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Mone Welsche: Beziehungs­orientierte Bewegungspädagogik

Rezensiert von Dr. Richard Hammer, 01.03.2018

Cover Mone Welsche: Beziehungs­orientierte Bewegungspädagogik ISBN 978-3-497-02751-4

Mone Welsche: Beziehungsorientierte Bewegungspädagogik. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2018. 153 Seiten. ISBN 978-3-497-02751-4. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.

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Thema

Wie gelingt es mir Beziehungen über Bewegung herzustellen und dies im pädagogischen und therapeutischen Kontext zu nutzen? Mit dieser zentralen Fragestellung beschäftigt sich dieses Buch, in dem Grundlagen der Eigenwahrnehmung, aber auch der Beziehungsgestaltung zu anderen Menschen in und durch Bewegung praxisnah vorgestellt werden. Die Autorin bezieht sich dabei auf das Konzept der „Beziehungsorientierten Bewegungspädagogik“ von Veronica Sherborne, das sie um Ansätze der neueren Sport- und Bewegungspädagogik sowie der Psychomotorik erweitert.

Autorin

Nach dem Studium zur Sondererziehung und Rehabilitation an der Universität Dortmund, mit den Studienschwerpunkten: Bewegungserziehung und -therapie erwarb Mone Welsche den M.A. Somatic Studies and Labananalysis an der Universität of Surrey, England und promovierte an der Universität Hamburg, Fachbereich Bewegungswissenschaften.

In der langjährigen Tätigkeit als Bewegungstherapeutin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf konnte die Autorin praktische Erfahrungen sammeln und anwenden.

Einer Anstellung an der Universität Hamburg als Juniorprofessorin für „Bewegungs- und Sportpädagogik mit dem Schwerpunkt Bewegungsdiagnose und -beratung“ folgte der Ruf an die KH Freiburg, wo sie bis heute als Professorin für Entwicklungsförderung im Kindes- und Jugendalter tätig ist.

Entstehungshintergrund

In der Einleitung ihres Buches beschreibt die Autorin den Weg ihrer Ausbildung und macht dabei deutlich, dass die Begegnung mit dem Konzept von Veronica Sherborne und das Studium zur Bewegungspädagogin bei Prof. Dr. G. Hölter, der für dieses Buch ein Geleitwort verfasste, prägend waren für ihren beruflichen Werdegang und für die Motivation, dieses Buch zu verfassen.

Aufbau

Ziel des Buches ist es, Sherbornes Konzept als eine theoretisch fundierte beziehungsorientierte Bewegungspädagogik vorzustellen und zu erweitern, wobei es durch seine praktischen Beispiele für Fachkräfte und Studierende einen Zugang zur Praxis in verschiedenen Arbeitsfeldern bieten soll.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert.

  1. Zunächst werden die Eckpunkte der Biographie von Veronica Sherborne vorgestellt, gefolgt von der Darstellung der Laban-Bewegungsanalyse, welche Sherborne zur Entwicklung ihres Konzeptes inspirierte. Anschließend werden Grundannahmen, Entwicklungsbereiche und Ziele benannt, gefolgt von einer Zusammenfassung handlungsleitender Prinzipien und didaktischen Hinweisen. Abgeschlossen wird dieses erste Kapitel mit einer Darstellung der Beobachtung als förderdiagnostischen Zugang für die Arbeit mit der Klientel.
  2. Im 2. Kapitel wird das theoretische Konzept von Sherborne „angereichert“. Die Autorin geht dabei ein auf Theorien zur Bewegung und Beziehung und knüpft dabei an die Bewegungs- und Sportpädagogik, Psychomotorik, Entwicklungspsychologie und die Selbstkonzeptforschung an. Auch dieses Kapitel schließt mit dem Hinweis auf die Einsatzmöglichkeiten des Konzeptes über die Lebensspanne hinweg und mit verschiedenen Zielgruppen.
  3. Das 3. Kapitel bietet vielfältige Praxisanregungen und beinhaltet eine ausführliche Darstellung von Aktivitäten und Spielen.
  4. Im 4. Kapitel werden die Anwendungsbeispiele mit verschiedenen Zielgruppen sehr praxisnah beschrieben und kommentiert.

