Helma Lutz, Anna Amelina: Gender, Migration, Transnationalisierung
Rezensiert von Prof. Dr. Antje Krueger, 17.04.2018

Helma Lutz, Anna Amelina: Gender, Migration, Transnationalisierung. Eine intersektionelle Einführung. transcript (Bielefeld) 2017. 211 Seiten. ISBN 978-3-8376-3796-0. D: 16,99 EUR, A: 17,50 EUR, CH: 21,90 sFr.
Thema
Das Buch bietet eine sozialwissenschaftliche Einführung in die Verknüpfung von Geschlechterverhältnissen, Migrationsprozessen und transnationaler Theorien aus einer intersektionalen Perspektive. Verdeutlicht wird die Verwobenheit der Bereiche am Beispiel der Forschungsfelder Care-Arbeit, transnationale Familien sowie (Staats-)Bürgerschaft. Da sich das Buch insbesondere an Studierende und Lehrende sozialwissenschaftlicher Studiengänge richtet, werden darüber hinaus zu den einzelnen Feldern Spiel- und Dokumentarfilme und darauf abgestimmte Übungsfragen vorgestellt, die das Selbststudium unterstützen sollen bzw. helfen können, Seminardiskussionen zu gestalten.
Autorinnen
Helma Lutz ist Professorin für Frauen- und Geschlechterforschung am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und arbeitet insbesondere zu den Themen Geschlecht und Migration, Intersektionalität, Rassismus- und Ethnizitäts- sowie Biographieforschung.
Anna Amelina ist Professorin für das Fachgebiet Interkulturalität an der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind transnationale Migration, Geschlechterverhältnisse und Intersektionalitätsforschung, Soziologie sozialer Ungleichheiten sowie Transnationalisierungsforschung.
Entstehungshintergrund
Die Idee zum Buch stammt von Uwe Vormbusch, Professor für Soziologische Gegenwartsdiagnosen der Fakultät Kultur- und Sozialwissenschaften der Fernuniversität Hagen. Auf seine Initiative hin wurde zunächst ein thematischer Studienbrief für die Fernuniversität erarbeitet, dessen inhaltliche und konzeptionelle Ausgestaltung er gemeinsam mit den Autorinnen diskutiert und begleitet hat.
Helma Lutz und Anna Amelina haben im weiteren Verlauf vorläufige Versionen der nun vorliegenden Kapitel in ihren jeweiligen Lehrveranstaltungen verwendet und entlang der Rückmeldungen der Studierenden für das Buch überarbeitet (S. 11). In einem Kurzinterview auf der website des transcript-Verlags geben die Autorinnen an, dass die Einbindung transnationaler Theorien in die Migrations- und die Genderforschung unverzichtbar sei, um (rassistischen) Integrationsdebatten begegnen zu können. Die intersektionale Zusammenführung der drei vorgestellten Bereiche im Rahmen eines Studien- und Lehrbuchs eröffne darüber hinaus Perspektiven, die dem universitären Standardcurriculum bislang fehlen würden.
Aufbau
Das Buch gliedert sich in insgesamt sechs Kapitel. Die Kapitel sind jeweils von einer Autorin allein verfasst. Die einführenden Kapitel 1-3 enden mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick.
Nach einer Einführung in den Stand der Diskussion um „Geschlechterverhältnisse und Migration“ (Kap.1, Helma Lutz), erfolgt eine Zusammenstellung des aktuellen Forschungsstands zu Analyse von Migrationsprozessen im nationalen, globalen und transnationalen Bezugrahmen unter dem Titel „Migration und Geschlecht“ (Kap. 2, Anna Amelina), die um intersektionelle Perspektiven auf den Gegenstand ergänzt werden („Doing Migration und Doing Gender“, Kap. 3, Anna Amelina).
Die nachfolgenden Kapitel widmen sich beispielhaft den Forschungsfeldern transnationale Care-Arbeit und transnationale Familien (Kap. 4, Helma Lutz) sowie postnationalen und intersektionellen Ansätzen zum Thema (Staats-)Bürgerschaft (Kap. 5, Anna Amelina). Zum Abschluss werden die Inhalte der vorausgegangenen Kapitel noch einmal zusammengefasst, zu den jeweils bearbeiteten Themenfeldern Hinweise zum Einsatz von Spiel- und Dokumentarfilmen gegeben und um mögliche Übungsfragen ergänzt (Kap. 6, Helma Lutz).
