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Heidi Sinning (Hrsg.): Altersgerecht wohnen und leben im Quartier

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 06.03.2018

Cover Heidi Sinning (Hrsg.): Altersgerecht wohnen und leben im Quartier ISBN 978-3-8167-9950-4

Heidi Sinning (Hrsg.): Altersgerecht wohnen und leben im Quartier.. Trends, Anforderungen und Modelle für Stadtplanung und Wohnungswirtschaft. Fraunhofer IRB Verlag (Stuttgart) 2017. 239 Seiten. ISBN 978-3-8167-9950-4. D: 59,00 EUR, A: 60,70 EUR, CH: 99,20 sFr.

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Thema

Altersgerecht wohnen und leben im Quartier kann als eine Zielvorgabe und zugleich auch als ein Qualitätsanspruch für die Experten in diesen Arbeitsfeldern verstanden werden, denn diese Thematik dringt immer stärker in den gesellschaftlichen Alltag mit seinen verschiedenen Elementen der Versorgung und Infrastruktur. Hier ist vieles noch Neuland, denn die demographische Alterung zeichnet sich erst seit einigen Jahrzehnten ab. In diesem Kontext Lösungsansätze für die Gegenwart und die nahe Zukunft zu entwickeln, kann als ein Schwerpunkt der vorliegenden Publikation verstanden werden.

Herausgeberin und Autoren

Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning ist an der FH Erfurt Fakultät Architektur und Stadtplanung tätig.

Bei den Autoren handelt es sich überwiegend um Architekten, Raum- und Stadtplanern nebst Soziologen und Politologen, die in verschiedenen Arbeitsfeldern der Architektur- und Stadtplanung in eigenen Büros, Instituten oder Hochschuleinrichtungen beschäftigt sind.

Aufbau

Die Publikation umfasst zwölf Kapitel, die in vier Abschnitte unterteilt sind.

  • Abschnitt 1 „Alt ist nicht gleich alt – Wohnen und Leben im Alter“ (Seite 9 – 50)
  • Abschnitt 2 „Gut aufgestellt für die Zukunft – Alters- und generationsgerechte Quartiersentwicklung“ (Seite 53 – 120)
  • Abschnitt 3 „Wohnen mit Zukunft – Gemeinschaftliche Wohnformen für Ältere“ (Seite 123 – 178)
  • Abschnitt 4 „Im Dialog gestalten – Partizipation und Kooperation für altersgerechte Quartiere“ (Seite 181 – 232)

Die Texte werden zusätzlich durch 79 Abbildungen (teils Fotos) und 13 Tabellen illustriert.

Zu Abschnitt 1

Im ersten Abschnitt thematisiert Heidi Sinning im ersten Kapitel „Aging in Place – Differenzierungen, Anforderungen und Perspektiven für Wohnen und Leben im Quartier“ die erforderlichen Rahmenbedingungen für diese Lebenswelt der älteren und alten Menschen. Eine Grundvoraussetzung besteht aus der Schaffung von barrierefreien bzw. barrierereduzierten Wohnungen. Es folgt für das Quartier die Maxime bzw. das Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“. Dies besagt, dass sich möglichst sich alle Versorgungs-, Freizeit- und Hilfsangebote im Nahbereich befinden sollten. Diese Perspektive erfordert das enge Zusammenwirken von Wohnungswirtschaft und Wohnungseigentümern mit den kommunalen Institutionen Stadtplanung bzw. Stadtentwicklung und Stadtpolitik und mit den verschiedenen Trägern der Versorgung und Hilfen und auch mit den Vereinen und Verbänden des gesellschaftlichen Lebens. Hieran anschließend erläutert die Autorin u.a. die Einschränkungen, die das Altern mit sich bringt wie Geh-, Hör- und Sehfähigkeit als umweltrelevante Faktoren für die Gestaltung des Quartiers. Das Leitziel bei der Entwicklung dieses sozialen und räumlichen Umfeldes orientiert sich an einer möglichst langen selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung der älteren und alten Menschen.

