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Johannes Schilling, Sebastian Klus: Soziale Arbeit. Geschichte, Theorie, Profession

Rezensiert von Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens, 31.07.2018

Cover Johannes Schilling, Sebastian Klus: Soziale Arbeit. Geschichte, Theorie, Profession ISBN 978-3-8252-8729-0

Johannes Schilling, Sebastian Klus: Soziale Arbeit. Geschichte, Theorie, Profession. UTB (Stuttgart) 2017. 256 Seiten. ISBN 978-3-8252-8729-0. D: 29,99 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 37,50 sFr.

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Entstehungshintergrund

Das vorliegende Buch ist als Band 1 der „Studienbücher für soziale Berufe“, herausgegeben von Roland Merten und Cornelia Schweppe, als UTB-Buch Nr. 8304 erschienen. Es ist die nunmehr 7. Auflage, deren erste vier von Johannes Schilling alleine gestaltet wurden. Mit der 5. Auflage von 2013 ging in Kooperation mit Susanne Zeller eine erste Überarbeitung einher (vgl. die Rezension www.socialnet.de/rezensionen/15813.php); Susanne Zeller war bis 2014 Professorin für Theorie, Ethik und Geschichte Sozialer Arbeit an der Fachhochschule Erfurt.

Eine zweite und tiefer greifende Überarbeitung kam mit der 6. Auflage von 2015 (vgl. die Rezension www.socialnet.de/rezensionen/20218.php), als Sebastian Klus an die Stelle von Susanne Zeller trat.

Der Aufbau des Buches ist seit der angeführten 5. Auflage der gleiche, größere Veränderungen im Inhalt („vollständig überarbeitete Auflage“) traten zwischen der 5. und 6. ein, gegenüber der die hier betrachtete neuste Auflage nur wenige und in der Sache doch unbedeutsame Änderungen aufweist.

Autoren

Johannes Schilling, Jg. 1940, Dr. rer.soc., über dessen Vita wenig zu ermitteln ist, lehrte bis zu seiner Pensionierung 2005 im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaft der Fachhochschule Düsseldorf; Arbeitsschwerpunkte: Jugendarbeit, Freizeitpädagogik sowie Didaktik und Methodik der Sozialen Arbeit. Bekannt geworden ist er mit seinem mehrfach aufgelegten Buch „Methodik sozialer Arbeit. Grundlagen und Konzepte“ (mit 5 Tabellen und 153 Lernfragen. Stuttgart: UTB, 6. Aufl., 2013; vgl. die Rezension www.socialnet.de/rezensionen/15088.php).

Sebastian Klus, Jg. 1980, hat an der Evangelischen Hochschule Freiburg Soziale Arbeit studiert, wurde 2013 in Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert und ist seit 2014 Professor für Soziale Arbeit und Politik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Villingen-Schwenningen. Seine Interessen und Arbeitsgebiete sind: Soziale Stadtentwicklung, Wohnungspolitik, Armut und soziale Ausgrenzung, Sozialraumorientierte Ansätze Sozialer Arbeit, Politisches Handeln in der Sozialen Arbeit, Professionalisierung und Professionalität Sozialer Arbeit.

Die Autoren sind hinsichtlich Alter, professionellem Werdegang, Lehr- und Forschungsgebieten recht verschieden, aber sie wohnen, und das ist für eine enge Kooperation von Vorteil, nahe beieinander. Johannes Schilling lebt nämlich seit geraumer Zeit in Donaueschingen – knapp 20 Kilometer von Villingen-Schwenningen entfernt.

Zielgruppen

Die Autoren benennen (auf S. 12) vier Zielgruppen ihres Buches:

  1. in der Sozialen Arbeit Tätige,
  2. an der Sozialen Arbeit interessierte „Externe“,
  3. Lehrende sowie
  4. (angehende) Studierende der Sozialen Arbeit.

Den letzten gilt, und damit ist das vorliegende Werk vor allem als Studienbuch zu betrachten, besondere Aufmerksamkeit: „Wer das Fachgebiet Soziale Arbeit studiert oder studieren möchte, für den soll dies in erster Linie ein Einführungs- und Lehrbuch sein. Studierende erwarten als Einstieg sicher keine großen theoretischen Abhandlungen, sondern eine für sie in Sprache und Form verständliche Einführung in das von ihnen studierte Berufsfeld. Den Studierenden soll das Buch einen Überblick geben über die Inhalte ihres Studienfaches.“ (S. 12)

