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Bente Aamotsbakken, Eva Matthes et al. (Hrsg.): Heterogenität und Bildungsmedien (...)

Rezensiert von Dr. Corinna Geppert, 07.12.2017

Cover Bente Aamotsbakken, Eva Matthes et al. (Hrsg.): Heterogenität und Bildungsmedien (...) ISBN 978-3-7815-2192-6

Bente Aamotsbakken, Eva Matthes, Sylvia Schütze (Hrsg.): Heterogenität und Bildungsmedien = Heterogeneity and educational media. Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung (Bad Heilbrunn) 2017. 368 Seiten. ISBN 978-3-7815-2192-6. D: 36,00 EUR, A: 37,10 EUR.

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Thema

Der Sammelband „Heterogenität und Bildungsmedien“ beschäftigt sich mit drei aktuell in der Bildungsforschung, Bildungspolitik aber auch Bildungsberichterstattung sehr präsenten Themen: Zum einen wird das Thema der Heterogenität in den Blick genommen, ein Begriff, der oftmals verkürzt auf Geschlecht, kulturellen Hintergrund und soziale Herkunft bezogen ist, hier jedoch sehr breit gefasst wird. Zum anderen werden Bildungsmedien besprochen, deren Bandbreite von Schulbüchern bis hin zu Comics und e-Learning-Plattformen reicht. Schließlich – und das ist das eigentliche Ziel des Sammelbands, werden die beiden Themen miteinander in Beziehung gebracht und deren Zusammenhänge diskutiert. Anliegen des Werks ist „die in der Forschung bisher vernachlässigte Perspektive auf Bildungsmedien angesichts der Herausforderung heterogener Lerngruppen einzunehmen sowie theoretische und empirische Erkenntnisse zu diesem Themenfeld beizusteuern“ (S. 10).

Entstehungshintergrund

Der Sammelband ist vor dem Hintergrund der Tagung der Internationalen Gesellschaft für historische und systematische Schulbuch- und Bildungsmedienforschung (IGSBi), die 2016 in Oslo stattfand, entstanden und beinhaltet vorrangig Vorträge der Tagung.

Aufbau und Inhalt

Neben einer ausführlichen Einleitung von Eva Matthes und Sylvia Schütze in deutscher und englischer Sprache besteht der Sammelband aus 27 Beiträgen, die in sechs Abschnitten angesiedelt sind:

1. Heterogenität, Unterricht und Bildungsmedien: grundsätzliche Überlegungen

In diesem Abschnitt beschäftigt sich Werner Wiater mit der Frage, ob Individualisierung des Unterrichts eine Lösung für das Heterogenitätsproblem darstellt und tritt in dem Beitrag dem uneingeschränkten Individualisierungsdrang entgegen.

Bea Hermann beschreibt anschaulich, welche Anforderungen an Lehrwerke wie Schulbücher gestellt werden, wenn sie Heterogenität von Lerngruppen berücksichtigen möchten und bespricht unter anderem modulare Lehrwerke und Lehrwerke für unterschiedliche (Leistungs-)Niveaus. An das Thema der Lehrwerksgestaltung schließt Luzius Meyer-Kurmann an und berichtet über einen einjährigen Lehrgang für Lehrmittelautor/innen an der Pädagogischen Hochschule Graubünden.

2. Bildungsmedien für eine sprachlich und kulturell heterogene Schülerschaft – historische Perspektiven

Anna Maria Harbig verdeutlicht in ihrem historischen Beitrag, der sich mit der Darstellung von Heterogenität in Fibeln der k. u k. Monarchie Österreich-Ungarn auseinandersetzt, dass einzelne Heterogenitätsdimensionen immer schon diskutiert wurden, deren Wertigkeit sich jedoch verschiebt. Wurden Unterschiede zwischen Buben und Mädchen sowie zwischen städtischen und ländlichen Milieus damals als gegeben erachtet, so war es sprachliche Heterogenität, die thematisiert und problematisiert wurde.

Vladimir M. Kaljević beschreibt, wie versucht wurde, die Bedürfnisse der deutschen Minderheit im neu gegründeten Königreich Jugoslawien im Bildungssystem zu berücksichtigen. So wurden Bücher für Minderheiten teilweise zugelassen, jedoch sollten darin jugoslawische Inhalte vermittelt werden.

