Ali Kemal Gün: Interkulturelle therapeutische Kompetenz
Rezensiert von Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen, 04.01.2018

Ali Kemal Gün: Interkulturelle therapeutische Kompetenz. Möglichkeiten und Grenzen therapeutischen Handelns. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2017. 240 Seiten. ISBN 978-3-17-030659-2. D: 39,00 EUR, A: 40,10 EUR.
Autor
Dr. Ali Kemal Gün ist als psychologischer Psychotherapeut, Lehrbeauftragter, Fachbuchautor und Integrationsbeauftragter im Rheinland tätig. Unter anderem ist er Mitglied des Integrationsgipfels im Bundeskanzleramt. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich interreligiöse und interkulturelle Kompetenz und interkulturelle Öffnung.
Entstehungshintergrund
Auf dem Hintergrund der demografischen Zusammensetzung und Entwicklung der Bevölkerung wird deutlich, dass Deutschland von einer multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Vielfalt geprägt ist, die in Zukunft noch zunehmen wird. Diese Vielfalt spiegelt sich in der Zusammensetzung der Klientel im psychotherapeutischen Praxisalltag wieder und stellt komplexe Herausforderungen an die Psychotherapie. Ursprünglich für den westeuropäischen Mittelstand entwickelte Therapiekonzepte müssen so auf andere soziale Kulturen und Gruppen übertragen werden. Der Autor will diese Thematik am Beispiel ausgewählter Kulturkreise (hauptsächlich der Türkei) problematisieren und Fachkräften helfen interkulturelle Überschneidungssettings effektiver zu gestalten.
2007 erschien im Lambertus-Verlag ein Buch des Autors über „Interkulturelle Missverständnisse in der Psychotherapie“. Da dieses Buch ausverkauft ist, überarbeitete und aktualisierte der Autor sein Buch für diese Veröffentlichung im Kohlhammer Verlag.
Aufbau
- Nach der Einleitung werden im ersten Kapitel allgemeine interkulturelle therapeutische Kompetenzen auf dem Hintergrund eigener Untersuchungen thematisiert. Hierzu gehören die Therapeut-Patient-Beziehung, eine kultursensible Anamneseerhebung und Diagnostik, das Verstehen von Chiffren, Organchiffren und körperbezogener Signale und Metaphern, die Thematik einer Überbetonung oder Verleugnung der Bedeutung der Migration, eine Gegenüberstellung muttersprachlicher Therapeuten versus einheimischer Therapeuten und eine Falldarstellung.
- Im zweiten Kapitel wird eine eigene Untersuchung zum Thema »Interkulturelle Missverständnisse in der Psychotherapie und interkulturelle therapeutische Kompetenz« vorgestellt, um dann
- im dritten Kapitel die Gesundheitssituation und Gesundheitsversorgung der Migranten zu behandeln. Das Kapitel schließt mit der Thematisierung einer zu fordernden interkulturellen Öffnung der Gesundheitsdienste und der Vorstellung von Leitkriterien für eine interkulturelle Öffnung am Beispiel einer psychiatrischen Klinik.
- Im vierten Kapitel werden am Beispiel des türkischislamischen Kulturkreises bedeutsame Aspekte einer interkulturellen therapeutischen Kompetenz erläutert. Der Schwerpunkt liegt auf der Familienstruktur und damit der Vermittlung traditioneller Wertorientierungen, familiärer Bindungen und der Herkunft spezifischer Normen- und Wertvorstellungen türkischstämmiger Familien.
- Im fünften Kapitel werden religiöse Krankheits- und Heilsvorstellungen am Beispiel des Islam vorgestellt, da die religiösen und magischen Krankheits-und Heilvorstellungen von großer Bedeutung sind und bei westlich sozialisierten Behandlungen oft zu Unsicherheiten führen.
- Im sechsten Kapitel gibt der Autor einen historischen Überblick zum Migrationsprozess, da diese Kenntnisse einen wichtigen Kern für das Verständnis der therapeutischen Arbeit mit Migranten bilden.
Das Buch schließt mit einem Literatur- und Stichwortverzeichnis.
