Fundraising Akademie (Hrsg.): Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden
Rezensiert von Dr. Siegmund Pisarczyk, 08.03.2018
Fundraising Akademie (Hrsg.): Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden. Springer Gabler (Wiesbaden) 2016. 5., vollständig aktualisierte und neu bearbeitete Auflage. 1016 Seiten. ISBN 978-3-658-07109-7. D: 99,99 EUR, A: 102,79 EUR, CH: 124,50 sFr.
Thema
Nonprofit-Organisationen (NPO) bestimmen immer mehr die Geschicke der Zivilgesellschaft. Dazu kommt die hohe Spendenbereitschaft in Deutschland. Diese beiden Faktoren erfordern eine professionelle Methode des Umgangs mit diesen Ressourcen. Fundraising bietet sich an. Dafür notwendiges Wissen vermitteln Fachzeitschriften und besonders Handbücher, z.B. Marita Haibachs „Handbuch Fundraising. Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis“ (4., Auflage 2012) bzw. Michael Urselmanns (Hrsg.): Handbuch Fundraising (2016).
Autorinnen und Autoren
Diese gehören zu den ausgewiesenen Fundraising-Fachleuten aus drei Generationen im deutschsprachigen Raum; dazu gehören u.a. Soziologen, Rechtsanwälte, Politologen, Theologen, Pädagogen, Wirtschaftswissenschaftler und Manager. Allen Autorinnen und Autoren und dem Verlag gebührt Dank für dieses wichtige Werk.
Aufbau
Diese Auflage ist umfangreicher als die 4. Sie besteht aus zehn Kapiteln, darunter zahlreiche Abbildungen und Tabellen:
- Grundlagen des Fundraisings (S. 1-75),
- Fundraising-Definitionen, Ansätze, Entwicklungen (S. 77-166),
- Fundraising-Management (S. 167-372),
- Konzeptionen des Fundraisings (S. 373-457),
- Formen des Fundraisings (S. 459-648),
- Kommunikationswege des Fundraisings (S. 649-832),
- Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement (S. 833-849),
- Berufsbild Fundraiser (S. 851-894),
- Recht (S. 899-970),
- Checklisten (S. 973-999).
Das Werk gibt Antworten auf folgende Fragen:
- Was ist unter Gabe und Fundraising zu verstehen?
- Welche Managementfunktionen lassen sich empfehlen?
- Wie lassen sich Konzeptionsmodelle charakterisieren?
- Welche Fundraising-Formen müssen berücksichtigt werden?
- Wie ist die Relevanz der Freiwilligkeit im Fundraising zu verstehen?
- Was prägt das Berufsbild des Fundraisers in Deutschland?
- Warum ist das steuerrechtliche Wissen im Fundraising so wichtig?
Ausgewählte Inhalte
Alle Beiträge im Einzelnen zu würdigen würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Im folgenden stelle ich exemplarisch einige besonders interessante Beiträge vor. Auf diese lässt sich im Diskussionsteil leicht zurückgreifen.
