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Hans Lenk: Human zwischen Öko-Ethik und Ökonomik

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 19.02.2018

Cover Hans Lenk: Human zwischen Öko-Ethik und Ökonomik ISBN 978-3-89733-440-3

Hans Lenk: Human zwischen Öko-Ethik und Ökonomik. Projekt Verlag (Bochum) 2018. 630 Seiten. ISBN 978-3-89733-440-3. 29,80 EUR.
Reihe: Kultur & Philosophie, Bd. 14.

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Thema

Versinkt mit den Geisteswissenschaften der europäische Geist in der Erbaulichkeit, Mittelmäßigkeit oder Versenkung? Wissenschaft ist der intellektuelle Bereich menschlichen Denkens und Handelns, der Wissen schafft. Mit dieser zugegebenermaßen alle Türen und Tore des Verstehens und des Missverstehens des Menschseins öffnenden Charakterisierung der erkenntnistheoretischen und -praktischen Tätigkeiten, die als wissenschaftlich, also allgemein nachvollziehbar, objektivierbar, reproduzierbar, verifizierbar oder falsifizierbar, gelten, soll verdeutlicht werden, dass die Auffassungen, was Wissenschaft ist und wie sie in der und für die Gesellschaft wirken soll, wie Feuer und Wasser auseinanderdividieren.Bereits in der antiken, aristotelischen Philosophie wird unterschieden zwischen „Faktenwissen“ und „demonstrativem Wissen“, bei dem „im Idealfall des perfekten demonstrativen Wissens ( ) Wissen und Einsicht in die höchsten demonstrativen Prinzipien immer wahr (sind)“ (vgl. dazu: W. Detel, in: Otfried Höffe, Aristoteles-Lexikon, 2005, S. 203).

In der (westlichen) Gesellschafts- und Wissenschaftskritik wird immer dringlicher die Frage danach gestellt, welche lokal- und globalgesellschaftliche Aufgabe wissenschaftliches Arbeiten habe und ob es „zweckfreies Forschen“ Hier und Heute überhaupt noch gebe, notwendig und nützlich sei, oder ob Wissenschaft nicht längst schon zum Erfüllungsgehilfen des ökonomischen und kapitalistischen Nutzen- und Zweckdenkens geworden ist (Julian Nida-Rümelin, Hrsg., Wunschmaschine Wissenschaft. Von der Lust und dem Nutzen des Forschens, 2006, www.socialnet.de/rezensionen/4391.php).

Entstehungshintergrund und Autor

Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich im „(Teil)Ruhestand“ befinden und nach der Definition von bestimmten Pflichten einer Professur befreit sind, heißt das ja nicht, dass sie ihr Wissen und ihre bei der wissenschaftlichen Arbeit erworbenen Kompetenzen nicht weiter anwenden sollen oder dürfen; vielmehr zeigt sich im Veröffentlichungsbetrieb, dass emeritierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders innovativ und produktiv sind. Von einem soll hier die Rede sein: Vom Karlsruher Philosophen Hans Lenk, der darüber hinaus in zahlreichen nationalen und internationalen, philosophischen Gremien und Einrichtungen engagiert war und weiterhin ist, wie z.B. beim Institut International de Philosophie (IIP), der Weltakademie für Philosophie mit Sitz in Paris, die als das wissenschaftlich höchste Gremium der Philosophie in der Welt gilt. Einige seiner zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen haben wir im socialnet Rezensionsdienst besprochen. Kulturelle, inter- und transkulturelle Ethik und Logik gehören zu den Schwerpunkten seines Denkens und Handelns (Hans Lenk / Gregor Paul, Transkulturelle Logik. Universalität in der Vielfalt, 2014, www.socialnet.de/rezensionen/22702.php). Und die Frage nach der globalen Verantwortungsethik in den Zeiten der sich immer interdependenter, entgrenzender (und unlogisch) sich entwickelnden (Einen?) Welt stellt sich dringlicher denn je (Hans Lenk, Human-soziale Verantwortung. Zur Sozialphilosophie der Verantwortlichkeiten, 2017, www.socialnet.de/rezensionen/23473.php). In seinem neuen, zu Beginn des Jahres 2018 erschienenem Buch „Human zwischen Öko-Ethik und Ökonomik“ schlägt er (s)einen (Lebens-)Bogen auf 21 Segmente von „Bindestrich-Ethiken“. Er macht damit deutlich, was philosophisch und individuell- und menschlichkeitsethisch in das Bewusstsein der Menschheit eingehen sollte: Globale Ethik ist eingebunden in ein ganzheitliches Verständnis von Humanität!

Aufbau und Inhalt

Das Dilemma zwischen analytischen Bestandsaufnahmen und den menschengemachten Wirklichkeiten charakterisiert Lenk mit dem afrikanischen Sprichwort: „Worte sind schön – doch Hühner legen Eier“. Das ist so recht nach dem Geschmack des praktischen Philosophen, der hadert und wütet, der bedenkt und verurteilt, der hofft und fordert, dass die universitäre Ausbildung nicht vom Machbarkeitswahn, sondern vom Verantwortungsbewusstsein bestimmt wird.