Zu Kapitel 1
Der Autor sieht in einer interkulturellen therapeutischen Kompetenz eine Querschnittskompetenz, die die Möglichkeit bietet, Erfahrungen zu reflektieren, sprachliche kulturelle und religiöse Besonderheiten als Möglichkeit der Bewältigung einer Krise in die Intervention einzubeziehen und neue Verhandlungsstrategien zu entwickeln. Gün berichtet von seinen Erfahrungen in Fortbildungen und Weiterbildungen, in denen er immer wieder die Erfahrung machte, dass KollegInnen oft unsicher sind, wenn es um die Behandlung von Patienten aus „fremden“ Kulturen geht. Auf dem Hintergrund dieser Unsicherheiten ließe sich oftmals keine tragfähige therapeutische Beziehung herstellen. Ziel bei der Arbeit mit Migrantenpatienten sei es die eigenen Fremdheitsgefühle zu überwinden und die oftmals unbewussten seelischen Ängste und Abwehrmechanismen vor dem Fremden zu reflektieren und auf dem Hintergrund der soziokulturellen Besonderheiten eine Atmosphäre der Anerkennung, Wertschätzung und Neugierde zwischen Patienten und Therapeuten herzustellen. Hierzu gehört für Gün auch den Migrationsprozess selbst zu thematisieren. Weiterhin stellt Gün in diesem Kapitel eine Übersicht über die Anforderungen an eine gelinde interkulturelle Kommunikation vor. Hierzu gehören u.a. (S. 25) Offenheit, Kulturwissen, Neugierde, kultursensible Kommunikation, Vermeidung von Stereotypisierung, Selbstreflexion, Wertschätzung, Konfliktfähigkeit, Anerkennung von Vielfalt, Distanzierung des Therapeuten von seinen eigenen kulturellen Bezugspunkten, Ambiguitätstoleranz und die Fähigkeit einer tragfähigen Beziehung und Kommunikation. Ausgehend von eigenen Untersuchungsergebnissen stellt der Autor grundlegende Aspekte der interkulturellen Psychotherapie vor. Er geht davon aus, dass grundsätzlich zwischen Therapeuten und Patienten ein asymmetrisches Verhältnis besteht, welches von gegenseitigen Stereotypen beeinflusst ist.
Im Unterkapitel 1.1.2 betont der Autor die grundlegende Bereitschaft und Fähigkeit einer migrantensensiblen Anamneseerhebung, die sorgfältig sprach- und kulturverstehende, ethnische und religiöse Aspekte berücksichtigt. Behandler benötigen umfangreiche Kenntnisse über Migrationsentscheidungen, Erwartungen an die Migration, über die Familienstruktur, kulturelle und religiöse Hintergründe des Patienten und seiner Familie, erlebte Traumata, die Arbeitsbiografie, den Aufenthaltsstatus, aktuelle Lebensbedingungen, kultur- und religionsspezifische Vorstellungen und Bewältigungsstrategien, und die individuellen Erkrankungen. Um Fehldiagnosen und -behandlungen zu vermeiden ist für solch eine umfangreiche Anamnesenerhebung, Diagnostik und Behandlungsplanung häufig die Einbeziehung eines Dolmetschers notwendig.
In der Behandlung ist zu berücksichtigen, dass türkische Patienten ihre Leiden häufig in Organchiffren ausdrücken (Kap. 1.1.3). Im folgenden Kapitel werden die Überbetonung oder im Gegensatz hierzu die Verleugnung kultureller Besonderheiten problematisiert.
Anschließend wird in Kap. 1.1.5 der Einsatz muttersprachlicher Therapeuten diskutiert. Empfehlenswert sei ein muttersprachliches Angebot durch bilinguale Therapeuten im Kontext einer Regelversorgung. Möglicherweise wecke solch ein Angebot jedoch auch zu hohe Erwartungen, die eine wiederholte Inanspruchnahme des Therapeuten zur Folge haben könne (S. 52). Abschließend wird in einem ausführlichen Fallbeispiel ein Behandlungsverlauf dokumentiert (Kap. 1.2).