Bernd Hollenberg befasst sich in dem Kapitel „Wohnen im Alter und die Veränderung von Lebensstilen und Lebenswelten“ mit verschiedenen Aspekten des Wohnens älterer Menschen mittels Anführung des statistischen Datenmaterials in Tabellen und Grafiken: u.a. Wohnstatus nach Gebäudetyp, Wohnfläche und Wohnkostenbelastung von Rentnerhaushalten. Anschließend unternimmt er den Versuch, in Anlehnung an die Konzeption „Sinus-Milieus“ Prognosen über das Verhalten älterer Menschen bezüglich des Wohnens zu entwerfen.

Zu Abschnitt 2

Der Abschnitt beginnt mit dem Kapitel „Unterschiedliche Stadtquartiere und Quartierstypen – wie eignen sie sich für heutiges und künftiges Älterwerden?“ von Gabriele Steffen und Ulrich Otto. Die Autoren stellen die Ergebnisse der Studie „Älterwerden in München“ (u.a. schriftliche Befragung älterer Menschen und Experteninterviews) vor. Wesentliche Resultate sind u.a.: die hohen Mietkosten in München sind auch für Ältere ein spürbar ökonomischer Belastungsfaktor und die Zufriedenheit mit dem Wohnviertel nimmt mit wachsendem Alter u.a. aufgrund der unzureichend angesehenen Angebote an Dienstleistungen und Geschäften nebst Bildungseinrichtungen ab. Das Konzept der „kurzen Wege“ im Nahbereich kann aufgrund der Ausdünnung an Leistungsangeboten nicht mehr eingehalten werden; das ist für Senioren ohne Kraftfahrzeug eine deutliche Erschwernis in der Bewältigung des Alltags.

Birgit Wolter referiert über die Fallstudie „Alt werden im Quartier – die Perspektive älterer Menschen türkischer Herkunft im Berliner Stadtteil Moabit Ost“. Hierbei geht es u.a. um das Wohn- und Kontaktverhalten älterer Türken mit Unterstützungs- und Pflegebedarf in ihrem Quartier (Stadtteil Tiergarten-Mitte). Regelmäßige gegenseitige Besuche und gemeinsame Mahlzeitenzubereitungen und -einnahmen sind hierbei für die Türkinnen von Bedeutung, aber auch häufige Treffen in den Parkanlagen und in Cafés sind von Bedeutung. Trotz dieser Kontaktdichte, die stärker ist als bei deutschen älteren Menschen im Quartier, wünschen sich die Befragten die Einrichtung einer festen Begegnungsstätte, um gegen die Widrigkeiten des Wetters gewappnet zu sein.

Uwe Lübking erläutert in seinem Beitrag „Bewegungsräume im Quartier – ein Beitrag für mehr Lebensqualität und Gesundheit“ anhand konkreter Beispiele aus verschiedenen Kommunen (u.a. Fotos), welche Möglichkeiten Parkanlagen im Nahbereich für aktive sportliche Betätigung jenseits von Sportplätzen und Schwimmbädern bieten können. Er plädiert diesbezüglich für die Schaffung eines Leitbildes „bewegungsfreundliche Kommunen“ einschließlich einer „gemeindlichen Sportraumentwicklungsplanung“.

In ihrem Beitrag „Rote Lippen und Rollatoren … – wie ein verändertes Lebensgefühl im Alter die räumliche Planung herausfordert“ konzipiert Caroline Günther das Modell einer „inklusiven Stadt“ auf der Grundlage umfangreicher bereits bestehender Datensätze des letzten Jahrzehnts. Die Kernelemente dieses Konzeptes einer altersgerechten räumlichen Umgebung sind die allseits bekannten Faktoren Sicherheit, Orientierung, Erreichbarkeit und Zugänglichkeit.

Zu Abschnitt 3

In diesem Abschnitt wird zu Beginn die Thematik „Gemeinschaftliches Wohnen – Möglichkeiten und Grenzen für das Leben im Alter“ von Ricarda Pätzold anhand des empirischen Materials referiert. Es zeigt sich, dass diese Form des gemeinschaftlichen Wohnens und Lebens im Alter angesichts der geringen Anzahl an Modellvorhaben (627 im Jahr 2016) weiterhin seit über 40 Jahren ein Nischendasein für bestimmte überschaubare Zielgruppen darstellt.

