Barbara Geist, Andreas Krafft: Deutsch als Zweitsprache
Rezensiert von Dr. Christoph Schiefele, 22.03.2018

Barbara Geist, Andreas Krafft: Deutsch als Zweitsprache. Sprachdidaktik für mehrsprachige Klassen.
Narr Francke Attempto Verlag
(Tübingen) 2017.
100 Seiten.
ISBN 978-3-8233-8100-6.
D: 12,90 EUR,
A: 13,30 EUR.
Linguistik und Schule ; 2.
Thema
Unterricht für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sowie dessen didaktische Umsetzung ist nach wie vor ein brandaktuelles Themengebiet für Lehrende aller Art. Diese Tatsache aufgreifend, präsentieren Barbara Geist und Andreas Krafft auf der Basis von Kompetenzbereichen der Bildungsstandards sowie unter Rückgriff auf linguistische Grundlagen sprachdidaktische Zugänge zum Unterricht in und mit mehrsprachigen Lerngruppen.
AutorInnen
Dr. Barbara Geist ist Juniorprofessorin für Deutsch als Zweitsprache mit den Arbeitsschwerpunkten Sprachdidaktik und Deutsch als Zweitsprache an der Universität Leipzig.
Dr. Andreas Krafftist Professor am Institut für deutsche Sprache und Literatur der pädagogischen Hochschule Freiburg.
HerausgeberInnen
Die vorliegende Publikation ist in der Reihe „Linguistik und Schule – Von der Sprachtheorie zur Unterrichtspraxis“ unter der Herausgeberschaft von Sandra Döring und Peter Gallmann erschienen.
Aufbau
Das Werk umfasst 146 Seiten (inklusive Literaturverzeichnis), die Inhalte verteilen sich auf sechs Kapitel und sind in enger Anlehnung an die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards gegliedert.
Der Aufbau jedes Kapitel folgt einer gleichbleibenden Systematik: Nach einem einleitenden Schülerbeispiel wird zuerst zugehöriges, theoretisches Grundwissen dargestellt und auf DaZ-Spezifika transferiert, bevor anschließend konkrete sprachdidaktische Konzeptionen aufgeführt und eingeordnet werden. Die letzen Unterkapitel schließlich thematisieren Aspekte der Diagnostik und Leistungsbeurteilung, bevor Impuls- und Reflexionsaufgaben unter Verweis auf weiterführende Literatur den Abschluss bilden.
Inhalt
Bereits in ihrem Vorwort weisen die Autorin und der Autor auf die ressourcen- und stärkenorientierte Sichtweise von Mehrsprachigkeit hin, die dem Buch zugrunde liegt.
Daran anknüpfend werden im ersten Kapitel wichtige Terminologien geklärt, theoretische Grundlagen zu Erwerbsbedingungen und -situationen erläutert sowie deren Verbindung zu unterrichtlichen Themen dargestellt.
Das zweite Kapitel fokussiert die Bereiche „Sprechen und Zuhören“. Nach der Darstellung linguistischer Grundlagen auf den Ebenen Phonologie, Morphologie und Syntax sowie dem Aspekt der „Bildungssprache [.als] Tor zur Bildung“ (S. 29) werden diese Aspekte im Unterkapitel Lernausgangslage auf DaZ-Kontexte bezogen und konkretisiert. Die nachfolgenden didaktischen Konzeptionen führen wichtige Unterstützungsmaßnahmen wie „Scaffolding“ (S. 36) und „Modellierungstechniken“ (S. 38) auf, bevor im Diagnostik-Unterkapitel bewusst auf die Auflistung diagnostischer Verfahren verzichtet wird und stattdessen mögliche inhaltliche Annäherungen an Leistungsbeurteilung gegeben werden.
