Elke Schimpf, Johannes Stehr (Hrsg.): Soziale Medien als Konfliktarena
Rezensiert von Prof. Dr. Ursula Unterkofler, 11.04.2018

Elke Schimpf, Johannes Stehr (Hrsg.): Soziale Medien als Konfliktarena. Alltagskonflikte Jugendlicher und wie sie über die Nutzung von Social Network Sites bearbeitet werden. Büchner-Verlag eG (Marburg) 2017. 174 Seiten. ISBN 978-3-941310-94-0. D: 20,00 EUR, A: 20,00 EUR.
Thema
Die Entwicklung sozialer Medien produziert neue Räume, die Jugendliche in vielfältiger Weise gestalten und nutzen – unter anderem auch als Konfliktarena. Auf Grund dessen werden soziale Medien im öffentlichen Diskurs, aber auch in Diskursen Sozialer Arbeit, stark problematisiert, wodurch nicht nur die Nutzung dieser Räume für Jugendliche beschränkt wird, sondern auch ihre Teilhabe am Diskurs darüber. Der Band geht deshalb der Frage nach, welche Bedeutung soziale Medien für die Jugendlichen selbst haben – welche Rolle sie in ihrem Alltag sowohl als Konfliktarena als auch als Ressource der Konfliktbearbeitung spielen.
Herausgeber*innen und Autor*innen
Die Herausgeber*innen Elke Schimpf und Johannes Stehr sind Professor*innen am Fachbereich Sozialarbeit/Sozialpädagogik der Evangelischen Hochschule Darmstadt. Sie leiteten dort ein Forschungsteam, deren Mitglieder die Autor*innen Thomas Dumke, Vandana Mosell und Aylin Turgay waren (sowie Jens Palkowitsch-Kühl, der als Autor jedoch nicht in Erscheinung tritt).
Entstehungshintergrund
Der Band entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Evangelischen Hochschule Darmstadt, das die Herausgeber*innen und Autor*innen zusammen von 2013 bis 2016 durchführten. Das Projekt wurde durch das Forschungszentrum der Evangelischen Hochschule Darmstadt und durch das Gender- und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen gFFZ finanziell gefördert.
Aufbau und Inhalt
Die Herausgeber*innen beginnen mit einer knappen Einleitung, in der sie das Thema einführen und die Beiträge skizzieren.
Der Band besteht aus sechs Kapiteln, wobei das Kapitel 1 die Forschungsperspektive vorstellt und die Kapitel 2-6 Ergebnisse des Forschungsprojekts präsentieren.
Im ersten Kapitel „Zur Genese und zum Design eines konfliktorientierten Forschungsprojektes“ beschreiben und begründen Elke Schimpf und Johannes Stehr theoretische und methodologisch-methodische Grundlagen des Forschungsprojekts und damit die empirische Grundlage des gesamten Bandes.
Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, Konflikte, die Jugendliche in sozialen Medien austragen, in ihrer Breite herauszuarbeiten, ebenso wie die Ressourcen und Strategien, auf die die Jugendlichen dabei zurückgreifen. Zentrale Perspektive dabei ist die Alltags- und Lebensweltorientierung, die kritisch geschärft wird. Deshalb führen die Autor*innen in die Konfliktperspektive ein, die als Forschungsperspektive die Möglichkeit eröffnet, Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu fokussieren, Jugendliche als „Konfliktsubjektive“ (16) zu sehen, die Alltagsperspektive einer institutionellen Perspektive auf Normalität und Abweichung gegenüberzustellen und so vom hegemonialen Diskurs abweichende Perspektiven in den Blick zu rücken. Als methodische Herausforderung wird auf dieser Grundlage thematisiert, „gesellschaftlich ausgeblendete, verdeckte und unterdrückte Perspektiven sichtbar zu machen“ (18).