Am Ende des Buches findet sich zusätzlich zur Literaturliste auch ein Filmverzeichnis.
Inhalt
Im ersten Kapitel „Geschlechterverhältnisse und Migration. Einführung in den Stand der Diskussion“ benennt Helma Lutz in prägnanter Form die zentralen analytischen Konzepte, Debatten und Traditionslinien der Frauen- und Geschlechter- sowie der Migrationsforschung. Zunächst widmet sie sich der sozialen Konstruktion von Geschlecht (1.1), wägt hier knapp die Anwendbarkeit von poststrukturalistischen Ansätzen („linguistic turn“, Butler) zugunsten des konstruktivistischen Ansatzes des „doing gender“ (Garfinkel, Goffman) für die soziologische Ungleichheitsforschung ab und ergänzt diesen um die Debatte der „doppelten Vergesellschaftung von Frauen“ (Becker-Schmidt). Nachfolgend wird im Rahmen von Intersektionalität Geschlecht in der Interferenz/Interdependenz mit anderen sozialen Platzanweisern betrachtet und insbesondere die Verwendung der Kategorien „Race/Rasse“ und „Ethnisierung/Rassialisierung“ kritisch reflektiert und begründet (S. 24-26). Eine übersichtliche Tabelle listet die einzelnen Differenzachsen und die unterschiedlichen Dimensionen der jeweiligen Kategorien auf (S. 27). Das Unterkapitel endet mit einem Verweis auf das Modell der Mehrebenenanalyse nach Anthias bzw. Winker/Degele. Dass Migration immer schon als feminisiertes Phänomen zu betrachten war und ist, die Migrationsforschung jedoch lange einem male bias unterlag, wird unter 1.3 deutlich. Zudem erfolgt hier eine kritische Auseinandersetzung mit Wanderungsformen und den klassischen Paradigmen der Migrationsforschung: Pull-Push-Modell, Integration und Assimilation, methodologischer Nationalismus in Migrationstheorien, transnationale Migration sowie der bereits kurz benannten Feminisierung der Migration. Abschließend wird die wissenschaftliche Auseinandersetzung um Gender im Migrationsprozess von der „(Un-)Sichtbarkeit bis hin zur Dramatisierung“ in ihren Eckpunkten nachgezeichnet (Kap. 1.4). Im Ausblick wird deutlich, dass die Auswirkungen von Globalisierungsformen auf den sozialen Alltag, genauso wie ihr möglicher Einfluss auf veränderte Geschlechteridentitäten und Geschlechterarrangements, bislang zu wenig erforscht sind. Nach Lutz gehe es hierbei „nicht nur um die De-dramatisierung von Differenzen und die Re-dramatisierung sozialer Ungleichheit, sondern immer auch um Verortungs- und Positionierungsfragen, sowohl auf Seiten der Untersuchungsgruppe als auf der Seite der Forscher*innen“ (S. 44).
Unter dem Titel „Migration und Geschlecht. Der Forschungsstand zur Analyse der Migrationsprozesse im nationalen, globalen und transnationalen Bezugrahmen“ beschäftigt sich Anna Amelina im zweiten Kapitel sowohl mit Schlüsselfiguren und Limitationen von Assimilationstheorien, die Migration vor allem aus der (nationalen) Perspektive von Einwanderungsgesellschaften betrachten (Kap. 2.2), als auch mit dem neoklassischen Ansatz und der Wertsystemtheorie, nach denen internationale Migration in einem globalisierten Kontext analysiert wird (Kap. 2.3). Beide Zugänge werden jeweils kritisch gewürdigt, aber die Grenzen der Ansätze deutlich benannt. Unter Bezugnahme auf transnationale Erkenntnisse in der Migrationsforschung und der geschlechtersensiblen Ungleichheitsforschung (Kap. 2.4) verweist Amelina auf die Existenz von (ggf. unvollendeten) bi- und multidirektionalen Migrationsprozessen, auf die Rolle von kurzfristiger, zirkulärer, turnusmäßiger und saisonaler Mobilität sowie auf die Bedeutung von grenzüberschreitenden Kontakten, Verbindungen und Verpflichtungen, die die Konzeption von Migrationsmustern erweitern (S. 56). Diese Perspektive ermögliche es auch, verschiedene Typen transnationaler sozialer Räume bzw. Felder und transnationaler Praktiken zu identifizieren und die Relevanz multilokaler sozialer Kontexte in die Analyse von Geschlechterverhältnissen sowie sozialer Ungleichheit im Migrationsprozess mehrdimensional einzubinden. Zum Abschluss des Kapitels wird unter besonderer Betrachtung des Ansatzes der „widersprüchlichen sozialen Mobilität“ (Parreñas, Goldering) verdeutlicht, dass ein multilokaler Referenzrahmen auch mit einer Pluralität bzw. Gleichzeitigkeit von hierarchischen (sozialen) Zuschreibungen in Bezug auf Klasse, Geschlecht, Ethnizität/Race usw. einhergehen kann (bspw. parallele ökonomische Abwärts- und Aufwärtsmobilität in Ziel- und Herkunftsland, S. 62ff). Ein Phänomen, das laut Amelina mithilfe des Ansatzes des „transnationalen Rahmens“ (Anthias) intersektionell analysierbar werden kann (S. 64).
