Hans-Dieter Dumpert, Roger Schaller: Rollenspiele. Techniken der Verhaltenstherapie
Rezensiert von Elisabeth Vanderheiden, 12.01.2018
Hans-Dieter Dumpert, Roger Schaller: Rollenspiele. Techniken der Verhaltenstherapie.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2017.
130 Seiten.
ISBN 978-3-621-28529-2.
D: 26,95 EUR,
A: 27,70 EUR,
CH: 37,10 sFr.
Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial.
Thema
Das Buch „Rollenspiele. Techniken der Verhaltenstherapie“von Hans-Dieter Dumpert und Roger Schaller gibt eine sehr fundierte und grundlegende Einführung in die Arbeit mit Rollenspielen in der Verhaltenstherapie. Es werden Chancen und Grenzen von Rollenspielen in der Verhaltenstherapie aufgezeigt, vor allem aber ausführlich die verschiedenen Einsatzbereiche dargestellt und Hinweise für die konkrete therapeutische Arbeit gegeben.
Autoren
Hans-Dieter Dumpert ist Diplompsychologeund hat eine Ausbildung in Psychodrama. Er ist Leiter der Institutsambulanz Barbarossaplatz Köln und Ausbilder an der Akademie für Verhaltenstherapie (AVT) Köln.
Roger Schaller ist Diplompsychologe und Psychodramatiker. Er arbeitet als freiberuflicher Seminarleiter, Ausbilder von Auszubildenden und Supervisor in der Erwachsenenbildung sowie als Psychotherapeut in einem Kinderheim. (Verlagsangaben).
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert:
- Rollenspiel in der Verhaltenstherapie
- Raum und Bühne
- Szene
- Rolle und Rollenwechsel
- Rollenspiel mit Stühlen
- Verhaltenstraining mit Rollenspiel
- Rollenspielartiges Ritual
- Risiken und Sicherheit
Bereits in der Einleitung starten die Autoren mit einem kleinen „Rollenspiel-Selbstversuch“, um so auf das Thema des Buches einzustimmen. Sie arbeiten schon hier wichtige Merkmale des Rollenspiels heraus:
- So tun, als ob.
- Visualisierung, Räumlichkeit, Handlung.
- Erweiterung, Intensivierung.
- Rollenwechsel.
- Mentalisieren, einen neuen Weg gehen.
Im folgenden werden die Schwerpunkte der acht Kapitel genauer betrachtet.
Im Kapitel 1 „Rollenspiel in der Verhaltenstherapie“ wird ausgeführt, wie die Verhaltenstherapie sich von ihrem Methodenverständnis her für die Individualität der Patient*innen interessiert und handlungsorientiert ausrichtet. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass die Methode des Rollenspiels gut zur Verhaltenstherapie passt, und zeigen die therapeutisch hilfreichen Funktionen der Rollenspielmethode auf, z.B. indem Komplexität reduziert wird oder indem Handlungsalternativen erforscht und erprobt werden können. Dazu führen die Autoren auch jeweils konkrete Beispiele aus ihrer therapeutischen Praxis an, auch Übungen oder praktische Hinweise zur konkreten Umsetzung werden präsentiert.
Im Kapitel 2 „Raum und Bühne“ führen die Autoren in verschiedene Arten von Bühnen ein, auf denen ein Rollenspiel stattfinden kann. Es wird deutlich, dass es Sinn machen kann, im Therapieraum eine räumlich abgetrennte Rollenspielbühne einzurichten, und es erfolgt eine konkrete Einführung in die Arbeit mit diesem abgetrennten Raum. Zudem werden alternativ vier Beispiele für einfache und wirkungsvolle Rollenspieltechniken vorgestellt, bei denen eine räumlich abgetrennte Bühne nicht nötig ist. Das wären etwa eine Spektogrammlinie, Bewegungsübungen im Raum, ein Stuhlmonolog oder die sog. Inseltechnik. Außerdem wird noch eine sogenannte Tischbühne eingeführt und beispielhaft demonstriert, wie und in welchen Kontexten diese Methode sinnvoll einsetzbar ist, die vor allem bei im Rollenspiel ungeübteren Patient*innen oder Therapeut*innen sinnvoll sein kann oder wenn mit höherem Widerstand zu rechnen ist.
Im Kapitel 3 „Szene“ widmet sich dem wichtiges Charakteristikum einer Rollenspielszene, der „Als-ob-Realität“. Sodann wird erläutert, wie schon das Herstellen einer Rollenspielszene – ohne besondere Rollenspielaktivität des/der Patient*innen – therapeutisch wirksam sein kann. Eine sehr phantasievolle Übung, die die Autoren dazu einführen, ist beispielsweise die Übung: „Museum des bisherigen Lebens“, bei der der/die Patient*in aufgefordert wird, die vier Wände des Therapieraums als Museumswände mit Bildern vorzustellen, auf denen die bisherigen Stationen des eigenen Lebens dargestellt sind. (51). Weiterhin werden szenische Beispiele aus unterschiedlichen Therapiephasen präsentiert, wie etwa biografische Exploration, Förderung der Therapiemotivation, Exploration einer problematischen Beziehung zu einem Elternteil, Suche nach dem Therapieziel, unterschiedliche Sicht- und Erlebnisweisen der Partner*innen in einer Paartherapie.
