Martin Schimke, Jörg Dauernheim (Hrsg.): Vereins- und Verbandsrecht
Rezensiert von Dr. Rafael Hörmann, 26.09.2018

Martin Schimke, Jörg Dauernheim (Hrsg.): Vereins- und Verbandsrecht. Luchterhand Fachverlag (Köln) 2018. 14. Auflage. 1577 Seiten. ISBN 978-3-472-08979-7. 139,00 EUR.
Thema
Der „Reichert“ ist ein äußerst umfangreiches Werk für das gesamte Vereins- und Verbandsrecht. Im Unterschied zu vergleichbaren Werken bildet der Reichert nicht nur das nationale Vereinsrecht, sondern darüber hinaus insbesondere das nationale Verbandsrecht, die Besteuerung von Vereinen bzw. Verbänden und das nationale öffentliche sowie internationale private Vereinsrecht ab. Umfassend fällt hierbei die Darstellung des allgemeinen Verbandsrechts aus. Behandelt werden insbesondere die Grundsätze des horizontalen bzw. vertikalen Zusammenschlusses von rechtsfähigen Vereinen mit Schaffung eines Zentralvereins mit Zweigvereinen bzw. Gesamtvereins mit Untergliederung auf Landes, Bezirks-, Kreis- und Ortsebene, die Anforderungen an die notwendige Verbandssatzung und die Arten der Verbands- und Untergliederungsmitgliedschaften in Form der mittelbaren, mehrfachen und indirekte Mitgliedschaft. Hervorzuheben sind weiter die Ausführungen zur Vereins- und Schiedsgerichtsbarkeit, Feststellungsklage bezüglich anfechtbarer Vereins- bzw. Verbandsbeschlüsse sowie Steuerbegünstigung des Berufsverbands.
Herausgeber
Prof Dr. Marin Schike, LL.M. ist in Düsseldorf tätiger, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied des Internationalen Sportgerichtshofs in Lausanne (CAS/TAS)
Dr. Jörg Dauernheim ist in Altenstadt tätiger Rechtsanwalt, Fachanwalt in Steuerrecht und Insolvenzrecht, Insolvenzverwalter und Richter im ständigen Schiedgericht der Deutschen Eishockeyliga.
Entstehungshintergrund
Nach dem Versterben des Begründers und Herausgebers Bernhard Reichert, der Richter am Bayerischen Obersten Landgericht und langjähriger Vorsitzender eines Ständigen Schiedsgerichts eins Spitzensportverbandes war, im Jahr 2010 haben Martin Schimke und Jörg Dauernheim die Herausgabe des Werkes übernommen, um das Lebenswerk des Begründers fortzuführen.
Die Herausgeber sahen drei Jahre nach der Veröffentlichung der Vorauflage aufgrund der permanenten Bewegung und Fortentwicklung im Vereins- und Verbandsrecht die Notwendigkeit der Herausgabe einer neuen und überarbeiteten 14. Auflage.
Handlungsbedarf bestand laut Aussage der Herausgeber insbesondere durch bedeutsame Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Vereins- und Verbandsrecht bezüglich des Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V., Fußball-Club Bayern, München e.V. sowie bezüglich der drei Beschlüsse des Bundesgerichtshof (BGH), jeweils vom 16.05.2017, welche als sogenannte „Kita-Rechtsprechung“ bezeichnet wird. Weiter wird im Werk darüber hinaus die aktuelle und einschlägige Fachliteratur herangezogen und ausgewertet. Unabhängig von den genannten Entwicklungen planen und aktualisieren die Herausgeber das vorliegende Werk dauerhaft und ständig, jedoch unter Beachtung des Vorliegens von relevanten Neuerungen im Rechtsgebiet des Vereins- und Verbandsrechts. Besonderes Augenmerk wurde auch auf die sportrechtliche Entwicklung gelegt.
Eine wesentliche Neuerung in der Gestaltung des Werks ist die im Vergleich zur Vorauflage benutzerfreundlichere Zählweise der Randnummern, welche ab dieser Auflage nach jedem Kapitel von neuem beginnt.
