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Regina Becker: Beratung als pflegerische Aufgabe

Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 04.01.2018

Cover Regina Becker: Beratung als pflegerische Aufgabe ISBN 978-3-17-021170-4

Regina Becker: Beratung als pflegerische Aufgabe. Arbeitsmaterialien für Unterricht und Praxis. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2017. 264 Seiten. ISBN 978-3-17-021170-4. 32,00 EUR.

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Thema

Beratung als pflegerische Aufgabe gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dies gilt sowohl für die pflegerische Beratung zur Unterstützung häuslicher Pflegearrangements als auch für die Patientenedukation im stationären oder einem anderen Setting, in dem Patient(inn)en angeleitet, geschult und beratend beim Umgang mit ihrer Erkrankung begleitet werden.

Autorin

Dr. phil. Regina Becker ist Krankenschwester und Diplom-Pädagogin. Sie promovierte über die „Beratung von pflegenden Angehörigen“. Weitere Informationen zu ihr und ihren Arbeitsschwerpunkten finden sich unter www.pflegende-frauen.de.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist die Zusammenfassung und Dokumentation der Arbeit der Autorin der Jahre 2008-2016, in denen Becker als Dozentin für eine Gesundheits- und Krankenpflegeschule sowie eine Altenpflegeschule Beratung in der Pflege unterrichtet hat. Zusätzlich hat sie für den Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Fortbildungen zu dieser Thematik konzipiert. Der Mangel an kurzen und übersichtlichen Arbeitsblättern zum Thema Beratung im Ausbildungskontext hat die Autorin motiviert, das vorliegende Buch zu konzipieren, welches explizit „Arbeitsmaterialien für Unterricht und Praxis“ bereitstellen möchte.

Vor diesem Entstehungshintergrund ist es auch nachvollziehbar, dass das Buch im A4-Format erschienen ist, da die zahlreichen Arbeitsmaterialien so besser als Kopiervorlage für die Nutzung im Unterricht oder in der Fort- und Weiterbildung verwendet werden können.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist eine Sammlung von Arbeitsblättern, kurzen Texten und Fallbeispielen zum Thema „Beratung als pflegerische Aufgabe“. Es ist in 19 Kapitel untergliedert, dem sich ein Ausblick und der Anhang (Fallbeispiele und -situationen) anschließen.

Kapitel 1 „Voraussetzungen für die Beratung als pflegerische Aufgabe“ stellt neun unterschiedliche Diskussionsebenen vor, in die Beratung im Kontext Pflege eingebunden ist. Diese Diskussionsebenen (z.B. Fachdiskussionen, Unterrichtskonzepte, Lehrende, Schülerinnen und Patientinnen) werden sodann jeweils kurz beschrieben. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick, der vier Spannungsverhältnisse skizziert (Theorie versus Praxis, ambulant versus stationär, Akutkrankenhaus versus Langzeitpflege sowie Bedarfsorientierung versus Budgetorientierung), in der sich pflegerische Beratung bewegt.

Kapitel 2 „Curriculum für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege“ gibt Empfehlungen, wie Beratung im pflegerischen Unterricht eingebaut und gelehrt werden sollte. Dabei konzentrieren sich die Empfehlungen auf die Ausbildung in der Gesundheits- und (Kinder)Krankenpflege des Landes Rheinland-Pfalz. Das Curriculum wird in Tabellenform mit kurzen Angaben zum Lerninhalt und Stundenumfang dargestellt.

Kapitel 3 „Wahrnehmen, Beobachten und Kommunizieren“ thematisiert die Voraussetzungen für eine professionelle Gestaltung von pflegerischer Anleitung und Beratung. Becker stellt hier z.B. Kommunikationsarten (Schulz von Thun, Watzlawick) vor und gibt Tipps zur Körpersprache.

Kapitel 4 „Grundlagen der Beratung“ geht darauf ein, was Beratung ist und welcher Kompetenzarten (z.B. Selbst-, Feld-, Methodenkompetenz) es für eine umfassende Beratungskompetenz bedarf. Ein Kapitelabschnitt stellt zentrale Beratungsinterventionen in der Pflege vor (Fachberatung, Anleitung, Schulung und psychoemotionale Begleitung).

Kapitel 5 „Gesprächsführung“ thematisiert alles rund um das Thema Gespräche. Es werden Gesprächsarten (z.B. Informations-, Übergabe-, Konflikt-, Beratungsgespräch), die Phasen eines Gesprächs und verschiedene Methoden der Gesprächsführung vorgestellt. Teilweise geschieht die Thematisierung in kurzen Textblöcken, zum Teil aber auch nur in Form von Abbildungen, die sehr kursorisch den Inhalt vermitteln.