Im Anhang finden wir ein Verzeichnis der Filme von Veronica Sherborne und einen Hinweis auf Fortbildungsmöglichkeiten der Sherborne-Vereinigung (www.sherborne-deutschland.de) sowie der Möglichkeit zur Weiterbildung in Laban Bewegungsanalyse (www.laban-eurolab.org).

Inhalt

Anliegen dieses Buches ist es, Grundlagen und Aspekte der Beziehungsgestaltung zur eigenen Person, aber auch zu anderen Menschen in und durch Bewegung zu entwickeln – und dies auf der Grundlage der Bewegungspädagogik von Veronica Sherborne. Es liegt nahe, die Darstellung dieser „MeisterInnenlehre“ mit der Vorstellung dieser „charismatischen Person und begnadeten Lehrerin“ zu beginnen (1. Kapitel). Die Biographie von Sherborne deckt ihr hohes Engagement für die Arbeit mit Menschen der gesamten Lebensspanne auf und zeigt schon sehr früh den Weg zu inklusiven Bewegungs- und Sportangeboten. Sherborne entwickelte ihr Konzept in eigenem praktischem Tun, teilweise basierend auf der Bewegungslehre von Laban (1879 – 1985), einem der bedeutendsten Bewegungstheoretiker unserer Zeit. Er entwickelte ein Konzept des Modern Educational Dance, das in Deutschland in die Tanzausbildung und in die Tanztherapie Eingang gefunden hat. In England und in den skandinavischen Ländern gehört die Bewegungserziehung nach Laban zur Ausbildung von Grundschullehrern und Sportlehrern. Im Zentrum dieses Konzeptes stehen die Kategorien Körper, Raum, Antrieb, Form, Beziehung und Zeit.

Das Konzept von Sherborne basiert auf verschiedenen Prämissen und Grundannahmen: „Kinder müssen sich in ihrem Körper zu Hause fühlen, um eine gute Körperbeherrschung zu erlangen und sie müssen fähig sein, Beziehungen zu gestalten“ (Sherborne, z.n. S. 25). Bewegungserfahrungen sind also grundlegend für die Entwicklung von Kindern, da sie wesentlich zur Entwicklung der Persönlichkeit beitragen. Ziel der pädagogischen und therapeutischen Arbeit ist es deshalb über strukturierte Bewegungsangebote Selbstvertrauen, Körperkenntnis, physische und emotionale Sicherheit sowie Kommunikationsfähigkeit zu fördern.

Die Bausteine des Konzeptes sind zum einen Körper- und Bewegungswahrnehmung des eigenen Körpers zu erleben und zum anderen die Beziehungsgestaltung zu anderen Menschen, differenziert in die drei Beziehungsdimensionen Füreinander, Miteinander und Gegeneinander.

Diese Bausteine werden praxisnah dargestellt und erläutert, gefolgt von pädagogischen Prinzipien und didaktischen Hinweisen für die Planung und Gestaltung von Bewegungsstunden, ergänzt um eine ausführliche Darstellung von Beobachtungskategorien als „Grundlage jeder pädagogischen Intervention“.

Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Fundierungen des Konzeptes von Sherborne „angereichert“ um fachwissenschaftliche Begründungen aus der Sportpädagogik nach Funke-Wieneke, aus der Psychomotorik, der Selbstkonzeptforschung und aus der philosophischen Anthropologie von Buber. Die Autorin stellt hier die vier Funktionen des Sich-Bewegens nach Funke-Wieneke vor und legt dar, welchen Beitrag die Angebote nach Sherborne zur Entwicklung und Ausgestaltung der instrumentellen, der sensiblen, der symbolischen und sozialen Funktion leisten können. Für den Aspekt der Beziehung geht Welsche zurück auf Buber, dessen Aussage „Der Mensch wird am Du zum Ich“ die Grundlage der Begegnung mit Anderen über Bewegung darstellt. Die entwicklungspsychologisch-psychomotorischen Aspekte werden angereichert durch das Konzept der Entwicklungsaufgaben nach Havighurst, den Auseinandersetzungen mit Bewegungsthemen und Beziehungsdimensionen durch Seewald, Hammer und Haas und schließlich der Theorie des Selbstkonzeptes als integrierendes Element.

In einem sehr ausführlichen 3. Kapitel findet man aus der „Beziehungsorientierten Bewegungspädagogik“ von Sherborne eine Sammlung von Aktivitäten und Spielen, die nach den folgenden Schwerpunkten vorgestellt werden:

  • Körperwahrnehmung als Vergewisserung des Ich
  • Raumwahrnehmung als Achtsamkeit für den Kontext
  • Bewegungsqualität als Erprobung von Handlungs- und Ausdrucksspieleräumen
  • Beziehungsdimensionen als Erfahrung von Gegenseitigkeit

Im 4. Kapitel zeigt die Autorin in ausführlichen Stundenbildern, wie die Praxis nach Sherborne mit spezifischen Zielgruppen angewendet werden kann:

  • Mädchen und Jungen in einer 1. und 2. Klasse im Hort
  • Kognitiv beeinträchtigte Mädchen und Jungen zwischen 6 und 10 Jahren
  • Gruppentherapie mit Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
  • Eine Eltern-Kind-Gruppe mit drei- und vierjährigen Kindern
  • Frühförderung mit einem vierjährigen Jungen
  • Eine inklusive Gruppe mit Kindern zwischen vier und zehn Jahren
  • Eine Gruppe mit kognitiv beeinträchtigten Erwachsenen
  • Eine Gruppe mit Seniorinnen in einer Alterseinrichtung

Diskussion

Nach 1998 legt der Reinhardt-Verlag erneut ein Buch mit dem Titel „Beziehungsorientierte Bewegungspädagogik“ auf. Dem Original von 1998 von Sherborne folgt 2017 ein „angereichertes“ Buch von Mone Welsche, die die Praxis des Konzeptes von Sherborne in ihrer Ausbildung und im beruflichen Werdegang leibhaft erlebt und erfahren hat und somit kompetent wiedergeben kann. Aber nicht nur wiedergeben. Das Konzept von Sherborne wird durchleuchtet und überprüft auf der Grundlage aktueller Theorien der Sport- und Bewegungswissenschaften und der philosophischen Anthropologie. Zielgruppenspezifische Studien, vor allem zum Autismusspektrum zeigen das förderliche Potenzial dieses Konzeptes, das auch heute noch eine hohe Aktualität hat und erfolgreich eingesetzt wird mit unterschiedlichsten Zielgruppen – gerade heute im Zeitalter der Inklusion ein wertvoller Beitrag.

Die Anregungen für die Praxis sind sehr einprägsam dargestellt und mit Hinweisen für die Durchführung versehen. Die Verweise auf die theoretischen Grundlagen zum Konzept von Sherborne helfen die Praxis zu verorten und damit zielorientiert zu arbeiten.

Fazit

Ein lohnenswertes Buch also für Bewegungspädagogen und -therapeuten, die Strukturierungshilfen für ihre Arbeit suchen und dabei nicht auf eine fundierte Theorie verzichten wollen.

Rezension von
Dr. Richard Hammer
Dipl. Motologe
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Es gibt 32 Rezensionen von Richard Hammer.

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Zitiervorschlag
Richard Hammer. Rezension vom 01.03.2018 zu: Mone Welsche: Beziehungsorientierte Bewegungspädagogik. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2018. ISBN 978-3-497-02751-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23818.php, Datum des Zugriffs 08.11.2024.


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