Um dies zu ermöglichen, wurde die Datenerhebung durch Gruppendiskussionen realisiert, da in diesen Situationen hergestellt werden, in denen auf Grundlage von verschiedenen Perspektiven um Positionen gerungen wird. Probleme des Feldzugangs sowie dessen Realisierung werden kritisch reflektiert: Auf Grund von Zugangsproblemen zu offenen Einrichtungen der Jugendarbeit fand die Datenerhebung im schulischen Kontext statt. Insgesamt fanden drei Gruppendiskussionen in einem geschlechterreflexiven Erhebungsdesign statt. Die thematischen Schwerpunkte der Gruppendiskussionen werden transparent gemacht, und die Leitung der Gruppendiskussionen, theoretisch gefasst als „Arbeitsbündnisse“ (23), werden kritisch reflektiert in Hinblick auf deren Folgen für das Datenmaterial. So wird ein hohes Maß an Reflexivität im Forschungsprozess als zentral beschrieben, insbesondere um die Perspektivenvielfalt, die zu rekonstruieren Ziel der Forschung ist, sichtbar machen zu können – und zwar, indem versucht wird, „vorherrschende Normalitäts- und Ordnungsvorstellungen kritisch zu hinterfragen, vor allem aber auch danach zu schauen, wie die Jugendlichen dies selbst tun und welche (Diskurs-)Rahmungen ihnen dafür zur Verfügung stehen“ (26).
Im zweiten Kapitel „Eigensinnige Bearbeitungen hegemonialer Diskurse durch Jugendliche“ analysieren Elke Schimpf und Johannes Stehr soziale Medien als gesellschaftliches Konfliktfeld. Sie arbeiten die gesellschaftlichen Diskurse heraus, die soziale Medien als Gefahrenräume deklarieren und dafür Kontrollpraktiken entwickeln, und zeigen, wie Jugendliche mit diesen Diskursen umgehen:
- Der Diskurs über Cybermobbing ist durch Skandalisierung geprägt und als Ordnungsdiskurs zu verstehen. In Aufklärungs- und Präventionsprogrammen wird das Internet als gefährlicher Raum entworfen, in dem sich Jugendliche nicht ohne Schutz aufhalten sollten. Die Jugendlichen weisen diesen Diskurs zurück, indem sie ihm ihre Alltagsperspektive entgegensetzen, etwa eigene Strategien zur sicheren Nutzung des Internets.
- Der Diskurs über Sexualisierung (auch) des Internets spricht v.a. Mädchen und junge Frauen an, wobei oft eine Reduzierung auf Gefahren jugendlicher Nutzung stattfindet. Vor allem Mädchen diskutieren die Gefahren durch ‚Sexting‘, und zwar auf einer individuellen Ebene, ohne gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse und Normvorstellungen zu reflektieren. Vielmehr greifen sie selbst auf hegemoniale, heteronormative Vorstellungen von Geschlecht zurück. Präventionsprogramme zu ‚Sexting‘ greifen diese Problematik nicht auf, sondern verstärken diese durch das Aussprechen von Verhaltensnormen.
Im dritten Kapitel „Konfliktgegenstände, Konfliktstrategien und Ressourcen der Konfliktbearbeitung“ wenden sich Elke Schimpf und Johannes Stehr jugendlichen Alltagserfahrungen der Konfliktbearbeitung in sozialen Medien zu, wobei gesellschaftliche und institutionelle Rahmungen einbezogen werden. Das Kapitel gliedert sich in zwei Teile:
- Freundschaftskonflikte und wie sie bearbeitet werden: Im Zuge ihrer Nutzung sozialer Medien ist es den Jugendlichen wichtig, zu entscheiden, wem sie was mitteilen und zu wissen, mit wem sie kommunizieren. In diesem Kontext werden Freundschaftskonflikte als zentraler Konfliktgegenstand benannt, insbesondere gegenseitige Beleidigungen. Die Autor*innen arbeiten unterschiedliche Strategien der Jugendlichen im Umgang damit heraus, etwa andere zu blockieren, Demonstration von Zusammengehörigkeit oder Verknüpfung mit persönlicher Kommunikation. Konfliktbearbeitung in soziale Medien gestalten die Jugendlichen selbstständig, Dritte werden nur in Ausnahmefällen hinzugezogen.
- Konfliktverdeckungen und -enteignungen durch die Schule: Schule ist für die Jugendlichen nicht als Konfliktproduzentin erkennbar, vielmehr werden von der Schule produzierte Konflikte als Erwartungen an ‚normale‘ Schüler*innen verhandelt. Programme gegen Cyber-Mobbing entlasten Schule zusätzlich, da sie konfliktverdeckende Strukturen unterstützen. Strategien der Schule zur Bearbeitung des Cyber-Mobbing sind dem Diskurs entsprechend auf Täter*in-Opfer-Konstruktionen ausgerichtet und sanktionieren die Täter*innen-Seite. Diese Strategie machen sich Jugendliche mitunter auch zunutze, um eigene Interessen im Konflikt durchzusetzen.