Thema

Ist damit die Vorstellung erweckt und genährt, das Buch werde ins Ganze der Sozialen Arbeit einführen, so wird diese Vorstellung kurz später doch arg zurechtgestutzt: „Bei allen Wünschen und Erwartungen an dieses Buch möchten wir in Erinnerung bringen, worum es uns geht: Wir möchten vor allem den geschichtlichen Hintergrund Sozialer Arbeit herausarbeiten und die Studierenden für die Geschichte der Sozialen Arbeit sensibilisieren.“ (S. 12) Aber auch das ist nicht das letzte Wort. Kurz danach findet sich die Formulierung: „Wir hoffen, dass dieses Buch auch weiterhin interessierten LeserInnen eine gute Einführung in die Thematik der Sozialen Arbeit sein kann…“ (S. 13) Hier also wieder der – zumindest implizite – Anspruch, einen Blick aufs Ganze der Sozialen Arbeit zu bieten. Ja was nun?

Eines ist das Werk jedenfalls: ein Studienbuch. Es ist (seit der 5. Auflage) durch viele und vielfältige Textgestaltungsmerkmale gut lesbar gemacht und Studierende können ihren Wissensstand anhand von Lernfragen, für die auch Antworten zur Verfügung stehen, überprüfen. Diesem formalen Aspekt des Buches messe ich noch mehr Bedeutung zu als die Rezensent(inn)en der 5. bzw. 6. Auflage. Aus zwei Gründen: Zum einen haben heutige Studierende auch aus „bildungsnahem“ Elternhaus weitaus weniger Kompetenzen, die für Lernen durch das Lesen umfangreicher Texte traditionellen Art nötig sind. Noch geringer sind solche Kompetenzen bei Studierenden aus „bildungsfernen“ Familien; und aus dem stammt die Mehrzahl der Studentinnen und Studenten der Sozialen Arbeit (Heekerens, 2018).

Aufbau und Inhalt

Das Buch behandelt in den ersten drei seiner sieben Kapitel die Entstehungsgeschichte der noch recht jungen Disziplin und Profession „Soziale Arbeit“ (3.) mit Rückblick auf den deutschen Teil (der angelsächsische fehlt) der Geschichte der Sozialarbeit (1.) und die Historie der deutschen Sozialpädagogik (2.). Die beiden nachfolgenden Kapitel widmen sich Theorie-Modellen der Sozialen Arbeit (4.) sowie deren Ziele und Methoden (5.). Anschließend werden Studium, Berufsfelder und Profession (nicht aber die Disziplin Soziale Arbeit) betrachtet (6.), bevor im 7. und Schlusskapitel mit Antworten auf die Frage „Was heißt Soziale Arbeit?“ gleichsam eine Bilanz gezogen wird.

Das mag an dieser Stelle genügen. Wer einen vertieften Einblick auf den Inhalt wünscht, sei verwiesen auf die Darstellung in der o.g. Rezension der 6. Auflage (www.socialnet.de/rezensionen/20218.php), die auch für die 7. Gültigkeit hat.

Diskussion

Dort werden auch einige berechtigte kritische Anfragen an das Buch gestellt, denen hier nur drei angefügt seien.