Zu Kapitel 2
Vorgestellt werden Teile qualitativer Interviews, die im Rahmen einer Dissertationsschrift durchgeführt wurden, um erneut die Bedeutung der sprachlichen, kulturellen, ethnischen und religiösen Aspekte für die therapeutische Beziehung zu problematisieren. Zunächst wird die Gesamtbetrachtung der Interviews thematisiert. Die befragten Therapeuten favorisieren eine Gleichbehandlungsmaxime als eine Art von Gerechtigkeitsdenken. Hingegen erlebten die interviewten türkischen Patienten aus ihrer Perspektive eine ungleiche Behandlung (S. 75). Für die Behandlung bedeutet dies, dass es wichtig ist eine tatsächliche Gleichheit wiederherzustellen, um eine gerechte Behandlung zu ermöglichen.
Im Kapitel 2.2 über typische kulturelle Missverständnisse resümiert der Autor, dass in den Aufführungen der meisten interviewten Therapeuten eine einseitige Betrachtungsweise der spezifischen Migrationsbedingungen erkennbar ist, wobei zudem auf der Seite der Patienten in der Regel wenig Bereitschaft sich auf andere kulturelle Orientierungssysteme einzulassen und sich in diese zu integrieren.
Im Kap. 2.3 werden Fallbeispiele vorgestellt, in denen zum Beispiel der Einsatz von Reinigungskräften oder Angehörigen zu sprachlichen Missverständnissen beitragen. Um diese zu verringern sei unbedingt eine gesetzliche Regelung der Kostenübernahme von Dolmetschern notwendig. Vorrangig sollte möglichst bilinguales Fachpersonal eingesetzt werden.
Von großer Bedeutung für die Behandlungspraxis sind auch religiöse Missverständnisse, wenn z.B. durch Hodschas (traditionelle Heiler) parallel magische Techniken anwendet werden (Kap. 2.4). Anhand eines Fallbeispiels zeigt anschließend der Autor auf, wie „Selbstgespräche“ beim wiederholten rezitieren von Koranversen fälschlicherweise als psychotisches Symptom gedeutet werden.
Von Bedeutung für die Behandlung sind auch auftretende ethnische Missverständnisse (Kap. 2.5), wenn zum Beispiel nicht differenziert wird, aus welchem Teil und welcher der zwanzig ethnischen Gruppen in der Türkei ein Migrant stammt.
Zu Kapitel 3
In diesem Kapitel gibt Ali Kemal Gün eine Übersicht über die Gesundheitsversorgung der Migranten in Deutschland. Einführend wird die Datenlage zur Gesundheitssituation der Migranten referiert. Deutlich wird, obwohl keine verlässlichen Daten zur Verfügung stehen, bei Migranten ein erhöhtes Krankheitsrisiko (Morbidität und Mortalität) im Verhältnis zu Deutschen (Kap. 3.2) besteht.
Krankheitsfördernde Faktoren bei Migranten (Kapitel 3.3) bezeichnet Ali Kemal Gün als Stressfaktoren, die häufig zu einer psychosomatischen Antwort im Form einer „Flucht in die Krankheit“ führt, wobei die in der Herkunftsgesellschaft erworbenen Bewältigungs- und Abwehrmechanismen mit den Anforderungen der Aufnahmegesellschaft nicht übereinstimmen.
Dies führt dazu, dass viele soziale Konflikte des Arbeitsplatzes, der Familie und der Lebenswelt ausgeschlossen werden und so zu einer Somatisierung beitragen. Allerdings wird (s. Kap. 3.4) der Gesundheitsdienst häufig erst sehr spät in Anspruch genommen. Beschrieben werden neben Zugangsbarrieren in diesem Kapitel auch Barrieren hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen im Einzel-, Paar-, Familien- und Gruppensetting.
Diese Zugangsbarrieren zum und im Sozial- und Gesundheitswesen führt Gün im Kapitel 3.5 näher aus, Angebote der Regelversorgungseinrichtungen werden häufig nicht oder verzögert aufgesucht, sodass die Migranten insgesamt verhältnismäßig schlechter versorgt werden. Die Folgen sind häufige Fehldiagnosen, Doppeluntersuchungen und ein Drehtüreffekt, mit der Gefahr einer Chronifizierung. Ausgeführt wird dies am Beispiel der psychiatrischen Krankenhäuser und der Drogenberatungsstellen.
