Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Ulrike Weyland, Karin Reiber (Hrsg.): Entwicklungen und Perspektiven in den Gesundheitsberufen

Rezensiert von Dr. phil. Karl Kälble, 22.01.2018

Cover Ulrike Weyland, Karin Reiber (Hrsg.): Entwicklungen und Perspektiven in den Gesundheitsberufen ISBN 978-3-7639-5897-9

Ulrike Weyland, Karin Reiber (Hrsg.): Entwicklungen und Perspektiven in den Gesundheitsberufen - aktuelle Handlungs- und Forschungsfelder. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2017. 292 Seiten. ISBN 978-3-7639-5897-9. 36,90 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema, Entstehungshintergrund und Zielsetzung

Im Kontext des demografischen und sozialen Wandels der Gesellschaft, der auch die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung betrifft, sind die gesundheitsbezogenen Dienstleistungsberufe, denen bei der Erhaltung und Weiterentwicklung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung eine Schlüsselrolle zukommt, in den letzten Jahren sowohl in quantitativer (Stichwort Fachkräftemangel) als auch qualitativer Hinsicht (Anpassung der qualifikatorischen Voraussetzungen) verstärkt in den Fokus der wissenschaftlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt (vgl. z.B. Pundt/Kälble 2015; Kälble 2017). Durch damit einhergehende Veränderungen ergeben sich vielfältige neue Herausforderungen für diese Berufe sowie für die Gestaltung ihres Bildungs- und Beschäftigungssystems.

Vor diesem Hintergrund befassen sich mittlerweile auch einzelne Zirkel der berufs- und wirtschaftspädagogisch inspirierten Berufsbildungsforschung (BBF) vermehrt mit berufs- und bildungspolitischen Themen im Gesundheitsbereich. Dies zeigen u.a. eine 2014 an der Fachhochschule Bielefeld durchgeführte Fachtagung zum Thema „Berufsbildungsforschung im Gesundheitsbereich“ (Weyland et al. 2015) sowie die von der „Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetzwerk“ (AG BFN) nachfolgend ausgerichtete Tagung „Entwicklungen und Perspektiven in den Gesundheitsberufen – aktuelle Handlungs- und Forschungsfelder“, die 2015 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter der Leitung von Ulrike Weyland in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und der Hochschule Esslingen (Karin Reiber) stattfand. Ziel und Anspruch dieser Veranstaltung war bzw. des darauf beruhenden und hier zu besprechenden Tagungsbandes ist es, den diesbezüglichen Forschungsstand und die forschungsbezogenen Herausforderungen zu beschreiben, relevante Forschungsergebnisse vorzustellen und Desiderate für die künftige Forschung zu skizzieren.

Herausgeberinnen

Die Herausgeberinnen, die beide dem Fach Erziehungswissenschaft angehören, sind im Themenfeld ausgewiesen und in der BBF aktiv.

  • U. Weyland forscht und lehrt als Professorin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Fach Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik.

  • K. Reiber ist Professorin für Erziehungswissenschaft/Didaktik mit Schwerpunkt Pflegepädagogik/Pflegedidaktik an der Hochschule Esslingen.

Aufbau

Der Tagungsband umfasst 13 Beiträge. Neben einem Vorwort des (ehemaligen) Forschungsdirektors und Ständigen Vertreters des Präsidenten im BIBB finden sich zwei einleitende Aufsätze sowie elf überwiegend empirisch orientierte Forschungsbeiträge, die von den Herausgeberinnen den vier nachfolgend genannten Themenblöcken zugeordnet wurden.

Inhalt und Autorinnen/Autoren

Im einleitenden ersten Beitrag geben die Herausgeberinnen zusammen mit A. Burda-Zoyke (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) einen konzisen Überblick über Stand und aktuelle „Herausforderungen und Perspektiven für die Gesundheitsberufe aus der Sicht der Berufsbildungsforschung“.

Der anschließende Beitrag von M. Friese (Universität Gießen) mit dem Titel „Care Work: Eckpunkte der Professionalisierung und Qualitätsentwicklung in personenbezogenen Dienstleistungsberufen“ diskutiert die vielschichtigen Problemlagen, Modernisierungsrisiken und berufspädagogischen Gestaltungsoptionen der beruflichen und akademischen Ausbildung für Care Work aus historischer und aktueller Perspektive mit besonderem Blick auf geschlechtlich konnotierte Ausbildungs- und Berufsstrukturen.