3. Innere Differenzierung durch multimodale Bildungsmedien

Leonie Dienes und Alexandra von Proff beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit dem Bilderbuch als Bildungsmedium.

Comenius´ Orbis sensualium pictus (1653) steht im Zentrum des Beitrags von Vitaly Bezgrogov, der die Auswirkungen von Übersetzungen und der Verbreitung des Werks auf den Inhalt und Gehalt dessen, was ursprünglich von Comenius intendiert wurde, diskutiert.

Ekaterina Romashina beschäftigt sich mit dem Werk des russischen Pädagogens und Didaktikers Michael Trostnikov, der Lehrmittel für den multilingualen Gebrauch erstellt, um deutschen, litauischen und estnischen Minderheiten in Russland die russische Sprache näher bringen zu können.

Der Mehrwert des Einsatzes von multimodalen Texten für heterogene Lerngruppen – wie etwa Bilderbücher, die gedruckt und digital verfügbar sind – wird von Stefania Carioli beschrieben.

Norbert Parschalk geht in seinem Beitrag auf Comics ein, die historische Ereignisse vermitteln, und stellt die These auf, dass Comics als Bildungsmedien angesehen werden können.

4. Innere Differenzierung durch digitale Bildungsmedien

Dominik Neumann präsentiert die Ergebnisse der Evaluation eines e-Learning-Programms und fragt danach, ob dies als „Königsweg zum Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen“ gelten kann.

Thomas Heiland fokussiert in seinem Beitrag auf nicht-deutschsprachige Schüler/innen und bespricht die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von digitalen Bildungsmedien zur Förderung dieser Schüler/innengruppe. Auch Carina Ascherl und Anja Baltis beschäftigen sich mit sprachlicher Heterogenität und beschreiben die Tendenz dazu, kostenfreie digitale Angebote in den Deutschunterricht zu integrieren.

Ein noch kaum erforschtes Lehr- und Lern-Medium steht im Zentrum des Beitrags von Kristina Bucher, die sich mit „Augmented Reality“ („Erweiterte Realität“) beschäftigt.

Hans Hellfried Wedenig bespricht auf Basis einer empirischen Untersuchung mit Lehrenden und Lernenden die Potenziale und Grenzen von adaptiven Lehrbüchern.

5. Differenzierungsmöglichkeiten durch fächerspezifische Schulbücher und fächerübergreifende Lernmaterialien

Britta Juska-Bacher und Claudia Valsecchi geben in ihrer historischen Analyse Einblicke in Differenzierungen in Zürcher Deutschbüchern der Primarstufe seit 1866.

Dörte Balcke kommt in ihrer Analyse von Schulbüchern des Mathematikunterrichts zu dem Schluss, dass diese nur wenig zur Binnendifferenzierung geeignet sind, da sie im Schwierigkeitsgrad, der Aufgabenart und dem Vorhandensein von offenen Aufgaben begrenzt sind.

Yvonne Behnke und Péter Bagoly-Simó fragen in ihrem Beitrag danach, ob Anbieter von Lehrbuchreihen dazu neigen, diese unterschiedlichen Kontexten (Jahrgangsstufen, Schulformen, Bundesländern) anzupassen, oder diese unverändert anzubieten.

Karl Porges und Alexandra Porges beschäftigen sich mit der Differenzierungsmatrix nach Sasse und Schulzeck, die von verschiedenen Komplexitätsstufen eines Themas ausgeht, deren Bearbeitung unterschiedliche Lernmaterialien verlangt. Anhand des Themas der Evolution und dafür entwickelten Lernmaterialien (Evokids-Box) wird das Konzept für den Umgang in heterogenen Lerngruppen erläutert.

Ein besonderes Beispiel ist jenes der Augsburger Wassertürme, anhand derer Andrea Richter in ihrem Beitrag den Mehrwert von außerschulischen Lernorten bespricht, um (sprachlich, leitungsmäßig, interessensbezogen,…) heterogene Gruppen von Kindern und Jugendlichen in Lernprozesse einzubinden.