Kapitel 6 „Anleitung in der Pflege“ geht näher auf eine zentrale Beratungsintervention ein. Es werden die Phasen und Schritte bei der Durchführung einer Anleitung dargestellt (als Tabelle bzw. Abbildung). In Stichpunkten wird darauf eingegangen, was bei einer Anleitung zu beachten ist und welche Ziele mit der Anleitung verbunden werden. Becker stellt darüber hinaus Methoden zur Anleitung vor und bietet z.B. auch einen Beobachtungsbogen und ein Dokumentationsprotokoll. Hier greift die Autorin verstärkt auch auf Vorlagen anderer Autor(inn)en zurück.

Kapitel 7 „Anleitungskonzepte“ stellt sechs Anleitungskonzepte vor. Darüber hinaus werden Unterschiede zwischen Anleitung und Beratung deutlich gemacht. Das Kapitel beschäftigt sich sowohl mit der Anleitung von Pflegeschüler(inne)n (im Rahmen der Praxisanleitung) als auch mit der Anleitung von Patient(inn)en.

Kapitel 8 „Beratungskonzepte“ stellt fünf verschiedene Beratungskonzepte vor (klientenzentrierte ~, lösungsorientierte ~, leiborientierte ~, personenzentrierte ~ und die systemische Beratung). Darüber hinaus enthält dieses Kapitel einen Abschnitt zur Gruppenarbeit mit Angehörigen von Demenzkranken und einen Abschnitt zu Case Management.

Kapitel 9 „Idiolektik“ stellt eine spezielle Form der Gesprächsführung vor, die die Eigensprache von Menschen bzw. im Anwendungsfall des Buches der Patient(inn)en in den Fokus nimmt und einfache Fragetechniken verwendet. Aussagen wie „Ich nehme mir etwas zu Herzen“ oder „Das geht mir unter die Haut“ sind Beispiele für diese Eigensprache, deren Sprachbilder im Dialog mit dem Patienten bewusst genutzt werden können. Das Kapitel gibt einen Überblick über die geschichtlichen Hintergründe und Methodik der Idiolektik und wendet diese Gesprächstechnik sodann auf die Pflege an. Ein Anwendungsbeispiel der Idiolektik im Arzt-Patienten-Gespräch beendet das Kapitel.

Die Kapitel 10 („Fallbeispiel zur Beratung“), 11 („Fallbeispiele zu den Expertenstandards“) und 12 („Fallbeispiele zu Schwierigkeiten in der Beratung“) beinhalten umfangreiche Fallbeispiele zu verschiedenen Beratungsformen, die in früheren Kapiteln theoretisch vorgestellt wurden.

Kapitel 13 „Beziehungs- und Konfliktmanagement“ stellt sowohl Konzepte der Beziehungsgestaltung zwischen Berater(in) und Klient(in) vor (z.B. dialogische Beziehung nach Buber) als auch Tipps, wie man sich beim anderen „garantiert unbeliebt“ machen oder auch Sympathie aufbauen kann. Dem schließt sich ein Überblick über Konflikte von Pflegekräften und Patient(inn)en sowie verschiedene Konfliktarten an. Das Kapitel schließt mit verschiedenen Arbeitsblättern zum Thema Konflikte.

Kapitel 14 „Beratung von pflegenden Angehörigen“ rückt erstmals im Buch von den Patient(inn)en als Zielgruppe pflegerischer Beratung ab und fokussiert auf die Rolle pflegender Angehöriger für die Versorgung Pflegebedürftiger und deren spezifische Belastungen.

Kapitel 15 „Pflegefachkräfte als Beraterinnen“ thematisiert die Bedeutsamkeit einer klaren Rollenbeschreibung der Pflegekräfte im Kontext Beratung und die Wichtigkeit der Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen, um Überforderung und Frustrationen vorzubeugen. Darüber hinaus geht das Kapitel auf die Kooperation mit anderen beratenden Professionellen ein, aber auch darauf, wie Pflegekräfte für sich selbst sorgen können und wie das Konzept der Salutogenese zur Gesundheitsförderung beitragen kann.

Kapitel 16 „Beratung von professionellen Helferinnen“ zeigt auf, wie Pflegekräfte sich durch unterschiedliche Beratungsformen selbst unterstützen können. Es werden verschiedene Beratungsformate zur Unterstützung der professionellen Helfer(innen) vorgestellt: Supervision, Kollegiale Beratung, Mitarbeitergespräche, Coaching, Balint-Gruppen und Mediation.

Kapitel 17 „Arbeitsaufträge, Klausurfragen, Referatsthemen“ stellt Aufgaben für die Auszubildenden vor, die die Thematik Beratung als pflegerische Aufgabe behandeln. Dies beinhaltet beispielhafte Klausurfragen, Transferaufgaben, die auf einem Fallbeispiel beruhen und mögliche Themen für Referate.

Kapitel 18 „Begutachtungsbogen zur Beratung“ enthält die Vorlage eines Begutachtungsbogens zur Beratung in der Pflege. Dieser Begutachtungsbogen kann eingesetzt werden, um die Beratung durch Auszubildende zu dokumentieren und zu bewerten.

