Martin Fromm, Sarah Paschelke: Wissenschaftliches Denken und Arbeiten
Rezensiert von Prof. Dr. Johannes Emmerich, Kira Speckenwirth, 08.02.2018

Martin Fromm, Sarah Paschelke: Wissenschaftliches Denken und Arbeiten. Eine Einführung und Anleitung für pädagogische Studiengänge. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2017. 2. Auflage. 208 Seiten. ISBN 978-3-8309-3706-7. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR.
AutorInnen
Prof. Dr. phil. Martin Fromm leitet die Abteilung für Pädagogik an der Universität Stuttgart.
Dr. Sarah Paschelke ist als Wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie in der Beratung zum Bildungswissenschaftlichen Studium an der Universität Stuttgart tätig.
Aufbau und Inhalt
Das Einführungs- und Übungsbuch, erschienen in der zweiten aktualisierten Auflage, untergliedert sich in neun Kapitel, wobei Kapitel 1 bis 5 den Erläuterungsteil und Kapitel 7 bis 9 den Übungsteil des Buches bilden. Kapitel 6 fasst verwendete und empfohlene Literatur zusammen. Fromm und Paschelke bieten den LeserInnen drei Zugänge zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten, die den Kapiteln 3-5 zugeordnet werden können:
- Kontexte/Situationen (Kapitel 3)
- Arten des wissenschaftlichen Arbeitens (Kapitel 4)
- Konkrete Verfahrensweisen des wissenschaftlichen Arbeitens (Kapitel 5)
Vorweg erläutert Kapitel 2 wissenschaftstheoretische Grundlagen sowie die Unterscheidung zwischen Erziehungswissenschaft und Pädagogik.
Im dritten Kapitel folgt eine knappe Auseinandersetzung mit der Frage, zu welchem „Verwendungszweck“ wissenschaftliches Arbeiten im Studium eingesetzt wird. Hierzu zählen Fromm und Paschelke: Referat/Präsentation, Praktikum, Hausarbeit/Examensarbeit und Prüfung.
Ihren zweiten Zugang „Arten des wissenschaftlichen Arbeitens“ erläutern Fromm und Paschelke im vierten Kapitel „Formen wissenschaftlichen Arbeitens“. Hier werden die üblichen „Aufgaben“ einer wissenschaftlichen Arbeit geschildert: Recherchieren, Themenfindung/-eingrenzung, Schreiben und Präsentieren. Der Schwerpunkt des Kapitels liegt auf der Themenfindung/-eingrenzung.
Im fünften Kapitel „Verfahrensweisen wissenschaftlichen Arbeitens“ gehen Fromm und Paschelke auf „handwerkliche Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens“ ein. Hier schildern sie die üblichen Arbeitsschritte wissenschaftlichen Arbeitens (Literaturrecherche, Begriffsklärung, Strukturierung von Texten bis hin zu Zitieren und Layout). Das fünfte Kapitel bildet mit zahlreichen Beispielen und Abbildungen das umfangreichste Kapitel des Buches. Eine Schwerpunktsetzung ist die Auseinandersetzung mit Begriffs- und Satzarten und deren Prüfung.
In Kapitel 6 „Literatur“ wird zunächst die verwendete Literatur abgebildet. Anschließend werden Literaturempfehlungen gegeben.
Mit Kapitel 7 beginnt der Übungsteil des Buches, wobei der Schwerpunkt auf „Selbstmanagement“ nach dem „Premack-Prinzip“ liegt. Außerdem werden in diesem Kapitel Materialien (zum Beispiel Checklisten, Tabellen, Textbeispiele) zu folgenden Themen zur Verfügung gestellt: Prüffragen an Texte, Überleitungsbegriffe, Textbeispiel aus einer Zwischenprüfungsarbeit, Definitionsbeispiele und Texte beurteilen.
In Kapitel 8 und 9 werden schließlich zahlreiche Übungen mit Lösungen zur Vertiefung der im Buch behandelten Inhalte angeboten.