Im Fazit des dritten Kapitels stellen Elke Schimpf und Johannes Stehr fest, dass soziale Medien ein zentraler Bestandteil der Lebenswelt von Jugendlichen sind. Sie sind als Ressource anzusehen, die zur Lebensbewältigung beiträgt und autonom genutzt und gestaltet wird. Zudem wird gezeigt, dass die im Forschungsprojekt gewählte Konfliktperspektive in der Forschung kaum eingenommen wird. Auch kritischere Ansätze gehen nicht so weit, eine diskurskritische Perspektive einzunehmen. Diese sehen die Autor*innen jedoch als zentral, um die im Kapitel dargestellten Problematiken des Diskurses aufzudecken und (auch in der Praxis Sozialer Arbeit) zu thematisieren.
Im vierten Kapitel „Formen der Konfliktbearbeitung, Konfliktverdeckungen und der Umgang mit Konfliktenteignungen“ rekonstruiert Thomas Dumke vor dem Hintergrund eines kritischen Alltagskonzepts pragmatische Strategien der Konfliktbewältigung der Jugendlichen, die als hybride, also online und offline praktizierte Strategien zu verstehen sind: etwa
- Bagatellisierung, die stark mit der Reproduktion des hegemonialen Geschlechterdiskurses verknüpft ist;
- Konfliktvermeidung, etwa durch Blockieren oder Arbeit mit unterschiedlichen Accounts;
- dyadische Konfliktaustragung, die mit Unterstützung durch Freunde einhergeht und (nur) in besonders bearbeitungsbedürftigen Konflikten gewählt wird;
- und Mobilisierung von Abhilfe-Institutionen, die aber auf Grund großer Gefahr der Konfliktenteignung ambivalent wahrgenommen wird.
Ob Schule hinzugezogen wird, hängt davon ab, inwieweit Jugendliche selbst in Konflikte involviert sind, da der Konflikt dann abgegeben wird und Jugendliche dadurch keinen Einfluss mehr auf Bearbeitungsformen haben. Der machtvolle Eingriff von Schule in die Lebenswelt der Jugendlichen kann als so selbstverständlich gelten, dass dieser von Jugendlichen sogar positiv affirmiert wird.
Machtstrukturen und darauf basierende Konflikte werden dadurch verdeckt, dass Schule als Konfliktakteurin nicht benannt wird, jedoch hohe Deutungsmacht besitzt. Exemplarisch wird gezeigt, dass sich Konflikte am Gegenstand der Schüler*innenrolle entzünden, Kritik am disziplinierenden System jedoch individualisiert wird als Kritik an der leistungsbereiten Schüler*in.
Ähnliches wird für hegemoniale Diskurse herausgearbeitet: Abweichungen von Normalität (hier Behinderung, aber auch nonkonformes Verhalten in sozialen Netzwerken) wird von den Jugendlichen pathologisiert und individualisiert, diskreditierte Jugendliche kämpfen um Anerkennung ihrer Differenz. Dabei bleiben strukturelle Hegemonien jedoch verdeckt.
Im Fazit des vierten Kapitels stellt Thomas Dumke unter anderem fest, dass sich im Datenmaterial keine Hinweise darauf finden, die Skandalisierung oder Ordnungs- und Kontrollabsichten rechtfertigen. Vielmehr stellen Konflikte eine Auseinandersetzung der Jugendlichen mit Normierungs- und Normalisierungsanforderungen dar, welche Soziale Arbeit besser als Möglichkeitsraum für kritische Bearbeitung nutzen sollte.
Im fünften Kapitel „Normvorstellungen, Moralisierungen und Positionierungen entlang von (intersektionalen) Differenzkategorien – eine Situationsanalyse“ stellt Aylin Turgay Forschungsergebnisse vor, die zeigen, welche Normvorstellungen in Konflikten zu Grunde liegen und wie sich Jugendliche darauf beziehen. Dabei nimmt sie die Diskurse in den Blick, die hinter diesen Normen stehen, und zeigt Strategien der Moralisierung auf, die zu einer Individualisierung und Verdeckung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen führen.
