Uwe Flick: Triangulation. Eine Einführung
Rezensiert von Prof. Dr. Joachim König, 05.04.2005
Uwe Flick: Triangulation. Eine Einführung.
VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2004.
110 Seiten.
ISBN 978-3-8100-3008-5.
14,90 EUR.
Reihe: Qualitative Sozialforschung - Band 12.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-531-18125-7 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Hintergrund und Funktion des Buches
Triangulation - der Begriff stammt aus der Landvermessung und wurde als Konzept in die empirische, überwiegend qualitative Forschungsmethodologie übertragen: Einen Untersuchungsgegenstand von mehreren Seiten aus zu betrachten, also mit verschiedenen Methoden zu untersuchen oder bei seiner Untersuchung verschiedene Datenquellen heranzuziehen, hat Vorteile. Es will aber auch gelernt sein. Und darum geht es in diesem Buch. Ein Werk, das in seiner Differenziertheit für echte Fachleute gedacht ist! Prinzipien und Arbeitsweisen der Triangulation werden ausführlich, mit Beispielen aus aktuellen und aus schon als historisch geltenden Studien illustriert, dargestellt. Dass Flick schon auf der ersten Seite die Untersuchung über die 'Arbeitslosen von Marienthal' (1933) - den Klassiker schlechthin - als Vorbild für damals noch nicht so genannte, aber auf vorbildliche Weise praktizierte Triangulation vorstellt, das erfreut das Forscherherz natürlich.
Inhaltliche Einblicke in das Buch
Flick geht in seinem übersichtlichen und trotz der komplexen Materie verständlich formulierten Buch systematisch, in vier aufeinander aufbauenden Schritten vor:
Zunächst setzt er sich grundsätzlich und auch grundlegend mit Geschichte und Theorie der Triangulation auseinander. Die relevante Literatur dazu wird auf nur 16 Seiten gekonnt aufbereitet und die Argumentation mündet schließlich in das Fazit, dass Triangulation nicht, wie fälschlicher Weise oft verkürzt so angenommen, übereinstimmende oder sich widersprechende Abbildungen eines Gegenstandes liefert. Sondern sie erbringt einen Einblick in "unterschiedliche Konstruktionen eines Phänomens - etwa auf der Ebene des Alltagswissens und auf der Ebene des Handelns" (S. 25). Daraus ergibt sich in der Konsequenz, dass Triangulation nur dann sowohl angemessen als auch aufschlussreich sein kann, wenn in ihr nicht nur methodische Zugänge, sondern auch die mit ihnen verbundenen theoretischen Perspektiven verknüpft werden.
Auf diese grundsätzlichen Erwägungen bauen nun die Kapitel auf, in denen erklärt wird, wie das funktioniert. An vielen Beispielen dargestellt, werden die unterschiedlichen Varianten der Triangulation nun erläutert und einander gegenüberstellend diskutiert:
- Die methodeninterne Triangulation am Beispiel des episodischen Interviews
- Die Triangulation theoretischer Perspektiven innerhalb einer Methode
- Die Triangulation von Datensorten
- Der Einsatz verschiedener qualitativer Methoden
- Die Triangulation in der Ethnographie
Diesem letzten Bereich widmet Flick bewusst ein eigenes Kapitel, weil dort ja bei vielen Autoren im Zusammenhang mit dem Einsatz teilnehmender Beobachtungsmethoden sogar vielfach von einem Triangulationsgebot gesprochen wird. Denn besonders in der "ethnographischen Forschungspraxis führt Triangulation von Datensorten und Methoden sowie von theoretischen Perspektiven zu erweiterten Erkenntnismöglichkeiten, die sich aus Konvergenzen aber mehr noch aus den Divergenzen, die sie hervorbringen bzw. produzieren, speisen." (S. 66) Besonders wichtig in diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis von Flick, dass es nicht in erster Linie und schon gar nicht ausschließlich das Prinzip der Bestätigung bzw. Validierung von Ergebnissen ist, das die Vorteile der Triangulation zum Ausdruck bringt. Viel wichtigere und auch weiter reichende Erkenntnisse können durch die Öffnung der Perspektive entstehen: komplementäre oder einander ergänzende Ergebnisse, ein vollständigeres Bild vom Gegenstand, ein breiteres und umfassenderes Verständnis - darin besteht der Reiz und der wesentliche Erkenntnisgewinn beim richtigen Einsatz dieses Prinzips.