Zu 1. Kap. „Grundlagen des Fundraisings“. Das Kapitel beginnt mit der Analyse der sozialanthropologischen und historischen Aspekten des Fundraising. Dabei wird das Phänomen der „Gabe“ und des „Gebens“ erläutert. Der Fundraiser braucht eigentlich keine Gabentheorie, er braucht aber „Wissen, sehr viel Wissen“ (S. 1). Die Praxis zeigt, dass Fundraising bewusst die Gabebereitschaft der potentiellen Geber, Stifter und Spender einkalkulieren muss. Ein Gabehandeln ist ein Handeln zwischen Geben-Annehmen-Erwidern-Weitergeben: „Es geht um das Stiften und die Pflege von Beziehungen: der Beziehungswert ist der Gebrauchswert der Gabe, sie umfasst stets ein Gut und ein Symbol“ (S. 18, vgl. Auflage 2008, S. 30-55). Dies belegt eigentlich die „Zeitlosigkeit“ der Gabe als Programmformel (vgl. S. 5) und des Gebens u.a. als Geste der „Interaktion in der Nächstenliebe“. Des Weiteren werden die wissenschaftlichen Zugänge zum Fundraising beschrieben, z.B. ökonomische Theorie des Fundraising (vgl. S. 20 f.). Im Beitrag „Soziologische Betrachtungen des Fundraising“ (S. 36) wird das nicht monetär oder ökonomisch verkürzte Wirkungsmodell des Fundraising betont. Die Herstellung von persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen soll man im Fundraising ständig beachten. Relevant erscheint das Thema des Social Entrepreneurship und Impact Investment: „Ein Social Entrepreneurship ist mithin jemand, der/die ein neues Produkt oder eine Dienstleistung zur Lösungen eines gesellschaftlichen Problems einführt. Er ist ein gesellschaftlicher Innovator“ (S. 65). Ruprecht Graf Strachwitz (Direktor des Maecenata Management GmbH München) greift das Thema des Mäzenatentums und Fundraising auf. Was verbirgt sich unter dem Mäzenatentum-Begriff? Mäzene bzw. Mäzenatentum gibt es „in allen Bereichen der Zivilgesellschaft, also auch in Bildung und Wissenschaft, im Sozialwesen, im Naturschutz, im Sport usw. Der Begriff wird vielfach auch als Synonym mit dem des Philanthropen verwendet“ (S. 136).
Zu 2. Kap. „Fundraising-Definitionen, Ansätze, Entwicklungen“. Was ist unter dem Fundraising-Begriff zu verstehen? Fundraising lässt sich als Mittelbeschaffung verstehen, es ist aber viel mehr: „Hinzugetreten sind strategische und taktische Aspekte ebenso wie das Controlling, ohne das Fundraising heute kaum mehr ökonomisch sinnvoll umgesetzt werden kann. Mithin hat es sich auch von einer handwerklichen Einwerbung von Spenden zu einem strategisch und systematisch geplanten und umsetzbaren Prozess entwickelt“ (S. 78). Interessant klingt die „Fundraising-Perspektive von Nonprofit-Organisationen“ (S. 82 f.); es werden drei Perspektiven unterschieden: Die bewahrende Perspektive meint, dass durch Fundraising finanzielle „Löcher gestopft“ werden sollen. Die optimierende Perspektive kann „Strukturen und Abläufe einer kritischen Würdigung (.) unterziehen“(S. 83) und schließlich die gestaltende Perspektive. Sie wird praktiziert, um mit Hilfe von Förderern neue Projekte zu entwickeln. Fundraising als Begriff befindet sich in ständiger Entwicklung: „Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis existiert kein konsistenter Begriff von Fundraising. Vielmehr spiegeln die verschiedenen Verständnisse davon die Ausdifferenzierungen und die unterschiedliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des Fundraising“ (S. 90). Fundraising ist besonders von Bedeutung in den Nonprofit-Organisationen, z.B. bei den Stiftungen und Vereinen. Der Spendenmarkt in Deutschland gestaltet sich nach dem Motto „Immer weniger geben immer mehr“ (S. 128). Bereits diese Tendenz erfordert vom Fundraiser besondere Aufmerksamkeit, um im wachsendem Wettbewerb auf dem Spendenmarkt bestehen zu können. Eine besondere Rolle wird der Berufspolitik im Fundraising zugeschrieben. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist „Der Deutsche Fundraising Verband (DFRV)“. Dieser (…) vereint als gemeinnütziger Fachverband „haupt- und ehrenamtliche Fundraiser, Spendenorganisationen, Fundraiser-Dienstleister, Vertreter aus Wissenschaft und Forschung und alle Personen, die sich in Deutschland für eine Kultur des Gebens einsetzen“ (S. 162).
