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Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka et al.: Edukation in der Pflege

Rezensiert von Prof. Dr. Margret Flieder, 12.03.2018

Cover Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka et al.: Edukation in der Pflege ISBN 978-3-7089-1556-2

Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka, Harald Titzer: Edukation in der Pflege. Facultas Verlag (Wien) 2017. 150 Seiten. ISBN 978-3-7089-1556-2. D: 18,40 EUR, A: 18,90 EUR, CH: 23,90 sFr.

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Thema

Angesichts kurzer Verweilzeiten in den Kliniken, kaum übersehbarer Informationsfülle für Patient_innen und Angehörige sowie intensiv geforderter und oft überlasteter Pflegefachkräfte kommt Vermittlungs- und Beratungsprozessen in der Pflege und durch Pflegefachkräfte eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt sowohl für die Arbeit mit Patient_innen und ihren Angehörigen, als auch für ein kollegiales, fachübergreifendes Arbeitsverständnis.

Die für erfolgreiche Vermittlung, Reflexion und Kooperation notwendigen Voraussetzungen und Ansätze haben die Autor_innen in diesem Band unter dem Begriff Edukation subsummiert. Sie setzen an mit Grundlagenwissen zu pädagogischer Vermittlungsarbeit und mit praxisbezogenen Hinweisen zu den vorgestellten Verfahren.

Autor_innen

  • Manuela Hacker arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Wiener Neustadt im Studiengang Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege. Sie ist BSc in Advanced Nursing Practice und studiert im Masterprogramm Pflegewissenschaft an der Universität Wien.
  • Sigrid Slobodenka arbeitet als Lehrerin (i.A.) bei der Akademie für Fort- und Sonderausbildungen beim Wiener Krankenanstaltenverbund. Sie ist BSc in Advanced Nursing Practice und studiert Gesundheits- und Pflegepädagogik an der Donau-Universität Krems.
  • Harald Titzer arbeitet als Pflegeberater im Bereich Innere Medizin 1 an der Universitätsklinik der Stadt Wien. Er ist BSc in Advanced Nursing Practice und studiert im Masterprogramm Pflegewissenschaft an der Universität Wien.

Aufbau

Der Band umfasst im Pocket-Format 172 Textseiten in insgesamt neun Kapiteln sowie ein Literatur-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis.

Inhalt

Der Band beginnt mit zwei Vorworten von Studiengangsleitungen für die Studiengänge Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege (Fachhochschule Wiener Neustadt) bzw. Advanced Nursing Practice (IMC Fachhochschule Krems).

Die Einleitung des Bandes nennt als zentrales Ziel des Buches, einen ersten Einblick in das Handlungsfeld edukativer Aufgaben und Verfahren in Handlungsfeldern der Pflege zu liefern.

Mit Kapitel 1 erfolgt eine kurze Einführung in die Pädagogik. Die Autor_innen nennen und erläutern in kurzer Form (S. 12-20) zentrale Begriffe der Pädagogik und der Kompetenzentwicklung.

Die Überschrift von Kapitel 2 lautet: Aufgabenbereiche der Pflege im Kontext der Edukation (pflegerische Kernkompetenzen)(S. 21-38). Hier beschreiben die Autor_innen, ausgehend vom Modell der Salutogenese nach Aaron Antonovsky (1997), zentrale Begriffe von Gesundheitsförderung und Prävention.

Kapitel 3 geht ein auf Edukation von Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen (S. 39-84). Die Autor_innen thematisieren in diesem Kapitel im Zusammenhang mit Edukation häufig verwendete Begriffe wie Selbstmanagement, Information, Schulung und Beratung. Ein längerer Exkurs (Kap. 3.3, S. 46-73) ist dem pädagogischen Handlungsfeld von Schulungen gewidmet unter Bezug auf hierfür relevante Aspekte wie Basisdimensionen des Unterrichts (hier Basisdimensionen von Schulung genannt), Lernsequenzen und Lernzieltaxonomie (vgl. Schewior-Popp 1998, 2014). Es folgt mit Kap. 3.4 ein Exkurs zu Beratung. Ausgeführt werden Experten- und Fachberatung, Prozessberatung und Komplementärberatung.