Flicks dritter Blick auf das Prinzip der Triangulation widmet sich einer nach wie vor heiklen Frage, nämlich der nach dem Verhältnis zwischen qualitativer und quantitativer Forschung. Sehr grundsätzlich geht er dazu auf die aktuelle Diskussion und die Kontroversen um die Perspektiven der Verbindung qualitativer und quantitativer Forschungsdesigns ein und baut darauf nachvollziehbar seine Argumentation auf, dass der Sinn und der Gewinn von Triangulation ja gerade auch in der Verbindung von Methoden und Daten aus diesen unterschiedlichen Bereichen liegen kann. Vielleicht kann hier ja ein weiterer Schritt zur endgültigen Beendigung der 'Feindseligkeiten' getan werden. Indem nämlich beiden Ansätzen mit ihren je eigenen Besonderheiten methodisch Rechnung getragen wird, kann trotzdem - oder gerade deswegen - ein mehr an Erkenntnis, wenn nicht sogar eine wesentliche Erweiterung der Perspektive entstehen. Triangulation könnte sogar, so Flick, "einen Rahmen für die aktuelle Verknüpfungsdiskussion liefern". (S. 85)
Den vierten und letzten großen Abschnitt als 'Leitfaden' zur Planung und Durchführung einer Triangulationsstudie für Studierende zu bezeichnen (wie es auf der Rückseite des Buches angekündigt wird), ist wohl etwas zu weit gegriffen. Trotzdem hat dieses Kapitel für die Fachleute wohl den größten praktischen Ertrag:
- Spezielle Probleme des Zugangs und der Rahmenbedingungen bei der Umsetzung des Prinzips,
- wichtige Überlegungen zur Gestaltung des Designs einer Triangulation,
- verschiedene Strategien der Gestaltung eines Samplings,
- besondere Probleme bei der Datenerhebung und bei der Interpretation der Ergebnisse,
- Hinweise auf geeignete Software und Möglichkeiten der Darstellung von Ergebnisse,
- Qualitätskriterien zur Bewertung von Triangulationsstudien und nicht zuletzt
- sehr hilfreiche Hinweise zur Indikation von Methoden als Ausgangspunkt für Triangulation
werden erörtert und an vielen Beispielen dargestellt. In der Tat eine kleine Fundgrube für Antworten auf viele Detailfragen der alltäglichen Forschungspraxis.
Fazit
Das Buch ist ein Leckerbissen für Spezialisten! Für alle, die Verantwortung bei der Planung und Durchführung großer empirischer Untersuchungen tragen. Und es ist ein wohltuendes Plädoyer gegen eine technokratische Kochrezeptmentalität in der empirischen Forschung insgesamt! Es leistet aber auch einen Beitrag dazu, den 'normalen' Praxisforschenden, Studierenden, allen Human- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern dieses Prinzip der Triangulation und seine Reichweiten und möglichen Erträgen bewusst zu machen. Nicht zuletzt aber auch deren 'Kosten' treten deutlich zu Tage. Denn eines wird ebenfalls klar: Triangulation ist in den meisten Fällen mit einem enormen methodischen Aufwand verbunden oder, wie es Denzin (1989) im Schlusssatz des Buches zum Ausdruck bringt: "Triangulation is expensive" (S. 102). Um sich diese grundsätzlichen Einsichten immer wieder klar zu machen, braucht es allerdings die enorme Tiefe und detailreiche Komplexität, die Uwe Flick auf nur gerade mal 100 Seiten souverän entfaltet, eigentlich nicht.
Rezension von
Prof. Dr. Joachim König
Evangelische Hochschule Nürnberg
Allgemeine Pädagogik & Empirische Sozialforschung
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation
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Zitiervorschlag
Joachim König. Rezension vom 05.04.2005 zu:
Uwe Flick: Triangulation. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2004.
ISBN 978-3-8100-3008-5.
Reihe: Qualitative Sozialforschung - Band 12.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2343.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.
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