Das Kapitel schließt mit einem Plädoyer für eine interkulturelle Öffnung der Gesundheitsdienste (Kapitel 3.6 und 3.7), in der unter anderem Qualitätskriterien für eine interkulturelle Öffnung benannt werden.
Zu Kapitel 4
Hier geht der Autor nochmals detaillierter auf die Familienstruktur türkischstämmiger Migranten ein um dem Leser zu verdeutlichen, welche Bedeutung die Familienorientierung, kulturelle Standards und der Wandel der Gesellschaft für die Behandlung haben. Diskutiert wird unter anderem das Vorhandensein verschiedener Migrantenmilieus, wobei sich zeigt, dass ähnlich wie in der deutschen Bevölkerung Migrantenmilieus sich weniger nach ethnischer Herkunft und sozialer Lage, als nach den Wertvorstellungen und dem Lebensstil unterscheiden. Somit verbindet Menschen des gleichen Milieus mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus. Insgesamt finden sich laut Studien Integrationsdefizite in allen Milieus, am größten sind die Barrieren in religiös-verwurzelten Milieus. Hervorgehoben wird, dass der größte Teil aller Migranten einen uneingeschränkten Integrationswillen habe.
Im folgenden Kapitel (4.6) werden hieraus folgende interkulturelle therapeutische Haltungen diskutiert. Deutlich wird, dass ohne die Berücksichtigung der individuellen Strukturen der Familien eine Therapie nicht möglich ist.
Zu Kapitel 5
In diesem Kapitel werden ausführlicher die religiösen Krankheits- und Heilvorstellungen am Beispiel des Islam diskutiert. Thematisiert wird der Einsatz einer häufigen parallelen Nutzung traditioneller Heiler. Ausgangspunkt dieser Tradition ist die Einstellung, dass Tabuverletzungen und falsche Handlungen zur Strafe Gottes führen können und sich dies dann in vielen Formen von Krankheiten, Unfällen und Behinderungen zeigt, die durch mögliche Gegenhandlungen, einen Zauber oder z.B. ein Amulett zu entkräften sind. Daher ist oftmals der Hodscha, als Seelsorger, Lehrer und Priester erster Ansprechpartner bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Begründet wird diese Haltung vom Autor durch einen historischen Rückblick auf die Entwicklung der Medizin seit dem Altertum. Somit stehen (siehe Kap. 5.3) Gesundheit und Krankheit in einem engen Zusammenhang mit dem „Glauben“ und sind als etwas von Gott gegebenes anzunehmen. Infolgedessen (Kap. 5.5) findet auch Heilung für einen Muslim nicht ohne Kenntnis und Erlaubnis Gottes statt.
Die wichtigsten Therapiemittel sind das verabreichen von Lebensmitteln, Kräutern und Heilwassern, das Einreiben mit Luftwasser und das Auflegen von Pasten. Beim Verdacht auf übernatürliche Krankheitsursachen werden magische Praktiken, wie das Tragen von Perlensteinen und Amuletten, das Sprechen von Gebeten, die Einnahme von geweihtem Wasser, das Verbrennen von Holz, Haaren und Kräutern, die Darbietung von Tieropfern und anderes angewandt. Allerdings sei die Inanspruchnahme der magischen Praktiken im Koran und in einigen islamischen Ländern wie der Türkei verboten. Nach den Erfahrungen des Autors würden nur sehr selten die Einflüsse von Hodschas zur Heilung beitragen (S. 195), überwiegend sei eine Zusammenarbeit nicht möglich und aus therapeutischer Sicht nicht verantwortbar.