In den Überschriften der 21 Analysen zum wissenschaftlichen Denken und Handeln verdeutlichen sich Lenks Anliegen:

  1. „Intelligente Barbaren bilden wir aus“
  2. Der Mensch im Spannungsfeld von Natur und Technik
  3. Weltorientierung durch Schemata im Erkennen und Handeln
  4. Praxisnahe Philosophie in der interdisziplinären und der ökologischen Herausforderung
  5. Aspekte einer Pragmatisierung der Ethik
  6. Werte als normative und deskriptive Interpretationskonstrukte
  7. Bioethik, Gen-Ethik, Embryonenschutz und konkrete Humanität
  8. Menschenwürde und absolutes Folterverbot
  9. Ein Menschenwürdeanrecht auf sinnvolle Eigentätigkeit und Eigenleistung
  10. Leistungslust und Grundsicherung
  11. Naturverantwortung, Humanität und Lebensehrfurcht von Kant bis Schweitzer
  12. Ist die Technik zu mächtig geworden – und die Verantwortung für Menschen und politisch-soziale Systeme zu groß?
  13. Rein technische Absicherung reicht nicht zur Gesamtsicherheit
  14. Vom Ahimsa-Gebot zur Techno-Ethik
  15. Zur Anwendung von Werten und Bewertungen in der Ökonomie
  16. Globalisierungsdebatte und konkrete Humanität
  17. Finanzkrise und Wirtschaftskrise – Wirtschaftsethische Überlegungen
  18. Globalisierung – Typen und Prozesse eines multidimensionalen Phänomens
  19. Öko- und Humanverträglichkeit – Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit
  20. Sportethik, Wirtschaftsethik, Technikethik
  21. Sportethik – Fairnessethik.

Die Rundum-Analysen und Fingerzeige sind teilweise aus bereits anderen Veröffentlichungen entnommen. Bei einigen Texten hat der Leiter des Ethisch-Philosophischen Grundlagenstudiums des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), Matthias Maring, mitgeschrieben, dem er und dem Leiter des Interfakultativen Instituts für Entrepreneurship, Götz W. Werner, das mit der Initiative „Unternimm die Zukunft“ für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt, das Buch widmet.

Wer sich auf die Suche macht, im Gewirr und in den Imponderabilien des individuellen und lokal- und globalgesellschaftlichen Durcheinanders in der Welt Boden unter die Füße zu bekommen und sich über die Fragen, wie wir geworden sind, was und wie wir sind, im Klaren zu werden, findet in den Texten 1 – 21 viel Nachdenkenswertes. Es sind keine Rezepte, sondern Diagnosen, die das eigene Denken in Schwung bringen können. Und hier kommt wieder das afrikanische Sprichwort zur Geltung: „Worte sind schön, doch Hühner legen Eier“. Es ist die praktische Philosophie, die Richtschnüre und Richtungsanzeiger bereit hält, wohin sich die Menschheit entwickelt – in ein „business as usual“ und eines „Alles-ist-machbar!“, oder hin zur „sustainable development“, einer tragfähigen, nachhaltigen Entwicklung, die als Maßstab für alles menschliche Denken und Handeln gilt. Weil aber Appelle und theoretische Analysen allein den notwendigen Perspektivenwechsel nicht bewirken, braucht es eine „Trassenprojektierung“ und systematische und praktische Nachweise darüber, dass eine andere, bessere und gerechtere (Eine?) Welt möglich ist. Dabei helfen weder ein „Ordre de Mufti“, noch populistisch aufgemotzte Fake News. Der Philosoph Hans Lenk sieht im „sokratischen Philosophieren“, bei dem immer der Mut zum eigenen Denken und zur intellektuellen Auseinandersetzung über die „Wahrheit“ Angelpunkt ist, und im „ökologischen Philosophieren“, mit dem die komplexen und vernetzten Systemwirkungen humanverträglich erkundet und verstanden werden können, die Lösung: „Wir alle – Einzelne und Organisationen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Staaten sowie der Staatengemeinschaft – haben dafür eine Mitverantwortung von außerordentlicher Wichtigkeit für die Zukunft unserer ganzen Welt und unserer Nachkommen“.

Fazit

Der Wertediskurs, wie er sich in der philosophischen 1 – 21er Einkreisung auf die wesentlichen Voraussetzungen und Wertschöpfungen des Humanen darstellt, basiert auf der Überzeugung, dass „die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet“ (globale Ethik). Es ist die Erkenntnis, dass der Mensch fähig und darauf angewiesen ist, sich hin zu mehr Menschlichkeit zu verändern. Der Turn ist angesagt! So stellt sich die Sammlung der Texte als Werkzeugkasten für humanes Denken und Handeln in der unsicheren, interdependenten Welt dar. Es sei den Leserinnen und Lesern empfohlen, das Buch „Human zwischen Öko-Ethik und Ökonomik“ als Handbuch zu benutzen, immer dann, wenn die existentielle Frage ansteht: „Und jetzt?“; und auch, wenn, individuell und kollektiv, bei der Wegeführung hin zu einem guten, gelingenden und gerechten Leben für alle Menschen auf der Erde die Vergewisserung ansteht: „Machen wir es richtig?“.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1685 Rezensionen von Jos Schnurer.

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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 19.02.2018 zu: Hans Lenk: Human zwischen Öko-Ethik und Ökonomik. Projekt Verlag (Bochum) 2018. ISBN 978-3-89733-440-3. Reihe: Kultur & Philosophie, Bd. 14. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23859.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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