Intersektionelle Perspektiven auf Migration und Geschlecht verbindet Anna Amelina im dritten Kapitel mit den Ansätzen „Doing Migration“ und „Doing Gender“. Zunächst wird mit „Doing Migration“ eine sozialkonstruktivistische Perspektive auf Migration und Mobilität vorgestellt, die beide Prozesse als soziale Herstellungsleistung ausweist (Kap. 3.2). Unter Bezugnahme auf den „Motility-Ansatz“ von Flamm/Kaufmann und der unter dem Stichwort „mobile Wende“ (Urry, Büscher/Urry) formulierten Denaturalisierungsthese von Migration und Mobilität sieht Amelina die Möglichkeit, Migration als soziale Praxis zu verstehen, die sowohl gelingen als auch scheitern kann und in eine Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen eingebettet ist. Dazu gehört es ihres Erachtens auch, Migration immer mit der sozialen Herstellung von Raum/Räumen, dem „Doing Space“, in Verbindung zu bringen und von essentialisierenden, statischen geographischen Raumkonzepten Abstand zu nehmen. In wie weit die Kategorie Raum für sich als auch in der Verwobenheit mit weiteren Ungleichheitsachsen und Dimensionen sozialer Ungleichheit analysiert werden kann, wird in den Kapiteln 3.3 und 3.4 deutlich. Hier wird ausführlich auf intersektionelle Theorieansansätze eingegangen und das Zusammenspiel von Migration und Geschlecht am Beispiel aktueller Forschungen zu Migration und Mobilität in Europa (migrantische Care-Arbeiterinnen, hochqualifizierte Migrant*innen, immobile Andere im Emmigrations- und Einwanderungskontext) illustriert.
Das vierte Kapitel wurde von Helma Lutz verfasst und beschäftigt sich mit der intersektionalen Analyse transnationaler Care-Arbeit und transnationaler Familien. Inhaltlich fokussiert Lutz vor allem auf Care-Arbeitsverhältnisse, in denen Migrant*innen in privaten Haushalten beschäftigt sind. Unter dem Titel „Care als Erwerbsarbeit“ (Kap. 4.2) thematisiert sie den Beruf der (globalisierten) Dienstmädchen und beschreibt das Spannungsfeld globaler Care-Arbeit, das sich zwischen einer „Win-Win-Situation“ (wirtschaftliche Aufwärtsmobilität der Migrant*innen und Reduktion des Care-Defizits in den Zielländern) und den Tatsachen des sozialen Statusverlusts im Zielland, prekären Arbeitsverhältnissen und der physischen Trennung von Familienmitgliedern bewegt. Unter 4.3 wird mit dem Konzept der „globalisierten Versorgungsketten“ (global care chains, Hochschild, Parreñas) eine Analysekategorie für das Verständnis von feminisierter Care-Migration vorgestellt, sowie die Konzepte der transnationalen Mutterschaft (S. 101) und der Care-Zirkulation (S. 107) anhand verschiedener empirischer Beispiele näher beleuchtet. Nachfolgend wird deutlich, dass sich die Mitglieder transnationaler Familien nicht nur in einem Feld multipler Beziehungen und Orte bewegen müssen, sondern ihr Leben in Ziel- und Herkunftsland auch durch jeweils unterschiedliche juristische und moralisch-diskursive Ebenen beeinflusst wird (vgl. Kap. 4.4). Zur besseren Beurteilung wird unter 4.5 über eine intersektionelle Analyse von Gender-, Care-/Wohlfahrtsstaats- und Migrationsregimen die Makroebene des Care-Phänomens betrachtet. Lutz resümiert im Fazit (Kap. 4.5), dass mit der zunehmenden Kommerzialisierung und Privatisierung von Care eine Um- und Neuverteilung sozialer Ungleichheit einhergehe, von der migrantische Care-Arbeiter*innen (ambivalent) betroffen sind, die aber auch Pflege- und Betreuungsempfänger*innen in den Zielländern berühren kann.