Im Themenblock I, „Fachkräftebedarf und -gewinnung unter besonderer Berücksichtigung der Pflegeberufe“, sind drei Beiträge versammelt, die sich empirisch mit Aspekten des Fachkräftemangels, insbesondere in der Pflege, auseinandersetzen. C. Welker und F. Schiemann (Institut für sozialökonomische Strukturanalysen Berlin) gehen in ihrem Beitrag auf Basis einer Befragung von 1.268 Gesundheitseinrichtungen in Berlin und Brandenburg der Frage nach, wie sich der Fachkräftebedarf am Beispiel von 13 ausgewählten Gesundheitsfachberufen in diesen Bundesländern entwickelt hat und wie er sich perspektivisch darstellen wird. S. Pierenkemper und M. Körbel (Institut der deutschen Wirtschaft Köln) untersuchen zwei alternative Rekrutierungsstrategien, die sich angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland mit der aus ihrer Sicht unverzichtbaren Gewinnung von ausländischen Gesundheits- und Krankenpflegefachkräften befassen. Abschließend stellt J. Dietrich (Universität Kassel) erste Ergebnisse eines an der Universität Kassel durchgeführten Forschungsprojekts vor, das sich mit den Weiterbildungsbedarfen von ausländischen Pflegefachkräften beschäftigt.

Der Themenblock II, „Akademisierung der Gesundheitsberufe am Beispiel der therapeutischen Berufe“, umfasst zwei Beiträge, die heterogenen Forschungsgegenständen im Kontext der partiell sich akademisierenden Gesundheitsfachberufen in der Therapie gewidmet sind. R. Richter et al. (IB-Hochschule Berlin) publizieren erste Ergebnisse des BMBF-geförderten Forschungsprojekts „Therapeutic Research“, das aus einer „nationalen Arbeitsmarktanalyse“ (weitgehend begrenzt auf die Auswertung von 6.082 Stellenanzeigen) sowie einer „qualitativen Studie“ (Basis sind 15 Interviews mit personalverantwortlichen Personen aus unterschiedlichen Einrichtungen und therapeutischen Berufen in vier Bundesländern) besteht, in welcher der Mehrwert einer akademischen Qualifizierung der Therapieberufe aus Sicht von Arbeitgebern untersucht und diskutiert wird. Dabei zeigt sich ein „ambivalentes Bild der Befürwortung wissenschaftlicher Qualifizierung und Akademisierung sowie der Wahrnehmung von deren Effekten in der Versorgung von Patienten/Patientinnen bzw. für das Unternehmen“. Gegenstand des zweiten Beitrags ist das didaktisch begründete Mentoring-Konzept für die praktische Ausbildung im ausbildungsbegleitend konzipierten Bachelor-Modellstudiengang „Therapie und Gesundheitsmanagement – Physiotherapie“ der Fachhochschule Münster, das in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Münster entwickelt wurde. Der von K. Trenczek et al. (Fachhochschule und Universitätsklinikum Münster) verfasste Beitrag stellt das Münsteraner Konzept und seine Wirksamkeit im Kontext von konzeptionellen Anforderungen vor, die derzeit in der hochschuldidaktischen Literatur bezogen auf Mentoring-Programme im Hochschulbereich diskutiert werden.