  1. Die erste betrifft der fehlende Blick auf die Entwicklung der Sozialarbeit im angelsächsischen Raum. Wir können die Entwicklung der Sozialen Einzelfallhilfe, der psychosozialen Beratung und der Klinischen Sozialarbeit in (West-)Deutschland seit Ende des 2. Weltkriegs und die hierzulande seither bestehende Wertschätzung psychotherapeutischer Handlungsansätze durch Soziale Arbeiter(innen) nicht verstehen, ohne zu wissen, dass in den USA der Zwischenkriegszeit die dortige Sozialarbeit starke Impulse von der sich entwickelnden Psychotherapie erhielt, die zur Entstehung der „diagnostischen“ und „funktionalen Schule“ des Social Case Work führten, deren Ansätze nach dem Kriegsende in (West-)Deutschland importiert wurden (ausf. Heekerens, 2016).
  2. Als zweites vermisse ich im vorliegenden Buch die Berücksichtigung der schon 2016 als Doppelband erschienen neusten Auflage der „Geschichte der Sozialen Arbeit“ von Wolf Rainer Wendt (2016a, vgl. die Rezension www.socialnet.de/rezensionen/21897.php und 2016b, vgl. die Rezension www.socialnet.de/rezensionen/21898.php). Die Gewinnung der historischen Identität der Sozialen Arbeit, darin stimme ich den beiden Autoren des vorliegenden Buches zu, ist unverzichtbar. Aber dann führt an Wolf Rainer Wendts „Geschichte der Sozialen Arbeit“ in ihrer jüngsten Fassung kein Weg vorbei. Keine andere „Geschichte der Sozialen Arbeit“ ist so sehr an der Gewinnung einer historischen Identität der Sozialen Arbeit interessiert und kein anderer Verfasser einer „Geschichte der Sozialen Arbeit“ hat so sehr wie er seit Mitte der 1980er aktiv und erfolgreich daran mitgearbeitet, dass hierzulande aus Sozialarbeit und Sozialpädagogik, früher durch das Unwort „Sozialwesen“ mehr zusammengehalten als inhaltlich und strukturell verknüpft, die „Soziale Arbeit“ entstand. Die im vorliegenden Buch berücksichtigte Auflage von Wolf Rainer Wendts „Geschichte der Sozialen Arbeit“ (Stuttgart: Enke) erschien 1985 – vor der Entstehung der deutschen Sozialen Arbeit.
  3. Meine dritte Anmerkung zum vorliegenden Buch möchte ich mehr noch als die beiden ersten als Anregung für die Weiterentwicklung des Buches verstanden wissen. Das Buch zeichnet eine gewisse Unentschlossenheit aus. Es ist keineswegs eine weitere, etwas amgereicherte „Geschichte der Sozialen Arbeit“, aber, nicht zuletzt wegen des hohen Geschichtsanteils, auch keine überzeugende „Einführung in die Soziale Arbeit“, für die Peter Erath und Kerstin Balkow 2016 mit „Einführung in die Soziale Arbeit“ (Stuttgart: Kohlhammer; vgl. die Rezension) Maßstäbe gesetzt haben. Was der Sozialen Arbeit derzeit fehlt ist ein „Lehrbuch der Sozialen Arbeit“, das dem Entwicklungsstand von Disziplin und Profession angemessen ist und den für ein „Lehrbuch“ üblichen Standards der Sozialwissenschaften entspricht. Peter-Ulrich Wendts „Lehrbuch Soziale Arbeit“ (Weinheim-Basel: Beltz Juventa, 2018; Rezension in Arbeit) erfüllt beide Kriterien nicht. „Lehrbuch der Sozialen Arbeit“, das ist eine herausfordernde Entwicklungsoption für das hier betrachtete Werk; es gewönne damit eine klare Kontur, die man bislang vermisst.

Fazit

Das vorliegende Buch ist der Sache nach eine gute Orientierungshilfe auf dem Terrain „Soziale Arbeit“ und wegen seiner Textgestaltung in Verbindung mit Lernfortschrittskontrollen ein vorbildliches „Studienbuch“. Ein ausgezeichnetes Lehr-Lern-Material für die ersten Semester des Studiums Soziale Arbeit.

Literatur

  • Heekerens, H.-P. (2016). Die Funktionale Schule des Social Case Work – ein Versuch, sie zu verstehen. In H.-P. Heekerens, Psychotherapie und Soziale Arbeit. Studien zu einer wechselvollen Beziehungsgeschichte (S. 48-76). 2016. Coburg: ZKS-Verlag (als pdf-Datei online verfügbar unter https://zks-verlag.de/; letzter Aufruf am 18.7.2018).
  • Heekerens, H.-P. (2018). Hochschulzugang und soziale Ungleichheit in Deutschland heute. socialnet Materialien (www.socialnet.de/materialien/28150.php).
  • Wendt, W.R. (2016a). Geschichte der Sozialen Arbeit 1. Die Gesellschaft vor der sozialen Frage 1750 bis 1900 (6., überarbeitete und erweiterte Auflage). Wiesbaden: Springer Fachmedien (socialnet-Rezension: www.socialnet.de/rezensionen/21897.php).
  • Wendt, W.R. (2016b). Geschichte der Sozialen Arbeit 2. Die Profession im Wandel ihrer Verhältnisse (2., überarbeitete und erweiterte Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien (socialnet-Rezension: www.socialnet.de/rezensionen/21898.php).

Rezension von
Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens
Hochschullehrer i.R. für Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Pädagogik an der Hochschule München
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Es gibt 174 Rezensionen von Hans-Peter Heekerens.

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Zitiervorschlag
Hans-Peter Heekerens. Rezension vom 31.07.2018 zu: Johannes Schilling, Sebastian Klus: Soziale Arbeit. Geschichte, Theorie, Profession. UTB (Stuttgart) 2017. ISBN 978-3-8252-8729-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23788.php, Datum des Zugriffs 04.06.2023.


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