Zu 3. Kap. „Fundraising-Management“. Dieses Kapitel beginnt mit dem Aufsatz „Institutional Readiness: Organisationsentwicklung und Change -Management“ (S. 167 f.). Es wird erwähnt, dass Organisationsentwicklung als wissenschaftlicher Ansatz in den USA bereits in 1930er-Jahren entstand. Es handelt sich dabei um die gezielte Einwirkung auf Organisationsstruktur, Organisationskultur und individuelles Verhalten, um den gezielten Wandel von Organisationen zu erreichen. Unabhängig von der Organisationsentwicklung in einer NPO müssen konkrete Strategien im Fundraising je nach Geschäftsmodell einer NPO sorgfältig gewählt werden. Daraus resultieren z.B. Optimierungspunkte bzw. strategische Handlungsoptionen im Fundraising. In diesem Zusammenhang spricht man von Positionierung des Fundraising in der Organisation; dabei bilden, ethische Grundsätze, Transparenz und Datenbank, Budgetierung und Controlling wichtige Eckpunkte für ein nachhaltiges Fundraising (vgl. S. 215). Controlling gilt als Managementaufgabe, genauer gesagt: „Controlling hilft, Ergebnisse, Prozesse und Strategien zu klären und somit Transparenz zu schaffen sowie die hierfür erforderliche Daten- und Informationsversorgung zu sichern“ (S. 345). Controlling als gesicherte Zahlenbasis muss in den NPO als wichtiger Faktor für Fundraising-Entscheidungen berücksichtigt werden.
Zu 4. Kap. „Konzeptionen des Fundraising“. Zu den bekannten Konzeptionen gehören die SMART-Formel (s = spezifisch, m = messbar, a = aktionsorientiert, r = realistisch, t = terminiert), diese basiert auf den Kriterien Zielermittlung, Planung und Umsetzung: „Dadurch gewinnt die Organisation mit der Zeit Erkenntnisse über ihre Aktivitäten und kann die Prozesse und Strukturen bzw. Austauschprozesse optimieren“ (S. 373). Folglich werden die SWOT-Analyse und Fundraising-Cycle als praktizierte Kreislaufmodelle beschrieben – als die typische Planungsinstrumente im Bereich des Fundraising-Marketing. Zu den wichtigen Planungsmodellen für ein erfolgreiches Fundraising zählt „Das Sieben-Phasen-Modell“ systematischer Kommunikation (vgl. 375). Zu dessen Elementen zählen: Aufgabe und Fragen; Analyse und Antworten; Zielsetzung, Strategie und Planung; Kreation, Buchung und Realisation; Kontrolle und Dokumentation (vgl. S. 385). Dieses Modell kann zur Durchführung einer Fundraising-Kampagne dienen. Bei der „Generierung innovativer Geschäftsmodelle“ (S. 392 f.) wiederum handelt sich um eine Methodik zur Analyse bestehender bzw. Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einer NPO. Der Beitrag „Marktforschung“ (S. 405 f.) befasst sich mit Herausforderungen und Voraussetzungen für Fundraising in den NPO. In „Fundraising und Markenbildung“(S. 412 f.) wiederum werden Antworten auf die Fragen gegeben, was eine Marke ist und wie die analytischen Prozesse der Corporaten Identity verlaufen. Am Beispiel der Abbildung „Wort-Bild-Marke-amnesty international“ (vgl. S. 422) wird dieses Problem erläutert.
Zu Kap. 5 „Formen des Fundraising“. Dieses Kapitel beginnt mit der Analyse der Individualspenden. Es wird unterschieden zwischen „Einmalspende“, „Dauerspende“, „Mitgliedsbeitrag“, „Patenschaft“„Anlass-Spenden“ und „Sachspenden“ (S. 459 f.). Dem folgt eine Darstellung von „Großspenden“. Dazu zählen u.a. „Großspenden-Fundraising“, „Erbschaften und Vermächtnisse“, „Stiftung und Zustiftung“ und „Kapitalanlage“ (S. 479). Für Nonprofit-Organisationen können besonders folgende Formen des Fundraising interessant werden, u.a. „Geldauflagenmarketing“ (S. 556 f.) und „Antragsfundraising“ z.B. als Stiftungsmarketing und Einwerbung von EU-Mitteln. Zu den modernen Formen des Fundraising gehört in Deutschland das Hochschulfundraising. Darunter „ … ist die systematische Einwerbung von Spenden, Sponsoring- und Stiftungsmitteln sowie Stiftungsprofessuren und Nachlässen privater Förderer für eine Hochschule (.)“(S. 603), zu verstehen. Sozial relevant ist ebenso Schulfundraising. Herausragend ist jedoch die Bedeutung von „Spenden für die Katastrophenhilfe“. Das Spendenverhalten lässt sich wie folgt beschreiben: „In der vom Deutschen Spendenrat in Auftrag gegebenen GfK-Studie ‚Bilanz des Helfens 2015‘ wird deutlich, dass das Spendenvolumen bei Katastrophen enorm anwächst, in den Jahren 2013 und 2014 stieg es um 800 Millionen Euro auf insgesamt 4, 96 Milliarden Euro in 2014 an.“ (S. 632).