Beratungsprozess lautet die Überschrift von Kapitel 4 (S. 84-92). Hier wird der Verlauf von Beratung nach dem Modell von Sonja Hummel-Gaatz und Axel Doll (2007) erläutert.

Mit Kapitel 5 erfolgt eine sehr kurze Darstellung der Formalisierungsgrade in der Beratung (S. 93-95) nach dem Modell von Frank Nestmann (2007).

In Kapitel 6 Beratungssetting werden von Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka und Harald Titzer in kurzer Form (S. 96-100) wissenswerte Aspekte zum Beratungssetting erläutert.

Spontane und geplante Beratung lautet der Titel von Kapitel 7 (S. 101-103), es nimmt Bezug auf die o.g. Merkmale nach der Vorlage von Christa Büker (2015).

Im Mittelpunkt von Kapitel 8 stehen Beratungsansätze (S. 104-142). Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka und Harald Titzer thematisieren hier Verfahren und Beratungsansätze wie Personenzentrierte Gesprächsführung, Systemische Beratung, Kognitive Verhaltensberatung sowie Lösungs- und ressourcenorientierte Beratung.

Pflege- und Praxisentwicklung/ Organisationsberatung in der Pflege wird in Kapitel 9 erläutert. In diesem Kapitel explizieren die Autor_innen in einem Exkurs ihr Verständnis mit Hinweisen zur Vorgehensweise für Kollegiale Beratung (S. 147-166) sowie für die Durchführung von Fallbesprechungen (S. 166-172).

Zielgruppen

Dieser Band richtet sich primär an Pflegefachkräfte in Ausbildung oder Fortbildung zum ersten Kennenlernen der Thematik und zur Unterstützung grundlegender Seminare oder Vorlesungen.

Diskussion

Der Band nimmt für sich in Anspruch, ein grundlegendes Lehrbuch zu sein, was in Anbetracht des Formates und des Umfangs ein hoher Anspruch ist. Das Buch ist durch sein Pocket-Format ansprechend und durch seine handliche Form leseanregender für Auszubildende oder Fachkräfte, als es ein umfangreiches Handbuch vermutlich wäre.

Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka und Harald Titzer thematisieren in bündiger Form eine Auswahl grundlegender Aspekte zur Rahmung und beispielhaft auch zur Vertiefung von pädagogischen und beratungsbezogenen Aufgaben in der Pflege. Im Titel ihres Bandes steht der Edukationsbegriff. Zwar findet dieser Begriff in einigen Veröffentlichungen und Projekten in der Pflege Anwendung im Kontext von Erziehungs- und Befähigungsprozessen durch Fachkräfte. Gleichwohl ist für das Ziel einer möglichst fachbezogen einheitlichen terminologischen Verwendung die Ausrichtung und Herkunft eines zentralen Begriffs mit dem dazu gehörigen theoriebasierten Verständnis sowie damit häufig verbundenen Begriffen zu erläutern (hier z.B. Edukation vs. Beratung als Rahmenbegriff, fachkundige Beratung vs. selbstgesteuerte Lernprozesse zum Erreichen von Gesundheitskompetenz oder auch Compliance vs. Adhärenz). Insofern wirft der Titelbegriff Fragen auf, die zu diskutieren sind.

Die Systematik der Gliederung ist nur bedingt nachvollziehbar. So wird einzelnen Aspekten wenig Raum geschenkt (z.B. in Kap. 1 der Einführung in die Pädagogik, ebenso in den Kapiteln 4 dem Beratungsprozess, in Kapitel 5 den Formalisierungsgraden von Beratung, in Kapitel 6 dem Beratungssetting und in Kapitel 7 den Unterschieden von geplanter und spontaner Beratung). Diese Kapitel umfassen jeweils nur sehr wenige Seiten.

