegungsfähigkeit und dem Halten des Gleichgewichts geführt haben.
Die Analyse mit Hilfe des SORKC zeigt:
- der Stimulus S: die Einschränkungen in der Beweglichkeit wirkt sich z.B. als fehlende soziale Anerkennung und Einschränkungen am Arbeitsplatz aus.
- die Organismusvariabele O zeigt z.B. Grübeln oder soziales Rückzugsverhalten.
- die Reaktionen R können sein: Reizbarkeit, Herzklopfen oder auch Angst und Scham.
- Als negative Konsequenz C können Verlust der Lebensfreude und Lebensqualität gesehen werden.
Gunia und Murcia stellen nun dar, wie der Tango Argentino dem entgegen wirkt: der Parkinsonerkrankte erlebt mit PartnerIn gemeinsam etwas Neues, Nähe, Rhythmus der Musik, Lebensfreude, Kommunikation mit anderen usw.
Das Manual für einen Tagesworkshop beginnt mit einem Ablaufplan. Anschließend werden die Ziele festgelegt, z.B. Teilnehmer soll relevante Informationen über die Krankheit erhalten, Angehörige sollen Kommunikationsstrategien erlernen. Die Informationen wechseln mit fiktive Gespräche zwischen Trainern und Teilnehmern und praktischen Übungen ab.
Den Abschluss des Teil 2 bildet der Exkurs in Tango und Achtsamkeit. Hier werden unter anderem Übungen zum Wahrnehmen und Teilnehmen vorgestellt.
Zum Abschluss gibt es den Ausblick, Literatur, Sachregister und sechs Anhänge: Fragen zum Kennenlernen, Validierung, Aktives Zuhören, Ich-Botschaften, Eine Bitte äußern, Progressive Muskelentspannung nach Jakobsen.
Diskussion und Fazit
Die Kombination von Tango und Therapie ist ungewöhnlich. Zunächst hat man möglicherweise das Bild von Tänzern und Tänzerinnen in Tangobars vor Augen. Dies verbindet sich schwer mit den Störungen, die therapeutisch behandelt werden. Doch schnell werden die Zusammenhänge und Vorteile von Gunia und Murcia dargestellt. Das Buch zeigt ganz praktisch auf, wie Therapeuten den Tango Argentino für ihre Arbeit nutzen können. Dabei können sie in Personalunion auch Tangotänzer oder – lehrer sein oder sich entsprechende Fachleute dazu nehmen.
In den praktischen Kapiteln zeigen Gunia und Murcia auf, welche Chancen in diesem Tanz für die jeweilige Störung liegen. Die angebotenen Methoden und kleinen Geschichten zur Veranschaulichung machen auch das Buch abwechslungsreich.
Hinsichtlich des Tango Argentino wird Wert auf die Geschichte und die Regeln in Buenos Aires gelegt. Bei den Tanzschritten beginnen Gunia und Murcia mit Hören der Musik und dem Gehen zur Musik. Einfach Schritte oder auch Kombinationen werden nicht ausdrücklich beschrieben, diese liegen dann in der Verantwortung der Tanzlehrer.
Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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