Tobias Kamer: Abenteuer planen? Didaktisches Handeln (...)
Rezensiert von Monika Pietsch, 21.01.2018

Tobias Kamer: Abenteuer planen? Didaktisches Handeln in Erlebnispädagogik und Outdoortraining. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2017. 124 Seiten. ISBN 978-3-497-02723-1. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR.
Thema
Kamer stellt fest, dass Erlebnisse und Abenteuer individuell erlebt werden und deshalb eigentlich nicht vorgeplant werden können. Und das obwohl Auftraggeber und Teilnehmer das gerne wollen. Dennoch fragt er sich: Sind Abenteuer planbar?
Autor
Tobias Kamer ist Erwachsenenbildner und Erlebnispädagoge und hat einen M.Sc. Biologie, M.A. Kamer lebt und arbeitet in Bern. 2003 hat er die Organisation Drudel 11 – Erlebnispädagogik und Umweltbildung in der Schweiz gegründet, deren Präsident er ist.
Entstehungshintergrund
Erlebnispädagogische Bildungs- und Erziehungsaktivitäten verantwortungsbewusst leiten zu können, muss das Ziel von erlebnispädagogischen Ausbildungen sein. In Kamers Ausbildungen zum Erlebnispädagogen fehlte ihm eine Publikation zum Bereich des didaktischen Handelns von der Auftragsklärung bis zur Evaluation. Diese Lücke hat er jetzt selbst geschlossen.
Aufbau
Das Buch besteht aus zwei Teilen:
- Aus Erlebnissen lernen – eine Annäherung an den Begriff Erlebnispädagogik
- Erlebnispädagogische Projekte planen und durchführen
Zu Teil 1
Kamer nähert sich einer Definition der Erlebnispädagogik an und beschreibt 4 zentrale Leitideen: Wachstumsorientierung, Ganzheitlichkeit, Selbstorganisation, Naturorientierung. Anhand eines Lernzyklus (Nach Kolb 1984) beschreibt Kamer wie das Erlebnis (ganz individuell und nicht übertragbar) durch Reflexion zur Erfahrung wird und damit in weiteres Handeln umgesetzt werden kann. Dabei ermöglicht der Erlebnispädagoge, nach Ansicht von Kamer, den Teilnehmenden Lernfelder.
Zu Teil 2
Um erfolgreiche Programme durchzuführen, braucht man eine möglichst genaue Kenntnis der Teilnehmer und eine daraus resultierende Zieldefinition. Kamer unterscheidet dann zwischen selbst ausgeschriebenen Kursen und „Auftragsarbeit“ für Kunden. Er stellt die Besonderheiten und nötigen Fragestellungen vor. Die Grundlage bildet das „didaktische Mobile“, das bildhaft die Relationen und Abhängigkeiten zwischen den Oberbegriffen darstellt: Im Zentrum stehen Wirkung und Intention. Nach deren Klärung sind auf der einen Seite Teilnehmende und Rahmenbedingungen und auf der anderen Seite: Ziele und Absichten, Aktivitäten und Methoden, Themen und Inhalte, Orte und Mittel.
Die Themen werden im Weiteren anhand eines Beispiels veranschaulicht. Zum Thema Sicherheit und Einschätzung von Risiko stellt Kamer dann noch eine 3x3-Methode vor: Verhältnisse, Gelände und Menschen werden zu drei Zeitpunkten beurteilt: bei der Planung, vor Ort und im laufenden Prozess. In einem Trainingsleitfaden zeigt Kamer die Feinplanung des Beispieltrainings auf. Dabei werden detailliert Zeit, Tätigkeit und Methode, Sozialform, Ziel und Inhalt und Ort/ Material benannt.
Das Kapitel „Jetzt geht´s los“ beschreibt die Themenbereiche: Einstieg, Übungen und Prozessbeobachtung, Interaktion, Gruppenselbststeuerung und Interventionen. Hier werden viele praktische Tipps gegeben und Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung die Planung der Prozesse unterstützt. Auch Theorien wie die Beschreibung von Gruppenphasen und deren Besonderheiten, das Schichtenmodell zur Konfliktbearbeitung oder ein Schema zur Problemlösung werden vorgestellt.
Das Kapitel „Reflexion und Transfer“ bildet den Übergang vom Erlebnis zum Lernen. Kamer stellt die Vielzahl der Funktionen von Reflexionen dar und stellt Fragetypen und Hinweise zur Gesprächsführung vor. Abschließend geht es um den Abschied und die Evaluation von Trainings.
Diskussion und Fazit
Das Buch von Kamer bietet eine gute Struktur und vielerlei anschauliche Modelle. So kann das Buch tatsächlich ein Lehrbuch sein. Die Fragen sind deutlich herausgestellt, so ist das Buch gut zu lesen und Stichpunkte aus dem Sachregister leicht zu finden.
Es ist verwunderlich, dass Kamer die Inhalte seines Buches bisher in der Literatur vermisst. Es gibt eine Vielzahl an Büchern, die das liefern. Womöglich geht es ihm um die inhaltliche Zusammenstellung des planvollen didaktischen Handelns von der Vorüberlegung bis zur Evaluation. Hier bietet das Buch einiges an Informationen, Fragen, Modellen und Hinweisen. Zumindest für den Anfänger, der eher systematisch und vielleicht unsicher an die Situationen herangeht, bietet das Buch viel Wertvolles.
Dem schwierigen Thema der Reflexion, ist wieder nur ein kurzer Abschnitt gewidmet. Dieser bietet allerdings viel Stoff zum Nach- und Weiterdenken.
Die Frage, ob Abenteuer tatsächlich planbar sind, muss mit nein beantwortet werden. Abenteuer bleiben individuell und sehr persönlich und sind nicht übertragbar, doch der Weg hin zum Lernen durch Erleben hat viel Planbares.
Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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