Dazu zeigt sie in einem ersten Schritt auf, welches Potenzial die Situationsanalyse nach Adele Clarke, eine Ergänzung zur Grounded Theory, für die kritische Betrachtung von Situationen hat. In einem zweiten Schritt zeigt sie, wie sie dies in der Schule umsetzt: Durch das Anfertigen von Situations-Maps öffnet sie den Blick für die Komplexität der Forschungssituation, durch das Erstellen von Maps von Sozialen Welten und Arenen zeigt sie, welche zentrale Rolle Schule als Konfliktarena hat, da sie großen Einfluss darauf nimmt, wie gesellschaftliche Differenzkategorien reproduziert und dadurch Handlungsmöglichkeiten von Schüler*innen strukturiert werden. In einem dritten Schritt stellt sie die aus der Situationsanalyse gewonnenen Ergebnisse vor,
- dass Geschlecht etwa in den Konflikten heteronormativ und patriarchalistisch verhandelt wird, und dass individualisierte Schuldzuweisungen getätigt werden, indem die Jugendlichen geschlechtsspezifisch moralisieren,
- dass Jugendliche nicht nur Kulturalisierungen reproduzieren, die Kulturen binär in ‚modern‘ und ‚rückständig‘ einteilen, (obwohl die Unterscheidungen, die sie tätigen, heteronormativ und nicht kulturell begründet sind,) sondern dass diese Kulturalisierungen auch in ihre Selbstbilder eingehen,
- dass Normalität entlang neoliberaler Anforderungen, v.a. von Eigenverantwortlichkeit, konstruiert wird, Abweichende diesbezüglich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Differenzkategorien identifiziert werden, und dabei die normierende Rolle von Schule weitgehend unsichtbar bleibt, obwohl sie durch Einnehmen der Mehrheitsperspektive nur bestimmten Erzählungen über Konflikte folgt und dadurch Konfliktbearbeitung machtvoll strukturiert.
Im Fazit des fünften Kapitels stellt Aylin Turgay u.a. heraus, dass die Ergebnisse eine Praxis Sozialer Arbeit sensibilisieren können, hegemoniale Zuschreibungen selbst nicht zu reproduzieren und Differenzordnungen sichtbar zu machen. Ebenso betont sie die Chancen der Situationsanalyse zur Herausarbeitung (auch) von nicht hegemonialen Perspektiven.
Im sechsten und letzten Kapitel „Irritationen hegemonialer Skripte“ arbeitet Vandana Mosell heraus, wie die Jugendlichen in den Gruppendiskussionen hegemoniale Skripte (re-)produzieren, aber auch, wo Irritationen oder Widersprüche auftreten. Dazu führt sie vorerst in das diskurstheoretisch fundierte Konzept der hegemonialen Skripte als Analysekategorie ein, um anschließend hegemoniale Skripte vorzustellen, die aus dem empirischen Material herausgearbeitet wurden: Skripte aus unterschiedlichen Gefahrendiskursen (etwa das Skript der Gefahr der Preisgabe persönlicher Details aus dem Cybermobbing-Diskurs oder das Skript der Opferwerdung im Netz durch eigenes Fehlverhalten aus dem Gewalt-gegen-Frauen-Diskurs) werden aufgezeigt. Dabei wird deutlich, dass diese durch hegemoniale Geschlechterdiskurse geprägt sind. Schließlich werden drei Kategorien der Irritation hegemonialer Skripte dargestellt:
- Ambivalenz: Jugendliche äußern Ambivalenzen gegenüber den Ordnungsdiskursen der Erwachsenen und erhalten sich Handlungsfähigkeit und Eigenständigkeit, indem sie widersprüchliche Positionen nicht vereindeutigen.
- Pragmatismus: Jugendliche gehen mit den Gefahren des Internets pragmatisch um. Sie erlangen im Netz trotz permanenter Gefahr Handlungsfähigkeit, indem sie in der unmittelbaren Lebenssituation alltagspraktische Lösungen finden (wie Fremde blockieren).
- Eigensinn: Jugendliche finden eigensinnige Formen, dem Normendruck hegemonialer Skripte zu widerstehen. So arbeiten sie sich in der Diskussion etwa in einem Wechsel zwischen Spiel und Ernst an Skripten der Gewaltfreiheit oder an Normen des Umgangs im Netz ab.
Im Fazit des sechsten Kapitels betont Vandana Mosell das kritisches Potenzial von Irritationen zur Offenlegung von gesellschaftlichen Konflikten und für soziale Veränderungen, sowohl für Praxis als auch für Forschung Sozialer Arbeit.