Sehr differenzierte Ausführungen finden sich in Kapitel 3.3. Hier wird von Manuela Hacker, Sigrid Slobodenka und Harald Titzer in Anlehnung an das Konzept der Mikroschulungen (vgl. Zegelin 2012) und an die Basisdimensionen des Unterrichts (vgl. Schewior-Popp 1998, 2014) ausgeführt, welche Voraussetzungen zur gezielten Planung von pädagogischen Sequenzen zu berücksichtigen sind.

Die im Buch an einigen Stellen eingefügten Praxisbeispiele sind plausibel und anschaulich. Den guten Eindruck verbessert hätten hierzu von den Autor_innen konkretisierte Lösungen mit Gesprächsverläufen und Zeitbedarf, z.B. am Ende des jeweiligen Kapitels oder im Anhang.

Die in Kapitel 8 ausgeführten Beratungsansätze stehen für unterschiedliche Herangehensweisen und Verfahren von Beratung. So werden z.B. Personenzentrierte Gesprächsführung und Systemische Beratung als Grundhaltungen bezeichnet, obwohl es sich hier um unterschiedliche methodische Ansätze handelt, die in Bezug auf Situation, Ziele, Dauer, Verlauf und beratungsbezogene Qualifizierung breit differieren.

Im 9. Kapitel werden mit Kollegialer Beratung und Fallberatung 2 Beratungsverfahren vorgestellt, die bereits seit vielen Jahren in pädagogischen und pflegebezogenen Handlungsfeldern erfolgreich Anwendung finden (vgl. dazu grundlegend z.B. Rotering-Steinberg 1985, 2005; Fallner/Gräßlin 1990; Schlee 2004). Die zu Kollegialer Beratung ausgeführten Schritte beziehen sich auf die Vorgehensweise nach Tietze (2003) und sind insgesamt gut beschrieben, insbesondere was die konkreten Methoden betrifft (Kap. 9.3.6). Ergänzend hilfreich zum Verständnis des Verfahrens wären Hinweise gewesen auf Unterschiede bei der Einführung (zunächst einige Sitzungen mit fachkundiger externer Moderation, später selbstorganisiert), Optionen der zeitlichen Dauer (45-120 min), auf die Zusammensetzung der Gruppe (feste Gruppe mit verbindlicher Teilnahme, Beratungszeit ist Arbeitszeit), sowie auf die Kriterien (und Ausschlusskriterien) eines Falls. Die Einführung von Fallbesprechungen ist für die Pflege ein wichtiger und notwendiger Schritt in Richtung Professionalisierung und Dokumentierung von kommunikativer Kompetenzentwicklung. Die Vorgehensweise nach dem Modell von Berta Schrems (2016) ist plausibel und verdeutlicht die mit der Anwendung des Verfahrens verbundenen Schritte und Kompetenzen. Sinnvoll wären auch hier Erfahrungswerte nach Anwendung bezüglich der Dauer, Chancen und Grenzen einer Fallbesprechung gewesen sowie Hinweise, wodurch sich eine professionelle Fallbesprechung von einer kurzen Falldarstellung z.B. bei einer Übergabe unterscheidet.

Im Buch fehlen Hinweise zu einem Beratungskonzept in klinischen Einrichtungen, das Auskunft gibt zu folgenden Aspekten: den Rahmenbedingungen /Regularien der jeweiligen Institution bzw. des Sozialgesetzbuches; der Dauer, Häufigkeit und Finanzierung von Beratung; den Zielgruppen von Beratung (z.B. alle Patient_innen, nur Patient_innen mit längerer Verweilzeit oder mit chronischen Krankheiten, welche Gruppen von Angehörigen, etc.); der Verortung von Beratungsarbeit im Kontext weiterer Aufgaben in der Pflege; der Qualifizierung für Beratung.

