Claudia Lampert, Michael Grimm (Hrsg.): Gesundheitskommunikation als transdisziplinäres Forschungsfeld
Rezensiert von Thomas Reinhardt, 30.04.2018

Claudia Lampert, Michael Grimm (Hrsg.): Gesundheitskommunikation als transdisziplinäres Forschungsfeld.
Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2017.
252 Seiten.
ISBN 978-3-8487-4266-0.
49,00 EUR.
Gesundheitskommunikation, Band 17.
Thema
Der Band untersucht Möglichkeiten der Kooperation zwischen Theorie und Praxis im Feld der Gesundheitskommunikation mit dem Ziel, die „disziplinäre Ordnung wissenschaftlichen Wissens“ zu überschreiten um Potenziale und Herausforderungen der transdisziplinären Forschung zu identifizieren. Im Zentrum der Gesundheitskommunikation stehen dabei meist „lebensweltliche Probleme“ (siehe Seite 5).
Entstehungshintergrund
Beim besprochenen Buch handelt es sich um den Band 17 der von Frau Prof. Dr. Constanze Rossmann herausgegebenen Reihe „Gesundheitskommunikation“. Diese Reihe setzt seit Band 14 die von Prof. Patrick Rössler verantworte Reihe „Medien + Gesundheit“ fort. Im vorliegenden Band werden die Beiträge der 1. Jahrestagung der Fachgruppe Gesundheitskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK),die vom 24. bis 25. November 2016 in Hamburg stattfand, publiziert.
Herausgebende, Autorinnen und Autoren
Dieser Band wird von Dr. Claudia Lampert und Michael Grimm vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg herausgegeben. Der Band schliesst mit Angaben incl. E-Mailadresse zu den 50 Autorinnen und Autoren der Beiträge.
Aufbau
Im Band werden auf 252 Seiten 18 Studien vorgestellt. Ausser dem ersten Beitrag, der in Englisch verfasst ist, sind alle auf Deutsch. Die Studien sind in fünf Teilbereiche gegliedert:
- Transdisziplinarität in der Gesundheitskommunikation
- Analyse gesundheitsbezogener Medienangebote
- Perspektiven auf gesundheitsbezogene Mediennutzung
- Aspekte strategischer Gesundheitskommunikation
- Untersuchung medizinischer Entscheidungsprozesse
Die Beiträge enden jeweils mit einem Literaturverzeichnis zu den einzelnen Studien.
Ausgewählte Inhalte
Im ersten, auf Englisch verfassten Beitrag, zeigt der Autor PhD Gary L.Kreps der George Mason Universitiy in Fairfax, USA die Reichweite der Gesundheitskommunikation, deren mächtigen Einfluss auf Wohlbefinden und Kranksein und die Notwendigkeit zukünftiger Evidence basierter Gesundheitskommunikation auf, die eine transdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert.
Im Folgenden liste ich einige der „lebensweltlichen“ Themen auf, die Gegenstand der Untersuchungen zur Gesundheitskommunikation waren.
Ausgehend von der Position: „Gesundheitskommunikation ist ein wichtiger Aspekt der Gesundheitsversorgung“ (siehe Seite 35) geht der dritte Beitrag im ersten Teil der Frage nach, welchen Mehrwert durch eine transdisziplinäre Gesundheitskommunikation in Bereichen mit medizinischer Unsicherheit geschaffen werden kann und stellt ein Projekt zur Wissensvermittlung im Bereich Komplementärmedizin in der Onkologie vor. Die Bedeutung dieser Fragestellung wird durch die Tatsache untermauert, dass ca. 40 % der Krebspatientinnen und -patienten im Verlauf ihrer Erkrankung komplementärmedizinische Angebote nutzen. Es folgt die Projektbeschreibung. Die Studie postuliert auf Grund der gemachten Erfahrungen: „Die transdisziplinäre Herangehensweise erforderte insbesondere für die beteiligten Kommunikationswissenschaftler einen Orientierungs- und Verständigungsprozess über ein – auch innerhalb der Medizin – intensiv diskutiertes Themenfeld.“ (Seite 43).
Untersuchte Themenbereich der Analyse gesundheitsbezogener Medienangebote sind Qualitätsaspekte der Presseberichterstattung zur Brustkrebsfrüherkennung und die Bedeutung von „Narrativen als Schnittstellenkonzept für die Visuelle Gesundheitskommunikation“. Damit gemeint ist zunächst die Darstellung unterschiedlicher Erzählformen und die Bedeutung, Inhalte visuell zu übermitteln, wie es bereits bei den Höhlenmalereien versucht wurde, wie eingangs erwähnt wird. Solche Narrative können sowohl als Schnittstelle bei unterschiedlichen Wissensvoraussetzungen als auch zur Darstellung komplexer Wissensbestände genutzt werden und die Autoren betonen: „Der konkrete Alltagsbezug des Narrativ-Konzepts durch die Alltäglichkeit von Geschichten ermöglicht damit eine enge Anbindung an lebensweltliche Probleme.“ (Seite 72).