Aufbau
Das 1577 Seiten umfassende Werk ist in fünf Abschnitte als übergeordnete Kapitel mit unterschiedlichem Anteil am Gesamtvolumen des Buches aufgeteilt, welchen ein Vorwort, eine Inhaltsübersicht sowie ein Abkürzungs- und Literaturverzeichnis vorangeht.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Kapitel:
- Grundlagen des Vereinsrechts (S. 1-15),
- Das private Vereinsrecht (S. 16-1217),
- Das öffentliche Vereinsrecht (S. 1218-1342),
- Der Verein im internationalen Privatrecht (S. 1343-1352),
- Die Besteuerung von Vereinen und Verbänden (S. 1353-1478),
Das Buch schließt mit einer synoptischen Darstellung der Randnummern der aktuellen (14.) und der vorhergehenden (13.) Auflage, um dem Leser eine Hilfestellung bei der Zuordnung der Randnummern beider Werke an die Hand zu geben.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Ausgewählte Inhalte
Hervorzuheben sind vier besonders interessante Inhalte:
1. Allgemeines Verbandsrecht. Nach einer Erläuterung des Verbandsbegriffs folgt eine ausführliche Darstellung zur vertikalen Verbandsstrukturen mit Ausprägung als Gesamt- bzw. Zentralverband sowie deren regionaler bzw. organisatorischer Untergliederungen in regionale Vereine bzw. Verbände bzw. Zweigvereine bzw. -verbände. Weiter wird die Selbstständigkeit der Untergliederungen behandelt, insbesondere das unerziehbare Selbstauflösungsrecht der Zweigvereine und die Kompetenz von Gesamtverbänden in Bezug auf unselbstständige Untergliederungen.
2. Formen der Mitgliedschaften im Verbandsrecht. Bemerkenswert ist die Darstellung der mittelbaren, mehrfachen und indirekten Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden, wodurch Mitgliedern in Gesamt- bzw. Zentralverband sowie den verschiedenartigen Untergliederungen jeweils mittelbar und unmittelbar Rechte und Pflichten zustehen. Die Rechte und Pflichten aus den verschiedenen zusammenhängenden Mitgliedschaften können hierbei gleichlaufend oder unterschiedlich ausfallen.
3. Vereins- und Schiedsgerichtsbarkeit. Aufgrund der Erfahrung der Herausgeber behandelt das Werk vollumfänglich und verständlich die Vereins- bzw. Verbandsschiedsgerichtsbarkeit und deren Abgrenzung zum Vereinsgericht als Vereinsorgan. Dargestellt werden bezüglich der Vereins- bzw. Verbandsschiedsgerichtsbarkeit insbesondere die Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes vor den ordentlichen Gerichten, die Abdingbarkeit des ordentlichen Rechtswegs in einer Schiedsvereinbarung sowie die Bildung der Schiedsgerichte als ständige Schiedsgerichte oder Gelegenheitsschiedsgerichte.
4. Umfangreiche Darstellung des nationalen Steuerrechts. Bemerkenswert ist die das Werk abschließende sowie abrundende Darstellung des nationalen Steuerrechts, insbesondere des Gemeinnützigkeitsteuerrechts und der jeweiligen einschlägigen Schwerpunkte zur Besteuerung von Vereinen und Verbänden in den Einzelsteuergesetzten. Der Leser erhält einen strukturellen Überblick über alle für den Themenbereich relevanten Normen des nationalen Steuerrechts, u.a. diejenigen des Körperschaftsteuer-, Erbschaft- und Schenkungsteuer-, Umsatzsteuer-, Gewerbe- und Grunderwerbssteuergesetzes.
Fazit
Das Werk richtet sich im Wesentlichen an erfahrene Praktiker des Vereins- und Verbandsrechts aus einem steuer- bzw. rechtsberatenden oder wirtschaftsprüfenden Beruf. Diese können sich einen umfangreichen Überblick über das gesamte nationale private und öffentliche Vereins- und Verbandsrecht verschaffen. Der Einblick in das internationale Privatrecht von Vereinen ist kurz ausgefallen, dient der Vervollständigung der Darstellung des gesamten Themenbereichs und stellt keine echte Alternative zu den spezifischen Nachschlagewerken des jeweiligen Vereinsrechts im EU- und Nicht-EU-Ausland dar, was den schwerpunktmäßig national ausgerichtet Werk jedoch nicht vorzuwerfen ist.
Für Einsteiger, die beispielsweise zu Funktionsträgern in Vereinen und Verbänden gewählt oder bestellt wurden und bisher kaum Berührungspunkte zur Materie des nationalen privaten Vereins- und Verbandsrecht aufweisen können, ist das Werk nur bedingt geeignet, da verständlicherweise ein gewisses Maß an rechtlichen und fachspezifischen Vorkenntnissen stillschweigend vorausgesetzt wird. So wird vom Leser u.a. erwartet, dass er das Verhältnis von Satzungsbestimmung zu den dispositiven und zwingenden BGB-Normen des privaten Vereinsrechts zumindest im Grundsatz einzuschätzen vermag sowie bezüglich der Schiedsgerichtbarkeit im Verein bzw. Verband bereits fortgeschrittene Kenntnisse im Zivilprozessrecht aufweist.
Rezension von
Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Steuerrecht, insbesondere im Gemeinnützigkeitssteuerrecht, dem Vereins- und Stiftungsrecht
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Website
Mailformular
Es gibt 6 Rezensionen von Rafael Hörmann.