6. Die Darstellung von Heterogenität in Bildungsmedien in Geschichte und Gegenwart

Christine Ott widmet sich in ihrem Beitrag der Frage, wie Geschlecht in Schulbüchern seit 1960 dargestellt wird und Karla Müller wirft einen Blick auf die Entwicklung der Darstellung der Emanzipation der Frau zur Genderbewusstheit in Lesebüchern seit 1970.

Christian Könne untersucht Lehrpläne und Schulbücher für Geschichte und Sozialkunde danach, wie sexuelle Vielfalt dargestellt wird, und auch Jan Van Wiele beschäftigt sich mit einer speziellen Form der Heterogenität und erläutert die Reaktion der katholischen Kirche auf interreligiösen Dialog und wie sich dies auf den Lehrplan für katholischen Religionsunterricht im flämischsprachigen Belgien auswirkt.

Norunn Askeland beschreibt, wie in norwegischen Geographie- und Geschichtsbüchern (1860 bis 2006) Verschiedenheit von Volksgruppen (am Beispiel der Samen) dargestellt wird, was auch im Beitrag von Anne-Brethe Mortensen-Buan aufgegriffen wird, die sich mit der Darstellung der Samen in norwegischen Sozialkundebüchern der Gegenwart befasst.

Beate Aamotsbakken schließt das Werk mit einem Beitrag über die Vernachlässigung der Minderheit der Romani/Tatere in norwegischen Textbüchern.

Diskussion

Das Werk gibt einen sehr breiten Einblick in das Forschungsfeld von Heterogenität und Bildungsmedien. Positiv hervorzuheben ist, dass der Heterogenitätsbegriff sehr breit gefasst wird und verschiedenste Ausprägungen von Diversität Beachtung finden. Die Möglichkeiten und Potenziale der Verwendung von Bildungsmedien werden auch immer deren Grenzen gegenübergestellt, was anhand von Beispielen anschaulich erläutert wird.

Der internationale Charakter wird einerseits durch die Beiträge aus unterschiedlichen Ländern hervorgehoben, aber auch dadurch, dass sowohl deutschsprachige wie auch englischsprachige Beiträge enthalten sind, was das Buch im deutsch- wie auch englischsprachigen Raum interessant macht.

Der Aufbau des Werks ist in sich konsistent und die einzelnen Beiträge sind schlüssig gruppiert. Sie sind zudem kompakt und leser/innenfreundlich verfasst. So werden in den empirischen Beiträgen keine allzu komplexen Analysen präsentiert, was dazu führt, dass das Buch auch für interessierte Praktiker/innen, Studierende oder Bildungspolitiker/innen eine wertvolle Lektüre ist.

Fazit

Das Werk „Heterogenität und Bildungsmedien“, herausgegeben von Aaamotsbakken, Matthes & Schütze ist ein Sammelband, der Beiträge der Tagung der Internationalen Gesellschaft für historische und systematische Schulbuch- und Bildungsmedienforschung (IGSBi), die 2016 in Oslo stattfand, vereint. Das Buch zielt vor dem Hintergrund eines sehr breiten Heterogenitätsbegriffs darauf ab, theoretische und empirische Erkenntnisse zu Bildungsmedien angesichts der Herausforderung heterogener Lerngruppen beizusteuern, was dem Werk vollends gelingt.

Das Buch besticht durch eine sehr hohe Bandbreite an internationalen Beiträgen, die für interessierte Praktiker/innen, Studierende und Bildungspolitiker/innen ebenso von Nutzen sein können, wie für Forscherkolleg/innen. Dies gilt umso mehr, weil auch einige sehr innovative Felder aufgemacht werden, die Anlass dazu geben, neue Blickwinkel auf den Medien- und Heterogenitätsbegriff einzunehmen.

Rezension von
Dr. Corinna Geppert
MMag.
Projektmitarbeiterin an der School of Education der University of Nottingham, Großbritannien
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Es gibt 2 Rezensionen von Corinna Geppert.

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Zitiervorschlag
Corinna Geppert. Rezension vom 07.12.2017 zu: Bente Aamotsbakken, Eva Matthes, Sylvia Schütze (Hrsg.): Heterogenität und Bildungsmedien = Heterogeneity and educational media. Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung (Bad Heilbrunn) 2017. ISBN 978-3-7815-2192-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23404.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.


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