Zu 6. Kap. „Kommunikationswege des Fundraising“. Es lassen sich grundsätzlich zwei Kommunikationsziele im Fundraising hervorheben, erstens die Werbung für die eigene NPO und zweitens die Präsentation des eigentlichen Fundraising-Anliegens. Eine erhebliche Rolle spielt dabei das Multi-Channel-Fundraising (vgl. S. 801). Fundraising und Kommunikation der Ziele gehen traditionelle und moderne Wege wie z.B. persönliche Gespräche (vgl. S. 654), Mailings (vgl. S. 689), Telefon-Fundraising und Online-Spenden. Der Einsatz der Kommunikationsinstrumente muss je nach Spenden-Zielgruppe differenziert werden. Zu den aktuellen Entwicklungen im Fundraising zählen Crowdfundig-Plattformen (am Beispiel der USA): „Crowdfundig ist anders als das Sammeln von Spenden nicht auf den gemeinnützigen Bereich begrenzt. So wurden auf diesem Weg bereits die Finanzierung von Unternehmensprojekten, Studioaufnahmen von Bands, Buchprojekten oder Festivals erreicht“ (S. 743). Zunehmende Bedeutung spielen im Fundraising, „Digitale Kommunikationsinstrumente“, „Suchmaschinenoptimierung“, „Online-Fundraising“ und „Soziale Medien“ (S. 747). Eine besondere Rolle kommt in der Fundraising-Kommunikation der Dankstrategie zu:„Effizienter Dank braucht klare Rahmenbedingungen, Ziele und Abläufe. Effektiver Dank gestaltet zudem bewusst die Gratwanderung zwischen dem für individuelle Gabe erwarteten persönlichen Dank und der wirtschaftlich gebotenen Bündelung von Zielgruppen. Eine auf Grundlage der Dankstrategie entwickelte Dank-Matrix schafft Handlungssicherheit durch Verlässlichkeit, um so Bedankung dauerhaft zu etablieren“ (S. 831).
Zu 7. Kap. „Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement“. Eingangs wird der Sammelbegriff „freiwilliges Engagement“ erläutert; dazu werden alle „Zeitspenden als Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement und freiwillige (soziale)Arbeit gefasst“ (S. 833). Es steht fest, dass 36 Prozent der Deutschen sich regelmäßig freiwillig engagieren. An Bedeutung gewinnt die Tatsache, dass auch bei Unternehmen im Rahmen von Unternehmensprogrammen sich Mitarbeitende freiwillig engagieren. „Unternehmen fördern mit Corporate Volunteering freiwillige Tätigkeiten ihrer Mitarbeitenden durch die Ausschreibung von Zeitspendenangeboten oder/und durch monetäre Unterstützung für deren Engagementprojekte. Einige Unternehmen stellen auch anteilige Arbeitszeit für das Engagement bereit“ (S. 835). Zeit wird also gespendet entweder professionell (kompetenzbasiert, pro bono) oder praktisch als helfende Hand (vgl. S. 835). Zeitspende und freiwilliges Engagement erfordern ein gutes Freiwilligen-Management (vgl. S. 843). Dieses befindet sich in ständiger Entwicklung. Interessant klingt das freiwillige Engagement aus Fundraising-Sicht, z.B das „Crowdsourcing“, es meint „die Nutzung einer relativ unbestimmten Masse von Menschen – die ‚Crowd‘ – als Ressourcenquelle für Manpower und Know-how. Ein sehr bekanntes Crowdsourcing-Projekt ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia.“ (S. 847). Es wird unterstrichen, dass freiwilliges Engagement es ermöglicht, in Nonprofit-Organisationen gestalterisch mitwirken zu können.