Drei weitere, empirisch ausgerichtete Aufsätze wurden im Themenblock III, „Kompetenz und Kompetenzerhebung als Forschungsgegenstand in den Gesundheitsberufen“ gebündelt. Kompetenzentwicklung und -erfassung sind Themen, die in den letzten Jahren im Kontext des bildungspolitisch gewollten und forcierten Perspektivenwechsels von der Lehrenden- zur Lernendenzentrierung („Shift from Teaching to Learning“) bzw. von der „Input-Orientierung“ (Primat der Inhalte) zur „Output-Orientierung“ (erwünschte Lernergebnisse) zu Schlüsselthemen der bildungstheoretischen und -praktischen Diskussion geworden sind. L. Gödecker et al. (Universität Osnabrück) gehen in einem partizipativen Ansatz am Beispiel der Heilerziehungspflege und Physiotherapie auf der Grundlage verschiedener empirischer Zugänge (u.a. zehn „kognitive“ Interviews mit Arbeitnehmern/-innen, Arbeitgebern/-innen und Experten/-innen) der Frage nach, welche neuen Aufgabenbereiche und Kompetenzanforderungen derzeit und zukünftig für diese Berufe entstehen. Intendiertes Ziel ist, neben einer Verbesserung von Erhebungsinstrumenten, die Entwicklung empirisch begründeter, bedarfsorientierter akademischer Weiterbildungsmodule. E. Wittmann (Technische Universität München), R. Kaspar (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt) und O. Döring (Forschungsinstitut Betriebliche Bildung, Nürnberg) stellen auf Basis eines Forschungsprojekts zur Kompetenzmodellierung und -messung das methodische Vorgehen und die Ergebnisse zur Entwicklung eines videogestützten, computerbasierten Testverfahrens zur Abbildung berufsfachlicher Handlungskompetenz in der Pflege älterer Menschen vor. Ausgehend von einem ländervergleichend (Schottland, Schweiz, Deutschland) inhomogenen Verständnis des Begriffs der (pflegerischen) Kompetenz und auf der Grundlage von problemzentrierten Interviews und multiperspektivischen Falldiskussionen mit 14 Lehrenden und neun Lernenden der Pflegeausbildung in den genannten Ländern erörtert N. Dütthorn (Fachhochschule Münster) die länderspezifisch unterschiedlichen Konzepte im Verständnis pflegerischer Kompetenz sowie gleichermaßen erkennbare Gemeinsamkeiten in der Gestaltung von professionellen Pflegebeziehungen.

Dem abschließenden Themenblock IV, „Das Berufsbildungspersonal in den Gesundheitsberufen“, sind drei Beiträge mit unterschiedlichsten Gegenstandsbereichen zugeordnet. K. Driesel-Lange und C. Weyer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) befassen sich in ihrem Beitrag (im Kontext einer übergeordneten Studie) mit den Berufswahlmotiven und der Rekrutierung zukünftiger Lehrpersonen für die Berufsbildung im Bereich „Gesundheit/Pflege“ an nordrhein-westfälischen Berufskollegs. Empirische Grundlage ist eine am Studienstandort Münster durchgeführte Fragebogenerhebung bei 242 Studierenden mit dem Berufsziel Lehramt an „Berufskollegs“ (darunter 80 Studierende der Fachrichtung „Gesundheit/Pflege“). B. Wesselborg (Fliedner Fachhochschule, Düsseldorf) fokussiert die in der Forschung bislang vernachlässigte Gesundheitssituation von Lehrenden an Pflegeschulen. Ausgehend von empirischen Befunden zur Gesundheit von Lehrenden an öffentlichen Schulen werden Perspektiven zur Erforschung der Gesundheit von Pflegelehrenden an den Schulen des Gesundheitswesens unter besonderer Beachtung der Lehrer-Schüler-Beziehung aufgezeigt. Unter der Überschrift „Herausforderungen an das betriebliche Bildungspersonal im Humandienstleistungsbereich“ nimmt M. Kaufhold (Fachhochschule Bielefeld) insbesondere die veränderten Anforderungen an die Qualifikation der Praxisanleiterinnen und -anleiter in den Pflegeberufen in den Blick. Sie zeigt, dass Qualifizierungsstandards bislang vergleichsweise niedrig und die Qualifizierungsstrukturen und -möglichkeiten nicht hinreichend entwickelt sind. Am Beispiel eines Projekts wird zudem ein Qualifizierungsansatz skizziert, der auf das betriebliche Bildungspersonal zielt.

Ein Verzeichnis der Autoren/-innen sowie Informationen zur AG BFN schließen das Buch ab.