Diskussion
Fromm und Paschelke legen mit ihrer Einführung in das wissenschaftliche Denken und Arbeiten eine gut lesbare und in weiten Teilen verständliche Anleitung vor. Zahlreiche Beispiele guter und vor allem weniger guter wissenschaftlicher Praxis schaffen ein hohes Maß an Anschaulichkeit. Gleichzeitig halten die AutorInnen Bezug zu den alltäglichen Herausforderungen des Studiums. Die einzelnen Kapitel können unabhängig voneinander gelesen werden, somit eignet sich das Buch auch als Nachschlagewerk. Der umfangreiche Übungsteil unterstützt die eigenständige Aneignung der Grundfertigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens.
Diesen unbestreitbaren Vorzügen des Buches stehen allerdings einige gewichtige Kritikpunkte gegenüber. Es muss zunächst einmal infrage gestellt werden, ob das Buch für die explizit angesprochene Zielgruppe „Studienanfänger“ geeignet ist. Manche ironischen Passagen (bspw. S. 39) sowie eine Reihe von Fachbegriffen sind ohne gewisse Vorkenntnisse über wissenschaftliche Praxis schwer verständlich. Begriffe wie „Peer-Review“, „Redundanz“, „Sekundärliteratur“, „Empirie“ werden nicht erläutert, obwohl sie erfahrungsgemäß vielen StudienanfängerInnen nicht geläufig sind. Viele LeserInnen der anvisierten Zielgruppe werden daher auf zusätzliche Studienratgeber zurückgreifen müssen.
Ziel des Buches ist es, den Studierenden die aktive Aneignung des Wissens über wissenschaftliches Arbeiten zu ermöglichen (das Titelelement „Denken“ wird in der Einleitung nicht mehr aufgegriffen). Die Aktivität umfasst dann schwerpunktmäßig die kritische Auseinandersetzung mit fremdem Textmaterial: Ausgewählte Text- und Gliederungsbeispiele sollen auf Basis bestimmter Kriterienkataloge auf ihre wissenschaftliche Qualität hin geprüft werden. Es geht also überwiegend darum, bestehende Gliederungen, Texte, Definitionen etc. zu vergleichen und zu beurteilen. Wie eine eigene wissenschaftliche Arbeit entwickelt und gestaltet werden kann, wird deutlich seltener thematisiert. Es gibt sicherlich gute Gründe, die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens auf diese Weise zu vermitteln. Allerdings wäre es zum einen wünschenswert gewesen, die Vorgehensweise den LeserInnen deutlicher anzukündigen. Zum anderen muss die Umsetzung durch Fromm und Paschelke an einigen Stellen hinterfragt werden: Die zahlreichen Beispiele sind überwiegend Belege für fehlerhaftes wissenschaftliches Arbeiten bzw. Texte, die gar keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben. Es ist jedoch fragwürdig, ob man die Fähigkeit, gut wissenschaftlich arbeiten zu können am besten durch die Lektüre von Beispielen entwickelt, die zeigen, wie man es nicht machen sollte. Hier wäre etwas mehr Ausgewogenheit wünschenswert gewesen. Infrage gestellt werden muss auch, ob Fromm und Paschelke sich selber konsequent an die von ihnen aufgestellten Listen guter wissenschaftlicher Praxis halten. Ohne Zweifel darf sich eine Einführung zum Zwecke der Anschaulichkeit und Verständlichkeit hinsichtlich Stilistik, Wortwahl und Wissenschaftlichkeit etwas mehr Freiheiten erlauben als etwa ein Fachaufsatz. Wertfreiheit und Sachlichkeit sind jedoch Anforderungen, die auch ein Einführungswerk unbedingt auszeichnen sollten, hier aber stellenweise nicht eingehalten werden (S. 11, 59, 96, 102, 118 f., 141). Gleiches gilt für das Kriterium begriffliche Klarheit und Stringenz: Während die AutorInnen zum Beispiel in der Einleitung von „Arten wissenschaftlichen Arbeitens“ sprechen, verwenden sie im Fließtext die Begriffe „Verfahren“ oder „Aufgaben“. Unklar bleibt auch, was Fromm und Paschelke unter dem Begriff „Prüfung“ verstehen, denn gemäß ihrer Kapitelstruktur werden etwa Hausarbeiten oder Referate nicht unter diesem Begriff subsumiert. Uneinheitlich ist das Buch im Hinblick auf geschlechtergerechte Sprache: Zumeist – aber eben nicht durchgehend – wird das generische Maskulinum verwendet.