Im Kapitel 4, das „Rolle und Rollenwechsel“ betitelt ist, werden verschiedene Regietechniken erläutert, die für die rollenspielanleitende Therapeut*innen hilfreich sind. Es wird erklärt, wie wirksam das Wechseln in eine andere Rolle sein kann. Zugleich wird herausgearbeitet, dass ein Rollenwechsel mehr oder weniger emotional verlaufen kann und dass der/die Therapeutin durch die Art ihrer Fragen die Emotionalität eines Rollenwechsels variieren kann, so gelangen Patient*innen erfahrungsgemäß durch Wann-, Warum-, oder Wer-Fragen wieder stärker in einer Kopfarbeitarbeit (91). Auch durch den Wechsel in eine kognitive Rollenübernahme oder eine imitative Rollenübernahme erfolgt in der Regel eine Herunterregulation von Emotionen (90).
Kapitel 5 „Rollenspiel mit Stühlen“ arbeitet heraus, in welcher Weise Stühle hilfreiche Hilfsmittel für Rollenspiele sind. Stühle können etwa Projektionsflächen für Gedanken und Emotionen sein, Stühle können aber auch Stellvertreter sein für Personen oder für Persönlichkeitsanteile. Sie können als Platzhalter eingesetzt werden oder die Stühlearbeit mit Persönlichkeitsanteilen, Einstellungen, Werten und Normen unterstützen. Hier ist es sicherlich hilfreich, dass die Autoren ein komplettes Therapiegespräch nachzeichnen und so auch Neulingen in dieser Form der therapeutischen Arbeit konkrete Hilfestellung bei der Gestaltung solcher Sitzungen geben. Am Ende dieses Kapitels schließen sich Ausführungen zur Arbeit mit Stühlen in der Klärungsorientierten Psychotherapie und in der Schematherapie an.
Im Kapitel 6, das das „Verhaltenstraining mit Rollenspiel“ fokussiert, geht es um das Training von Kompetenzen, mit besonderer Unterstützung durch das Rollenspiel. Dabei werden in Anlehnung an die Lernpyramide von Miller fünf Lernphasen beschrieben, die beim Training von Kompetenzen zu durchlaufen sind:
- „knows“
- „knows how“
- „shows how“
- „does in therapy“
- „does in real life“. (125)
Dabei sind die Autoren überzeugt, dass vor allem innerhalb der mittleren Lernphasen die Methode des individualisierten szenischen Rollenspiels sehr hilfreich ist, und erklären die Umsetzungs- und Einsatzmöglichkeiten.
Kapitel 7 „Ritualartiges Rollenspiel“ arbeitet die Ähnlichkeiten zwischen Therapiemethoden und Ritualen heraus. Wobei die Autoren betonen: „Rollenspielartige Rituale in der Psychotherapie können nicht standardisiert und manualisiert werden, sondern sie müssen im therapeutischen Prozess personen- und situationsbezogen entwickelt werden. Die eingesetzten Symbole und symbolischen Handlungen sollen aus der Ideenwelt des Patienten kommen und mit dem Patienten zusammen festgelegt werden.“ (155). Die Autoren machen deutlich, dass Rituale in der Lage sind, menschliches Verhalten zu ändern und zu stabilisieren, und dass Rituale auch wirksam psychotherapeutisch eingesetzt werden können. Rituale haben ähnliche Merkmale wie die Rollenspielmethode: Zwei wesentliche Merkmale und zehn mögliche Phasen von ritualartigem Rollenspiel in der Psychotherapie werden benannt. Dann werden drei Ritualbeispiele aus der psychotherapeutischen Praxis ausführlich beschrieben.
Im Kapitel 8 „Risiken und Sicherheiten“ wird genauer beleuchtet, dass Patient*innen durchaus Vorbehalte gegenüber Rollenspielen zeigen können. Wir zeigen, wie Widerstand ernstgenommen und reduziert und Zugänge zum Rollenspiel erleichtert werden können, etwa indem ein Rollenspiel in Form einer Comicgeschichte gestaltet wird (181).
Diskussion und Fazit
Den Autoren ist es gelungen, ein sehr inspirierendes und kenntnisreiches Werk vorzulegen. Die vielen Übungen, Umsetzungsideen und Praxisbeispiel erden es gut und ermuntern zum eigenen Erproben in Therapie und Coaching. Es ist gut strukturiert und übersichtlich gestaltet. Positiv ist auch, dass das komplette Werk als ebook im Preis als kostenlosen Download inkludiert ist!
Sehr wohltuend von vergleichbaren Werken hebt sich ab, dass sich Dumpert und Schaller für eine geschlechtergerechte Sprache entschieden haben: „Noch ein Wort zur Genderregelung in diesem Buch: Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir durchgehend die weibliche Form der Therapeutin verwendet. Selbstverständlich sind auch alle Therapeuten damit gemeint.“ (14)
Rezension von
Elisabeth Vanderheiden
Pädagogin, Germanistin, Mediatorin; Geschäftsführerin der Katholischen Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz, Leitung zahlreicher Projekte im Kontext von beruflicher Qualifizierung, allgemeiner und politischer Bildung; Herausgeberin zahlreicher Publikationen zu Gender-Fragen und Qualifizierung pädagogischen Personals, Medienpädagogik und aktuellen Themen der allgemeinen berufliche und politischen Bildung
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Es gibt 184 Rezensionen von Elisabeth Vanderheiden.
Zitiervorschlag
Elisabeth Vanderheiden. Rezension vom 12.01.2018 zu:
Hans-Dieter Dumpert, Roger Schaller: Rollenspiele. Techniken der Verhaltenstherapie. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2017.
ISBN 978-3-621-28529-2.
Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23625.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
Urheberrecht
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