Anna Amelina setzt sich im fünften Kapitel mit dem Wandel von Bürgerschaft auseinander und zeichnet hier die Entwicklung vom nationalen Modell zu postnationalen und intersektionellen Ansätzen nach. Zu Beginn des Kapitels werden die zentralen Dimensionen von (Staats-)Bürgerschaft umrissen (Kap. 5.1) und dann politische Mitgliedschaft und Prozesse territorialer Entgrenzung genauer beschrieben (Kap. 5.2). Im Zentrum stehen hierbei mit dem Ansatz postkolonialer Bürgerschaft, der Theorie der multiplen Bürgerschaft und der postkolonialen Kritik an der klassischen Staasbürgerschaftsforschung drei aktuelle theoretische Perspektiven, die die Entgrenzungsprozesse politischer Mitgliedschaft bearbeiten. An diese Kritik anknüpfend wird unter 5.3 der weiße Androzentrismus mittels feministischer und intersektionelle Ansätze in der (Staats-)Bürgerschaftsforschung in Frage gestellt. Amelina greift hierzu zum einen auf die Befunde feministischer Migrationsforschung zur Vergeschlechtlichung von Staatsbürgerschaft zurück und verweist zum anderen auf geschlechtsspezifische Narrative in staatlichen Inkorporations- bzw. Integrationspolitiken, die Migranten und Migrantinnen – sozial konstruiert – jeweils eine spezifische Rolle in Anpassungsprozessen zuschreiben. In der Auseinandersetzung mit den Inkorporationsmodellen der Politikwissenschaftlerin Kofman zeigt sich, dass bei der Entscheidung über eine Staatsangehörigkeit individuell verschiedene Aspekte zusammenspielen (u.a. Familienstand, Klassenzugehörigkeit, Herkunftsland), die letztlich Einfluss auf die Gestattung von substantiellen Rechten und auf den Erwerb von Staatsbürgerschaft in den Zielländern haben. An diesen Erkenntnissen anknüpfend werden abschließend intersektionelle Perspektiven in der (Staats-)Bürgerschaftsforschung am Beispiel der „Politiken der Zugehörigkeit“ (politics of belonging, Yuval-Davis) reflektiert (Kap. 5.4).
Im sechsten Kapitel verbindet Helma Lutz die Analyse von Gender, Migration und Transnationalität mit dem Einsatz von Spiel- und Dokumentarfilmen. Laut den Autorinnen gehe es hierbei weniger darum, die Medien filmtheoretisch zu erörtern – viel mehr schlagen sie vor, die im Buch vorgestellten Theoriebausteine und Erkenntnisse visuell zu unterstützen. In Anlehnung an Stuart Halls Methodologie zur Analyse von Othering-Prozessen, könne man die Filme nutzen, um kulturelle Repräsentationen und signifizierende Praktiken zu identifizieren: „Wir gehen davon aus, dass Filme ein gesellschaftliches Transformationspotenzial haben und sich dazu eignen, in unhinterfragtes Alltagswissen zu intervenieren. Dabei helfen Fragen, sowohl auf unterschiedliche Modi des Othering aufmerksam zu machen, als auch auf eine Vielfalt von privilegierten und nicht privilegierten (Sprecher*innen-)Positionierungen zu verweisen. Die jeweiligen Fragen sollen also den Anstoß zur Reflexion des Spannungsverhältnisses zwischen Kodieren und Dekodieren geben“ (S. 154). Das Kapitel ist so aufgebaut, dass jeder Kapitelzusammenfassung die Beschreibung eines Spiel- und eines Dokumentarfilms sowie mögliche Fragen zum Inhalt folgen.
