Christian Grube, Volker Wahrendorf (Hrsg.): SGB XII Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz
Rezensiert von RA Marianne Schörnig, 31.07.2018

Christian Grube, Volker Wahrendorf (Hrsg.): SGB XII. Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz. Verlag C.H. Beck (München) 2018. 6. Auflage. 1165 Seiten. ISBN 978-3-406-68265-0. D: 99,00 EUR, A: 101,80 EUR, CH: 139,00 sFr.
Thema
In ihrem Vorwort ziehen die beiden Herausgeber des hier besprochenen Kommentars das Fazit, dass der größte Paradigmenwechsel im Sozialrecht – nämlich vom BSHG zu SGB XII und II – mittlerweile in der sozialrechtlichen Rechtsprechung voll und ganz „angekommen“ ist, auch wenn es nach wie vor Spuren des BSHG gibt. Damit ist aber kein gefestigter Status quo erreicht. Eine weitere Neuerung ist bereits teilweise in Kraft getreten: Das Bundesteilhabegesetz, das in den nächsten Jahren weite Teile des Sozialrechts auf den Kopf stellen wird.
Bisherige und neue BearbeiterInnen
Bisherige BearbeiterInnen:
- Christian Grube, Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Hamburg a.D.,
- Professor Dr. Volker Wahrendorf, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Essen a.D.,
- Dr. Karin Bieback, Richterin am Sozialgericht Hamburg,
- Dr. Thomas Flint, Richter am Bundessozialgericht,
- Klaus Streichsbier, Präsident des Verwaltungsgerichts Oldenburg
Neu hinzugekommen sind:
- Dr. Jörg Deckers, Richter am Landessozialgericht Essen,
- Dr. Kathrin Giere, Richterin am Landessozialgericht Hamburg.
An dieser Stelle verabschieden sich Grube und Wahrendorf: Ab der nächsten Auflage übernimmt einer der jetzigen Bearbeiter – Ri am BSG Dr. Thomas Flint – die Herausgeberschaft.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist ein klassischer juristischer Kommentar: Aufgebaut in Bearbeiter-, Inhalts-, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis. Es folgen die Paragraphen des SGB XII und des AsylbLG, jeweils mit Kommentierung. Anders als in vielen Kommentaren gibt es hier keinen Anhang über Verfahren; die Verfahrensvorschriften finden sich an geeigneter Stelle am Ende der jeweilen Kommentierung, z.B. am Ende der Kommentierung zu § 35 oder § 44.
Jeder einzelne Paragraphentext der SGB XII und des AsylbLG ist zunächst in Fettdruck abgedruckt, danach folgt ein Satz über den Werdegang der Vorschrift: Daten der Gesetzesänderung mit Datum des Inkrafttretens. Optisch besteht die Kommentierung aus einem Fließtext mit fettgedruckten Stichwörtern und einem Randnummernsystem. Zusätzlich ist jeder einzelnen Kommentierung eine Inhaltsübersicht vorangestellt.
Diskussion
Hier einer der wenigen Kritikpunkte des Buches: Die Schrift ist, um möglichst viel Text hineinzupacken, sehr klein. Allerhöchstens 7 Pkt., an manchen Stellen (z.B. bei der löblichen Schrifttumsangabe) noch kleiner. Ein solcher Handkommentar ist eigentlich dafür gedacht, „mobil“ zu sein: D. h., der Leser kann ihn mitnehmen und schnell nachschlagen. Wenn das Schriftbild aber so winzig ist, dass es ohne Brille praktisch nicht mehr zu lesen ist, dann ist der Zweck ad absurdum geführt. Auch Leser, die keine Brille benötigen, geraten bei schneller Lektüre mit den Zeilen durcheinander.
Detailreichtum steht nach wie vor an erster Stelle und zeichnet alle Kommentare der orangen Reihe aus. Wenn Schrifttum und Rechtsprechung zu SGB XII aber weiter so rasant wachsen wie bisher, sollten sich Herausgeber und Lektoren Gedanken machen, wie man die schiere Stofffülle noch unterbringen kann – und ob man das wirklich tun muss.
Nach wie vor ist eine Vielzahl der darin angesprochenen Themen streitig und praxisrelevant.
Hier verdeutlicht sich die eben schon kritisierte Stofffülle: Müssen z.B. die Leistungen der Eingliederungshilfe wirklich in epischer Breite mit jedem erdenklichen Streitpunkt dargestellt werden?
Die Kerngedanken des SGB XII wie die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung (§§ 41 ff.) oder Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff.) werden von den Herausgebern persönlich kommentiert, aber so bedeutende Kapitel wie z.B. das über Einkommen und Vermögen wird den „Neuen“ (Dr. Giere) überlassen. Möglicherweise deutet sich hier schon der Wechsel an.
Der Stil allerdings bleibt der altbewährte: Akzentuierungen im Fließtext durch Fettdruck, das Fettgedruckte findet immer eine Untermauerung durch Verweise auf dazu ergangene Rechtsprechung, Literaturstimmen, andere Quellen.
Jetzt heißt es, Abschied nehmen. Bereits im Vorwort stimmen die beiden Herausgeber darauf ein, dass sie ab der nächsten Ausgabe (die garantiert kommt) die redaktionelle Verantwortung an ihre Nachfolger übergeben. Der „Grube/Wahrendorf“ ist von Anfang an ein zuverlässiger, kompetenter Begleiter für alle diejenigen gewesen, die sich mit Sozialrecht, speziell Sozialhilferecht, befasst haben. Er wird es bestimmt bleiben.
Fazit
Der Kommentar erfüllt trotz Mäkelei (und welcher Jurist hätte nicht irgendetwas zu bemängeln) alle Wünsche für eine gründliche und doch rasche Arbeit. Bei allem Detailreichtum bildet er – mit den zahlreichen, weiterführenden Hinweisen – eine solide Basis für ein weiteres Nachforschen. Er wendet sich gleichermaßen an Praktiker wie z.B. Rechtsanwälte, Richter und Mitarbeiter von Sozialbehörden sowie an im Sozialrecht tätige Rechtswissenschaftler und ist jedem zu empfehlen.
Naturgemäß muss einiges vage bleiben:
- Was wird in der Praxis aus der Eingliederungshilfe?
- Wird die Schnittstelle Pflegeversicherung / Eingliederungshilfe rasch aufgelöst?
- Verabschiedet sich die Hilfe zur Pflege wirklich vom Prinzip der Bedarfsdeckung?
Viele Fragen sind offen, viele Probleme sind noch gar nicht bekannt. Man muss aber kein Hellseher sein, um zu sagen, dass auch mit künftigen Auflagen des „Grube/Wahrendorf“ (wie er dann wohl heißt?) eine Bewältigung der Problematik gelingt.
Rezension von
RA Marianne Schörnig
Fachanwältin für Sozialrecht, Düsseldorf
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