Die Inhalte der Einführung sind zum Teil unausgewogen. Während bestimmte Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens sehr detailliert geschildert werden, gehen die AutorInnen auf andere, durchaus wichtige, Formen und Arbeitsschritte vergleichsweise oberflächlich ein. Auf lediglich vier Seiten werden im Kapitel „Verwendungszwecke“ die Schreibkontexte Referat, Praktikum, Hausarbeit, Prüfung dargestellt (der Verwendungszweck Bachelor-/Masterarbeit wird an dieser Stelle ignoriert). Die doppelte Anzahl an Seiten widmen die AutorInnen hingegen der Unterscheidung zwischen Pädagogik und Erziehungswissenschaft. Es ist fraglich, ob diese Diskussion in dem Umfang Bestandteil einer Einführung in das wissenschaftliche Denken und Arbeiten sein muss. Ebenfalls sehr ausführlich behandeln die AutorInnen die Herausforderung, verschiedene Begriffs- und Satzarten zu unterscheiden und Aussagen zu prüfen. An dieser Stelle wird das Buch sehr speziell und anspruchsvoll. Die für viele Studierende gerade zu Studienbeginn wichtige Frage, wie man Literatur korrekt zitiert und ein Quellenverzeichnis anlegt, wird hingegen recht knapp behandelt. Auf das Problem Plagiate wird nicht eingegangen. Auch ein Beispiel für ein gelungenes Fazit fehlt.
Weiterhin finden sich im Buch einige kritikwürdige Behauptungen und Passagen, die Studierende verwirren können. Hinterfragt werden muss zum Beispiel die nicht trennscharfe und in Teilen pauschalisierende Unterscheidung verschiedener Textsorten in Kapitel 5.1. Dissertationen und Fachaufsätzen wird hier zum Beispiel unterstellt, sie seien selbst für „Fachwissenschaftler häufig nicht mehr verständlich“ (S. 43). Diese diskussionswürdige Aussage trägt nicht dazu bei, Studierende zur Auseinandersetzung mit anspruchsvolleren Textgattungen zu motivieren. In ihren Erläuterungen zu den Anforderungen an eine Begriffsdefinition schreiben Fromm und Paschelke, dass ein hinreichendes Verständnis „oft leider nicht zu erreichen ist“ (S. 53). Was das genau bedeutet und wie Studierende damit umgehen können, wird nicht erwähnt und erschließt sich auch nicht aus dem Übungsteil. Darin werden die LeserInnen dann u.a. aufgefordert, einen Definitionsvorschlag und Beispiele für den Begriff „Maria Montessori“ zu geben (S. 143). Schließlich könnte Studierende die Auflistung der Anforderungen an Umfang und Form schriftlicher Qualifikationsarbeiten verwirren, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit an ihren Fachbereichen andere Bestimmungen vorfinden.
Fazit
Die Einführung ist für StudienanfängerInnen pädagogischer Studiengänge, die bereits erste Kontakte mit wissenschaftlicher Praxis hatten, eine hilfreiche Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten. Kritisiert werden kann unter anderem eine gewisse Unausgewogenheit in Bezug auf die Auswahl der Beispiele (es überwiegen Negativbeispiele) und der Inhalte (einige Themen werden sehr ausführlich besprochen, andere nur kurz angerissen). Fromm und Paschelke präsentieren eine Reihe von Checklisten und Anleitungen zur Prüfung der Qualität wissenschaftlicher Texte, die Studierenden als Lineal für eigene Schreibarbeiten zu empfehlen sind. Bemängelt werden kann, dass die AutorInnen diese Kriterien selber nicht stringent einhalten.
Rezension von
Prof. Dr. Johannes Emmerich
Professor für Grundlagen der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungskonzepte
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Kira Speckenwirth
M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, SRH Hochschule Hamm, Studiengang Soziale Arbeit
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