Kapitel 19 „Tipps für Aufsätze zum Unterricht“ ist eine nicht mal einseitige Zusammenstellung von Literatur zum Thema Beratungsgespräche in der Pflege und Empathie.

Im Ausblick rekapituliert die Autorin das vorliegende Werk.

Diskussion

Man merkt dem Buch an, dass es aus der Praxis heraus für die Nutzung durch Kolleg(inn)en der Pflegepädagogik geschrieben wurde, denn das Buch gibt keinen systematischen Überblick über Beratung in der Pflege. Ein solcher Überblick müsste auch eine stärkere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Beratung als Teil von Patientenedukation beinhalten – dies war aber explizit nicht das Ziel dieses Buches. Laut Becker möchte das Buch vielmehr einen Impuls für die Debatte liefern, wie Beratung als pflegerische Aufgabe im Unterricht vermittelt, in der pflegerischen Praxis durchgeführt und von anderen (beratenden) Professionen abgegrenzt werden kann.

Die Kapitelzusammenstellung und -abfolge ist nicht immer nachvollziehbar. Dadurch wirkt das Buch wie ein Sammelsurium an Beiträgen, die als kleinsten gemeinsamen Nenner „Beratung in der Pflege“ vorweisen. Zudem fehlt den Kapiteln größtenteils eine Einleitung, sodass der Leser sofort mitten im Thema ist ohne einen Überblick darüber zu erhalten, welches Ziel das Kapitel eigentlich verfolgt und wie es im Buch insgesamt inhaltlich verortet ist.

Das 6. Kapitel („Anleitung in der Pflege“) gibt zwar einen allgemeinen Überblick darüber, auf was alles zu achten ist, wenn man eine pflegerische Anleitung durchführen will. Ein konkretes Beispiel für eine solche pflegerische Anleitung hätte aber die Anschaulichkeit des Kapitels deutlich erhöht. Dies gilt ebenso für viele andere Kapitel, die sich eher auf der Meta- anstatt auf der Mikroebene des einzelnen Patienten und seines pflegerischen Versorgungsbedarfs bewegen.

Zum Teil ist für den Leser nicht nachvollziehbar, warum bestimmte Abschnitte in einem Kapitel abgehandelt werden. In Kapitel 8 („Beratungskonzepte“) sind z.B. ein Abschnitt zur „Gruppenarbeit mit Angehörigen von Demenzkranken“ und ein Abschnitt „Case Management“ enthalten. Auch hält die Überschrift des Abschnitts 8.8 „Beobachtungsbogen zur Beratung“ nicht, was sie verspricht, denn in dem Abschnitt wird kurz skizziert, worauf bei der Durchführung eines pflegerischen Beratungsgesprächs zu achten ist, aber nicht, was während der Beratung zu beobachten wäre. In Kapitel 12 („Fallbeispiele zu Schwierigkeiten in der Beratung“) werden teilweise psychologische Konstrukte erläutert, obwohl das Kapitel ansonsten nur eine Sammlung von Fallbeispielen darstellt. Die Kapitel 10 bis 12 stellen eine Aneinanderreihung von Fallbeispielen dar, bei denen sich dem Leser nicht immer erschließt, worin die beraterische Intervention der Pflegekraft bestanden hat oder bestehen sollte.

Das Literaturverzeichnis verdeutlicht, dass die zitierte Literatur ursprünglich für andere Publikationen der Autorin zusammengestellt wurde. Die jüngste zitierte Publikation ist von 2011. Die meisten zitierten Publikationen sind allerdings mehr als zehn Jahre alt. Zudem sind die URL-Links zitierter Websites ebenfalls häufig mehrere Jahre alt und wurden für die vorliegende Publikation nicht überprüft und aktualisiert. Demzufolge lassen sich einige dieser zitierten Internetquellen nicht mehr aufrufen. Hier wäre die Einbeziehung jüngerer Veröffentlichungen zur Thematik des Buches wünschenswert gewesen. Die fehlende Aktualität der Literatur zeigt sich in ihren nachteiligen Auswirkungen in allen Kapiteln des Buches: Es wird einfach nicht der aktuelle Stand der Pflegewissenschaft berücksichtigt.

Fazit

Die Erfahrungen bei der Unterrichtsvorbereitung zum Thema Beratung in der Pflege wurden von Becker zusammengetragen und in Buchform gegossen. Das Buch bietet aber keinen zusammenhängenden Überblick über die Thematik geschweige einen „Grundlagentext zur ‚Beratung als pflegerische Aufgabe‘“, wie Becker ihr Buch selbst beschreibt (S. 240). Dafür stehen die einzelnen Kapitel des Buches zu unzusammenhängend nebeneinander. Aus der Fülle an Unterrichtsmaterialien, die die Autorin in den letzten acht Jahren ihrer praktischen Arbeit zusammengetragen hat, kann und soll sich der Leser aber bedienen und für die eigene Verwendung im pflegerischen Unterricht verwenden und weiterentwickeln.

Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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Es gibt 21 Rezensionen von Anke Höhne.

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ISSN 2190-9245