In den Unterkapiteln fünf und sechs (Therapeutische Haltungen) werden Untersuchungen zusammengefasst, nach denen der Anteil der Inanspruchnahme traditioneller Heiler bei psychisch Erkrankten hoch bis sehr hoch sei. Daher solle das Aufsuchen von therapeutischen bzw. medizinischen Versorgungseinrichtungen bereits als ein Zeichen der Bereitschaft und Offenheit und als ein Beziehungsangebot seitens des Patienten verstanden werden. Die parallele Konsultation eines traditionellen Heilers solle nicht unbedingt als Ablehnung der modernen Behandlungen verstanden werden. Beachtet werden müsse, dass die traditionell magischen Krankheits- und Heilsvorstellungen für den Betreffenden eine Funktion haben, die im Rahmen der Therapie thematisiert werden sollte. Dies sei auch wichtig, da traditionellen Verfahren eher in Anspruch genommen werden, wenn moderne Behandlungsverfahren nicht den gewünschten Erfolg bringen. Daher sei es bedeutsam über die Krankheits- und Heilsvorstellungen der Patienten und ihren Familien Kenntnis zu haben.
Zu Kapitel 6
Im sechsten Kapitel gibt der Autor einen umfassenden differenzierten Überblick über die Geschichte der Arbeitsmigration im Nachkriegsdeutschland um somit zu einem besseren Verständnis dieser Prozesse beizutragen. Abschließend geht der Autor (Kapitel 6.10) kurz auf Flüchtlinge ein.
Das Buch schließt mit einem Literaturverzeichnis und einem hilfreichen Stichwortverzeichnis.
Diskussion
Differenziert und fundiert gibt der Autor einen Überblick über die Bedeutung der interkulturellen Kommunikation in der Behandlung muslimischer Menschen aus der Türkei, auch wenn er sich im Wesentlichen auf ältere Literatur bezieht. (Dies und eine Literaturrecherche weisen darauf hin, dass Artikel und Bücher für die Beratung und Behandlung weiterer Kulturkreise fehlen.)
Hervorzuheben ist unter anderem die engagierte Haltung des Autors und die Benennung umfangreicher Kriterien einer wünschenswerten zukünftigen interkulturellen Öffnung der Gesundheitsdienste. Gün benennt kenntnisreich mögliche Qualitätskriterien, wie das Leitbild, die interkulturelle Kompetenz, die Ausbildung und Fortbildung, Kompetenzen der Mitarbeiter, die Einrichtung der Stelle eines Integrationsbeauftragten, den Aufbau eines Dolmetschernnetzes und eines Intranetportals.
Gün plädiert engagiert (S. 153) für eine interkulturelle Öffnung der Sozial- und Gesundheitsdienste um den Migranten eine gleichwertige Qualität in der Behandlung, Beratung und Betreuung zu ermöglichen. Bei der Durchsicht der vom Autor vorgestellten umfassenden Notwendigkeiten, wird dem Leser deutlich, wie umfangreich diese Aufgaben sind (die eigentlich bereits seit Jahren umgesetzt werden müssten).
Der Titel des Buches „Interkulturelle therapeutische Kompetenz. Möglichkeiten und Grenzen psychotherapeutischen Handelns“ trifft jedoch nicht ganz den Inhalt. Einschränkend könnte dieses Buch anders lauten, da der Autor lediglich auf die Bedeutung islamischer Kulturen und hier speziell auf die der Türkei eingeht. Nicht eingegangen wird auf verschiedenste „deutsche Kulturen“ (z.B. Obdachlose, Sinti, reiche Personen, Zeugen Jehovas) und z.B. die Behandlung von Russlanddeutschen, Rumänen, von Menschen aus Afrika oder aus anderen islamischen Kulturen. Weiterführend gibt der Autor jedoch nicht nur einen guten Einblick in das therapeutische Handeln mit Menschen aus der Türkei, sondern auch wichtige Hinweise für den Beratungskontext.
Fazit
LeserInnen, die einen Überblick über die bedeutsame interkulturelle Kommunikation im Kontext von Beratung und Behandlung für Menschen aus islamischen Kulturen gewinnen möchten, kann dieses Buch sehr empfohlen werden. Der Autor gibt einen sehr guten theoretisch fundierten Überblick. Umfangreiche Fallbeispiele und die politischen Forderungen bereichern das Buch.
Rezension von
Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen
studierte Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaft und absolvierte Ausbildungen als Familientherapeut und Traumatherapeut und arbeitet ab 2021 als Studiendekan im Masterstudiengang „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit“ an der DIPLOMA Hochschule
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