Bezogen auf die im Band genannten Quellen sei eine kritische Anmerkung erlaubt: Das große und sehr bedeutsame Thema der Beratung von Patient_innen und Angehörigen ist seit ca. 20 Jahren Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Exemplarisch soll hier auf eine kleine Auswahl grundlegender einschlägiger Quellen hingewiesen werden wie z.B: Faller (2010); Hurrelmann; Leppin (Hg.)(2001); Ihle (2008); Norwood (2002); Poser/Schneider (2005); Sander (1999); Schaeffer/Schmidt-Kähler (Hg.)(2006); Schaeffer (2008). Keine der genannten Quellen findet im Band auch nur Erwähnung.

In Bezug auf die Formalia enthält der Band Fehler und verbesserungsfähige Bereiche. Die Gliederung ist nicht ausgewogen. Einige Kapitel mit komplexen Begriffen werden in sehr kurzer Form bzw. ohne weitere Untergliederung ausgeführt, andere wiederum bis in die dritte Ebene untergliedert. Ein Schlusskapitel mit Bündelung, eigenem Fazit der Autor_innen und Empfehlungen sowie Ausblick fehlt. Das Literaturverzeichnis ist aufgrund der sehr kleinen Buchstabengröße schlecht lesbar und ist uneinheitlich. Weiterhin ist kritisch anzumerken, dass einige der im Text genannten Quellen (insgesamt 8) im Literaturverzeichnis fehlen, ebenso der auf S. 45 genannte Anhang.

In Würdigung der Arbeit der Autor_innen sollte eine neue Veröffentlichung zu diesem wichtigen Thema die weiteren mit Beratungsarbeit für Patient_innen und Angehörige befassten Berufsgruppen bzw. Fachdisziplinen in konstruktiv-kooperativer Weise nennen und auf gemeinsame Handlungsfelder explizit hinweisen, z.B. im Rahmen von Case und Care Management, Entlassungsmanagement oder bei anstehender häuslicher Pflege.

Zu ergänzen wären aktuelle Hinweise auf einschlägige Projekte zu erfolgreich angewandter Beratung/Schulung bzw. auf entsprechende Online-Plattformen für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen mit Beratungsbedarf. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang betrifft die dringend erforderliche (selbst-)kritische Reflexion der Berater_innen bei besonders komplexen Situationen bzw. Situationen mit anspruchsvollen Herausforderungen.

Fazit

Es ist ein handliches Buch mit guten Anregungen in kurzer Form und mit verbesserungsfähigen Bereichen. Einige Teile (siehe oben) sind insgesamt gut ausgearbeitet, Begriffe und Beispiele sind praxisnah, lassen allerdings einschlägige grundlegende Quellen vermissen. Andere Teile sind deutlich zu kurz, sollten sinnvollerweise anders eingearbeitet werden. Die kurze Form des Bandes wird dem selbst formulierten Anspruch nach einem Lehrbuch nicht gerecht.

In Würdigung der fachlichen Expertise der Autorinnen und des Autors hätte eine fundierte Rahmung der Ausführungen zugunsten von klinischer Beratungsarbeit dem Bedarf in der Pflege besser entsprochen.

Zum ersten Kennenlernen von ausgewählten Aspekten von Beratung/Schulung in der Pflege ist der Band zu Teilen gut geeignet, notwendigerweise mit Einbettung in einen Vermittlungsprozess von Aus- oder Fortbildung und mit Vertiefung durch grundlegende und aktuelle Quellen.

Rezension von
Prof. Dr. Margret Flieder
Evangelische Hochschule Darmstadt
Fachbereich Pflege- und Gesundheitswissenschaften
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Es gibt 37 Rezensionen von Margret Flieder.

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ISSN 2190-9245