Claudia Thiesen beschreibt eine besondere des gemeinschaftlichen Wohnens, das auch für die ältere rüstige Generation propagiert wird: „Clusterwohnen in Schweizer Genossenschaften – Moderne WGs zwischen Individualität und Gemeinschaft auch für die ältere Generation?“ Hierbei handelt es sich eine Weiterentwicklung des Wohngemeinschaftsansatzes dahingehend, dass in diesem Modell Kleinstwohnungen mit eigenem Sanitär- und Kleinküchenbereich etwa traubenförmig um größere Gemeinschaftsflächen (erweiterte Flure, größerer Küchenbereich mitsamt Wohn- und Esszimmer) angesiedelt sind. Diese Architektur ähnelt stark der räumlichen Gestaltung von Demenzwohnbereichen in Altenpflegeheimen.

Zu Abschnitt 4

In diesem Abschnitt loten Annette Krön und Harald Rüßler in ihrem Beitrag „Partizipation im Wohnquartier – Ältere Menschen als (Ko-)Produzenten in der Quartiersentwicklung“ anhand einer quartiersbezogenen Studie in verschiedenen Stadtteilen Gelsenkirchens Möglichkeiten und Grenzen der Mitwirkung älterer Menschen bei der Gestaltung ihres Quartiers aus.

Theresa Hufeld und Heidi Sinning setzen sich in ihrem Beitrag „Altersgerechte Anpassung des Wohnumfeldes durch Aktivierung von Einzeleigentümern und Kooperation im Quartier“ mit einer äußerst spezifischen Thematik auseinander: Einzeleigentum im Kontext von Gemeinschaftsinteressen. Hierbei schlagen sie eine Reihe von Kooperationsformen bezüglich der Gestaltung eines altersgerechten Quartiers mit u.a. folgenden Schwerpunkten vor: Flurgestaltung, PKW-Abstellplätze, Freisitze am Haus, Mietergärten, „Quartiershäuser und -plätze“ und Freizeit- und Erholungsanlagen.

Lynn Schelisch und Annette Spellerberg beschäftigen sich mit der Thematik „Potenziale digitaler Vernetzung älterer Menschen im Quartier“, wobei sie u.a. die bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten im häuslichen Bereich („Smart Home“, „Ambient Assisted Living“ – Wohnen mit intelligenter Technik) aufzeigen, die jedoch oft noch nicht ganz ausgereift und marktkompatibel sind und die auch noch nicht so recht von der älteren Generation als Hilfen angenommen werden.

Diskussion und Fazit

Wohnen im Alter ist ein Gegenwarts- und zugleich auch ein bedeutsames Zukunftsthema für alle gesellschaftlichen Bereiche. Der vorliegende Sammelband enthält zwölf Puzzleteile dieses schier weiten und zugleich unerschöpflichen Problemfeldes, das meist zugleich auch mit begrenzter Lebenszeit, chronischen Erkrankungen nebst zunehmenden Mobilitätseinschränkungen und vor allem auch mit Einsamkeit und Isolierung assoziiert wird.

Es gilt festzustellen, dass die einzelnen Abhandlungen, Studien und Sachdarstellungen ihrem jeweiligen Gegenstandsbereich gerecht werden. Hier gibt es keinerlei Kritik anzusetzen. Doch der Rezensent ist mit der Gesamtdarstellung nicht recht zufrieden, fehlt ihm doch der „rote Faden“, der die verschiedenen Einzelbeiträge zu einem Ganzen zusammenfügt und somit zugleich auch neue Perspektiven und Impulse für die Verantwortlichen anzubieten vermag.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Es gibt 225 Rezensionen von Sven Lind.

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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 06.03.2018 zu: Heidi Sinning (Hrsg.): Altersgerecht wohnen und leben im Quartier.. Trends, Anforderungen und Modelle für Stadtplanung und Wohnungswirtschaft. Fraunhofer IRB Verlag (Stuttgart) 2017. ISBN 978-3-8167-9950-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23389.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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