Diskussion

Zunächst ist festzuhalten, dass der vorliegende Tagungsband keine systematische Bestandsaufnahme der „Entwicklungen und Perspektiven in den Gesundheitsberufen“ bietet, wie der allgemein gehaltene, vielversprechende erste Teil des Buchtitels nahelegen könnte. Neben den informativen und lesenswerten einleitenden Beiträgen gibt er vielmehr einen exemplarischen Einblick in unterschiedliche Forschungsfelder und -themen der BBF mit Blick (insbesondere) auf die pflegerischen und therapeutischen Berufe im Gesundheitswesen, die trotz ihrer zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz in der Diskussion zur Berufsbildung bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren haben. In diesen Beiträgen werden vorwiegend empirische Forschungsergebnisse zu inhaltlich heterogenen Themen präsentiert bzw. spezielle Aspekte im Bereich dieser Berufe beleuchtet.

Die Herausgeberinnen haben die „eingereichten Beiträge“ in vier Themenbereiche gebündelt und damit zugleich Schwerpunkte der aktuellen Forschungsaktivitäten markiert. Zum Teil finden sich Hinweise auf Forschungsdesiderate und Anstöße für weitere Forschungen. Mit der Dokumentation wird allerdings nicht der Anspruch erhoben, „die Forschungsthemen vollständig zu repräsentieren, die bei der ursprünglichen Konzeption der Tagung im Blick waren“, wie die Herausgeberinnen einleitend mit Verweis auf die schwierige „Forschungslage insgesamt“ betonen (S. 21 und S. 17ff.). Die Beiträge lassen jedoch erkennen, an welch heterogenen inhaltlichen Themen- und Fragestellungen derzeit im Bereich der Gesundheitsberufe geforscht wird.

Die Gliederung ist übersichtlich und auf Basis der eingereichten Beiträge weitgehend nachvollziehbar. Die Reichweite, Qualität und das wissenschaftliche Niveau der Arbeiten sind unterschiedlich, die Argumentation in einigen Aufsätzen ist nicht immer stringent. Teilweise basieren die Studien auf kleinen Samples.

Wünschenswert gewesen wären jeweils ein einstimmender Vorspann zu den Themenblöcken sowie ein resümierender Beitrag der beiden Herausgeberinnen zum Stellenwert und zur Einordnung der im Tagungsband präsentierten Forschungsergebnisse in diesbezügliche Forschungssystematiken bzw. Gegenstandsbereiche der BBF.

Fazit

Der Tagungsband befasst sich eher am Rande mit „Entwicklungen und Perspektiven in den Gesundheitsberufen“. Präsentiert werden stattdessen exemplarische Forschungsergebnisse der BBF zu heterogenen Aspekten im Bereich Fachkräftebedarf und -gewinnung mit besonderem Blick auf die Pflege, zu Themen im Kontext der Akademisierung der Therapieberufe, zu verschiedenen Fragen der Kompetenzentwicklung und -erfassung sowie zu grundverschiedenen Thematiken im Hinblick auf das gesundheitsberufliche Lehrpersonal. Insgesamt gesehen bietet der Tagungsband damit exemplarische Einblicke in die aktuelle Forschungslandschaft der BBF im Bereich der Gesundheitsberufe.

Zielgruppen für den Tagungsband werden nicht thematisiert. Er richtet sich aus Sicht des Rezensenten am ehesten an ein einschlägig interessiertes Fachpublikum aus Wissenschaft und Bildungspraxis. Darüber hinaus könnte er auch für alle von Interesse sein, die sich fachlich über den Stand der Berufsbildungsforschung im Bereich Gesundheitsberufe informieren wollen.

Literatur

  • Kälble, Karl (2017): Durchdachte Ausbildung macht den Pflegeberuf attraktiver. In: neue Caritas 20, S. 28-31.

  • Pundt, Johanne / Kälble, Karl (Hrsg.) (2015): Gesundheitsberufe und gesundheitsberufliche Bildungskonzepte. Bremen (Apollon Verlag).

  • Weyland, Ulrike / Kaufhold, Marissa / Nauerth, Annette / Rosowski, Elke (Hrsg.) (2015): Berufsbildungsforschung im Gesundheitsbereich. Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, bwp@Spezial 10 (www.bwpat.de/ausgabe/spezial10; letzter Zugriff: 17.12.2017).

Rezension von
Dr. phil. Karl Kälble
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der AHPGS Akkreditierung gGmbH, Freiburg
Mailformular

Es gibt 1 Rezension von Karl Kälble.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245