Im dritten Kapitel wird das Thema Lesen unter der einführenden Klärung von Lesekompetenz sowie Leseprozess dargestellt und unter kritischem Verweis auf ein reduziertes Verständnis der PISA-Lesekompetenz anhand des vielschichtigeren Mehrebenenmodells von Rosebrock/Nix aufbereitet. Die Lernausgangslage thematisiert anschließend DaZ-bezogene Anforderungen und Schwierigkeiten auf Wort-, Satz- sowie Textebene und konkretisiert diese unter Rückgriff auf Schulbuchbeispiele. Die nachfolgenden didaktischen Konzeptionen ordnen Lautlese- und Vielleseverfahren sowie Lesestrategien und Aspekte der Förderung literarischen Lesens in DaZ-Kontexte ein, bevor ein kurzer Abriss über lesediagnostische Grundlagen den Kompetenzbereich Lesen abschließt.
Kapitel vier und fünf rücken den Kompetenzbereich Schreiben in den Mittelpunkt und nehmen dabei eine Trennung des „richtig Schreibens“ vom „Texte schreiben“ vor. Die Orthografie-Ausführungen stellen unter Verweis auf den aktuellen Forschungsstand die bisherige Erkenntnislage der Rechtschreibspezifika von DaZ-Lernenden dar und beinhalten im Didaktik-Part eine klare Empfehlung zu strukturorientiertem Rechtschreibunterricht (S. 86). Die Ausführungen zum Texte schreiben basieren auf der Auflistung zentraler bzw. beteiligter Ebenen (z.B. Morphologie und Syntax, Textmuster etc.) zu diesem Kompetenzbereich und thematisieren aus didaktischer Perspektive schwerpunktmäßig die Unterscheidung zwischen Prozess- und Produktorientierung sowie deren Bedeutung im Kontext von Mehrsprachigkeit. Im Diagnostik-Unterkapitel präsentieren die Autorin und der Autor einen um DaZ-spezifische Kriterien ergänzten Basiskatalog zur Beurteilung von Schülertexten.
Das letzte Kapitel „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen und reflektieren umfasst weit mehr als das Analysieren von Wörtern und Sätzen“ (S. 111). Unter Verweis auf das große Potenzial des Aufgreifens der Herkunftssprachen werden exemplarische Zugänge zu sprachreflexiven Aktivitäten aufgeführt und begründet. Didaktische Konzeptionen zur Wortschatzarbeit, Formen von Sprachvergleichen sowie an Individuen orientierter Sprachunterricht runden dieses Kapitel sowie das gesamte Buch ab.
Diskussion und Fazit
Das Buch von Barbara Geist und Andreas Krafft beansprucht aus Perspektive der Autorin und des Autors, Mehrsprachigkeit auch im schulischen Kontext explizit als Ressource denn als Risikofaktor aufzugreifen. Dieses Postulat wird von Beginn an konsequent berücksichtigt und nachvollziehbar aufgearbeitet. Die sinnvoll ausgearbeitete, wiederkehrende Aufbausystematik der einzelnen Kapitel ermöglicht der Leserschaft eine erkenntnisreiche Lektüre, die neben dem aktuellen Forschungsstand auch einen anwendbaren wie nachvollziehbaren Querschnitt über fachdidaktische Konzeptionen und deren Einordnung liefern kann.
Durch die einzelnen Schülerbeispiele und Situationsanalysen erscheinen die im Buch aufgeführten theoretischen Grundlagen nachvollziehbar sowie praxisrelevant zugänglich und bieten hilfreiche Impulse für deren mögliche Umsetzungspraxis.
Etwas überraschend erscheint, dass der Bereich Wortschatz erst im letzten Kapitel des Buches schwerpunktmäßig aufgearbeitet wird, obwohl Bedeutungen und deren Verständnis auch für die vorher kapitelweise ausgeführten Kompetenzbereiche von zentralem Einfluss sind. Dieser Aspekt allerdings wirkt sich nicht gravierend auf die kompakt-informative Gesamterscheinung dieser Publikation aus, die für die breite Zielgruppe aller Lehrenden in Mehrsprachigkeitskontexten ohne Frage Erkenntnisgewinne bereithalten kann.
Rezension von
Dr. Christoph Schiefele
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