Diskussion
Helma Lutz und Anna Amelina ist eine überaus lesenswerte und informative Auseinandersetzung mit der intersektionellen Verwobenheit von Gender, Migration und Transnationalität gelungen. Die einzelnen Kapitel bieten jeweils einen fundierten Überblick über die Entwicklung der unterschiedlichen Ansätze, skizzieren aktuelle Forschungsstände verschiedener Disziplinen und greifen exemplarisch Konzepte auf, die im Sinne intersektioneller Analysen kombiniert und weitergedacht werden.
Die Einbindung empirischer Arbeiten unterstützt das Konzept und lässt die verdichteten und zum Teil stark komprimierten Theoriebausteine zum einen leichter nachvollziehen – zum anderen wird darüber deutlich, welche Relevanz das Zusammenspiel der Kategorien für den Alltag und die Handlungsoptionen der beschriebenen Akteur*innen besitzt. Die aktuelle(re) Neu- und Umverteilung sozialer Ungleichheit erweist sich hierbei als ambivalenter Prozess, der oft eine Gleichzeitigkeit von ökonomischen, rechtlichen und sozialen (etc.) Auf- und Abwertungsbewegungen mit sich bringt. Die Texte sensibilisieren in diesem Zusammenhang für die Bedeutung transnationaler Herstellungsprozesse von Raum und Zugehörigkeiten und verweisen neben den darin enthaltenden vielfältigen Überlagerungen von Differenzerfahrungen immer auch auf er- und umkämpfte Möglichkeitsräume.
Insgesamt bieten die Analysen interdisziplinäre Anknüpfungspunkte, die den Fokus einzelner Fachrichtungen deutlich erweitern und bereichern. Gleichsam wird kritisch auf Forschungslücken und Desiderate verwiesen.
Deutlich schwerer fällt es, das Buch in Bezug auf die Einbindung in die Lehre zu bewerten bzw. der Empfehlung des Selbststudiums für Studierende zu folgen. Auch wenn die Autorinnen, wie beschrieben, die Texte in ihren eigenen Lehrveranstaltungen konstruktiv-kritisch mit den Studierenden abgestimmt haben, erachte ich die inhaltliche Ausgestaltung der Kapitel doch als sehr voraussetzungsvoll. Neulinge in den jeweiligen Gebieten werden den komprimierten Zusammenstellungen kaum folgen können, da ihnen Basiswissen und Fachterminologie fehlen. Für diese Zielgruppe ist auch der gewählte Aufbau nicht so gut geeignet. So findet sich bspw. die grundlegende (und sehr gut geschriebene) Einführung zu Intersektionellen Theorien im Unterkapitel 3.3. Ich gehe davon aus, dass die beiden Autorinnen in der Konzeption des Buches eher an fortgeschrittene Studierende gedacht haben. Diese werden sich über die vorliegende Einführung mit Sicherheit glücklich schätzen, durchaus vorhandene Redundanzen in den Texten zur Wissensabsicherung nutzen können und sich in der Lehre über den Einsatz der gut ausgewählten Spiel- und Dokumentationsfilme freuen. Leider gibt es, bis auf eine Ausnahme, keine Angabe zur Spieldauer der vorgeschlagenen Filme. Für die Planung von Lehrveranstaltungen wäre dies ein brauchbarer Zusatz gewesen.
Fazit
Das Buch bietet eine fundierte und komprimiert zusammengestellte Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungsständen und Konzepten aus der Gender- und Migrationsforschung und der transnationalen Theorie und verbindet diese mit intersektionellen Perpektiven. Die Art und Weise, wie Lutz und Amelina ihre Erkenntnisse aufbereiten und beleuchten geht dabei über eine Einführung hinaus und bietet viele Anknüpfungspunkte, transnationale Lebensrealitäten unter dem Vorzeichen von Gender besser zu verstehen und Neu- und Umverteilungen sozialer Ungleichheit innerhalb von Gender-, Care-/Wohlfahrtsstaats- und Migrationsregimen kritisch reflektieren zu können. Gerade deshalb ist es ein Werk, dass sich neben der anvisierten Zielgruppe explizit auch für fortgeschrittene Studierende und Lehrende der angewandten Wissenschaften (u.a. Soziale Arbeit, Pflegewissenschaften) empfiehlt.
Rezension von
Prof. Dr. Antje Krueger
Professorin für „Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft“ und „Internationale Soziale Arbeit“ an der Hochschule Bremen.
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