Diskussion
Obwohl mit dem beschriebenen Buch ein Sammelband vorliegt, liest es sich, was positiv zu bewerten ist, eher wie eine Monografie. Es gibt einen Beitrag zur gemeinsamen Forschungsperspektive, in den einzelnen Beiträgen werden unterschiedliche Teilfragestellungen aus dem Forschungsprojekt bearbeitet. Dadurch gelingt ein umfassender Blick auf die Thematik, auch verweisen die einzelnen Beiträge aufeinander und tragen dazu bei, dass der Band als rundes Gesamtwerk erscheint. Vor diesem Hintergrund fällt, mehr als es dies bei einem klassischen Sammelwerk tun würde, auf, dass ab und zu Doppelungen in der Beschreibung etwa der kritischen Forschungsperspektive oder des Zugangs zum Feld auftreten. Dies ermöglicht allerdings auch, die einzelnen Beiträge unabhängig voneinander zu lesen, da zentrale, grundlegende Klärungen immer auch in den einzelnen Beiträgen passieren. Da das Buch inhaltlich den Eindruck einer Monografie erweckt, wünscht sich die Leser*in unter Umständen ein gemeinsames Fazit, das eine kurze Zusammenschau der Ergebnisse leistet und die Bedeutung einer kritischen Perspektive auf Soziale Medien als Konfliktarena herausstellt.
Denn, das wird im Band auch benannt, die Konfliktperspektive, die im Forschungsprojekt gewählt wurde, ist aktuell noch eine eher randständige Perspektive, die auch in kritischen Ansätzen noch keine Verbreitung findet. Die Ergebnisse, die durch die auch diskurskritische Perspektive erzielt werden, sind deshalb von großer Bedeutung für die Soziale Arbeit in Forschung und Praxis. Denn in den einzelnen Beiträgen und den jeweiligen Fazits zeigt sich, dass der Anspruch, der im Band formuliert wird, erfüllt wird: Es gelingt, die Alltags- und Lebensweltorientierung kritisch zu schärfen, indem durch Verbindung des Fokus auf Lebenswelten der Jugendlichen und diskurskritische Perspektive hegemoniale Diskurse sowie deren Repräsentationen und Verdeckungen in den Diskussionen der Jugendlichen aufgedeckt werden, und auch randständige Perspektiven sichtbar werden. Dies wird unter anderem auch dadurch deutlich, welche Rolle Schule als Konfliktakteurin in der Ergebnispräsentation immer wieder zukommt, obwohl diese zu Beginn des Forschungsprojektes gar nicht vorgesehen war. Dadurch, dass Erhebungsort (ungeplant) eine Schule wurde, und dies kritisch reflektiert wurde, wurde diese als Konfliktakteur*in relevant und wird in den einzelnen Beiträgen immer wieder fokussiert.
Positiv zu bewerten ist zudem, dass die Ergebnisse der Studie immer empirisch begründet und durch Beispiele aus den Diskussionen der Jugendlichen veranschaulicht werden. Gleichzeitig werden die Ergebnisse ebenso in relevante theoretische Diskurse eingebunden, wie Forschungsperspektive und unterschiedliche Fokussierungen der Beiträge durch diese fundiert sind. So wird die Relevanz der erzielten Ergebnisse im wissenschaftlichen Diskurs deutlich, gleichzeitig drängt sich durch die Datenbeispiele eine Anknüpfung an (eigene) praktische Erfahrungen bzw. Herausforderungen in der Sozialen Arbeit auf.
Insgesamt liegt damit ein Band vor, der spannende Perspektiven auf die Konfliktbearbeitung von Jugendlichen im Netz eröffnet, und anregt, die eigene Praxis (ob in Praxis oder Forschung Sozialer Arbeit, aber auch in der Schule) zu reflektieren.
Fazit
Der Band versammelt Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt, das die Frage stellte, wie Jugendliche soziale Medien als Konfliktarena und als Ressource der Konfliktbearbeitung nutzen, und wie dies durch gesellschaftliche Diskurse bedingt ist. Durch die Alltags- und Lebensweltorientierung des Forschungsprojekts und die kritische, konfliktorientierte Forschungsstrategie werden Ergebnisse erzielt, die die hegemonialen Bilder vom Umgang Jugendlicher mit sozialen Medien ebenso irritieren wie allgemein verbreitete Handlungsoptionen von Sozialer Arbeit und Schule. Das Buch ist deshalb all denen zu empfehlen, die in Jugendhilfe und Schule tätig sind.
Rezension von
Prof. Dr. Ursula Unterkofler
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