Praxisrelevant ist der dritte Abschnitt, der u.a. folgende Themenbereiche behandelt:
- Welche Vertrauensprofile im Zusammenhang mit der Nutzung von Online-Communities im Kontext von Schwangerschaft sind erkennbar?
- Können temporale Suchmuster von Google einen Beitrag zur Suizidprävention leisten? Dabei wird ein Präventionsansatz genutzt der mithilfe von algorithmusbasiertem Monitoring suizidbezogener Suchanfragen Suizide verhindert, indem vulnerable Individuen identifiziert und ihnen Hilfsangebote präsentiert werden können.
- Welchen Einfluss hat die Zielvorgabefunktion von Fitnessarmbänder auf die Motivation sich im Alltag mehr zu bewegen?
Weitere Studien gehen dem Informationssuchverhalten z.B. von Angehörigen von Personen, die an einer Depression erkrankt sind, nach.
Eine Studie in „Aspekte strategischer Gesundheitskommunikation“ befasst sich mit den Unterschieden von „Narrativen“ und von „Fallbeispielen“ als Transformationsmedien gesundheitskommunikativer Inhalte am Beispiel von Erklärungsvideos zur Antibiotikaresistenz.
Warnhinweise auf Zigarettenpackungen können das Gegenteil bewirken, was sie bezwecken: Raucherinnen und Raucher können mit einer Ablehnung auf Präventionskampagnen reagieren, wenn sie sich durch die Warnhinweise in ihrer persönlichen Freiheit bedroht fühlen. Mit diesem Thema befasst sich die Studie „Zur Wirkung unterschiedlicher Warnhinweis-Formulierungen auf Zigarettenpackungen“. Die zentrale Frage ist, welche Botschaftsmerkmale das Ziel einer Kampagne begünstigen und der bisherige Stand der Forschung wird zitiert: „In der bisherigen Forschung konnte gezeigt werden, dass implizite Werbebotschaften, also persuasive Inhalte, die keine explizite Schlussfolgerung ziehen, besser aus dem Gedächtnis abgerufen werden können und sich darum stärker in summarischen Urteilen niederschlagen als explizite Werbebotschaften.“ (siehe Seite 177). Im Rahmen eines online Experiments wurden insgesamt 95 Raucherinnen und Raucher von der Universität Zürich befragt und die Studie zeigt, „dass bei Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen Frageformulierungen von Rauchenden aufmerksamer verarbeitet und damit auch besser erinnert werden als Aussageformulierungen.“
In einer weiteren Studie wird der Frage nachgegangen, ob Humor in Gesundheitsspots auf die Redebereitschaft über sexuell übertragbare Krankheiten wirkt.
Der fünfte und letzte Abschnitt über die Untersuchung medizinischer Entscheidungsprozesse beinhaltet drei Studien, die sich mit dem Health Belief Model im Zusammenhang mit dem Mammografie-Screening befasst, das Selbst- und Fremdbild von Ärztinnen und Ärzten bezüglich ihres Einflusses zur Auswahl von Rehakliniken und schliesslich untersucht die letzte Studie die triadische Kommunikation zum Einbezug von Angehörigen in die psychotherapeutische Depressionsbehandlung.
Diskussion und Fazit
Der Band bietet eine gute Übersicht über die Chancen die eine transdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitskommunikation eröffnet. Die Auswahl der Themen illustriert auf eine gute Weise, wie praxisbezogen Gesundheitskommunikation ist. Er ist freilich ein „Kongressband“, der die Abstracts der 1. Jahrestagung der Fachgruppe Gesundheitskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft versammelt. Durch die systematische Darstellung der Forschungsfragen, des Studiendesigns und schliesslich dem Literaturverzeichnis bietet er jedoch eine gute Grundlage, die das state of the art Wissen zur Gesundheitskommunikation zusammenfasst. Damit handelt es sich um ein Nachschlagewerk, das nicht so schnell den aktuellen Bezug verlieren wird.
Rezension von
Thomas Reinhardt
Diplomierter Berater für Organisationsentwicklung. Arbeitet als interner Coach im Universitätsspital Basel und freiberuflich in den Bereichen Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement, Konfliktmoderation, Coaching für Führungsverantwortliche, Teamentwicklung und Supervision. Schwerpunkte: Gesundheit und Führung, Change Management, Leadership, Kommunikation, Psychohygiene und Glück.
Website
Mailformular
Es gibt 28 Rezensionen von Thomas Reinhardt.
Zitiervorschlag
Thomas Reinhardt. Rezension vom 30.04.2018 zu:
Claudia Lampert, Michael Grimm (Hrsg.): Gesundheitskommunikation als transdisziplinäres Forschungsfeld. Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2017.
ISBN 978-3-8487-4266-0.
Gesundheitskommunikation, Band 17.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23715.php, Datum des Zugriffs 24.09.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.