Zu 8. Kap. „Berufsbild Fundraiser“. Fundraising als Beruf ist in Deutschland nicht attraktiv: „Menschen, die in diesem Beruf tätig sind, schreiben auf ihre Visitenkarten ’Öffentlichkeitsarbeit’, ’Spenderbetreuung oder’ ’Freunde und Förderer’.“(S. 851). Wo liegen die Gründe? Es gibt u.a. geschichtliche Ursachen für die Finanzierung des Gemeinwesens in Deutschland. Fundraising bedeutet in Deutschland oft eine komplemäntere Finazierungswerbung zu anderen Finanzierungsquellen, z.B. öffentlichen Zuschüssen oder Unternehmenskooperationen (vgl. S. 852). In den USA wiederum sind Fundraiser in den obersten Managament-Stuffs einer NPO angesiedelt. Zu den Spannungsfeldern lassen sich folgende zählen: Spannungsfeld Organisations- und Fundraisingziele, Spannungsfeld Fundraising und Unabhängigkeit und Spannungsfeld Fundraising als Managementaufgabe (vgl. S. 852 f.). Zu den Schlüsselkompetenzen im Fundraising zählen: Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Sachkompetenz, Methodenkompetenz und Handlungskompetenz (vgl. S. 860 f.). Wie ist der Stand der institutionellen Qualifizierung für Fundraising in Deutschland? Dazu zählt der Masterstudiengang „Philanthropie und Fundraising-Management“ der Hochschule Ludwigshafen in Kooperation mit der Fundraising Akademie zur Akkreditierung (vgl. S. 873). Was den Arbeitsmarkt für Fundraising betrifft, gibt es keine gesicherte Zahlen. Nach Schätzungen des DZI (Stiftung Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen) gibt es ca. 20.000 spandensammelnden Organisationen in Deutschland; mindestens 20.000 Menschen sind mit Fundraising beschäftigt (vgl. S. 881). Die Praxis belegt jedoch, dass in Deutschland wenige Vollzeitstellen im Fundraising angeboten werden.
Zu 9. Kap. „Recht“. Das Ziel zahlreicher Nonprofit-Organisationen ist es, Spenden bzw. staatliche Zuschüsse in Anspruch zu nehmen: „Insofern ist der Status der Steuerbegünstigung nach den §§ 51 bis 68 AO von großer Bedeutung“(S. 899). In Deutschland gibt es z.B. 580.00 Vereine und 21.000 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (vgl. S. 899 f.). Die Rechtsform einer NPO ist immer in ihrer Satzung niedergelegt. Beispielweise erfordert die Gründung eines rechtsfähigen Vereines mindestens sieben Personen (§ 56 BGB), und in der Vereinssatzung müssen laut (§ 57 BGB) folgende Elemente vorhanden sein: Zweck, Namen, Sitz und Rechtsform. Der Vorstand und die Mitgliederversammlung gehören zu den Organen eines Vereins. Aus Fundraising-Sicht zählen andere NPO-Formen zu den modernen Alternativen, z.B. die Stiftung; sie setzt aber eine eigenständige Vermögensmasse voraus (vgl. S. 910). Die Errichtung einer Stiftung erfordert ebenfalls eine Satzung mit folgenden Angaben: Name, Sitz, Zweck, Vermögensausstattung und Bildung eines Vorstands (§ 81 Abs. 1 BGB). Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit aller NPO im Sinne der begünstigten Zwecke der AO (§§ 52-54 AO) sind gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke (vgl. S. 916). Komplizierter beginnt das Thema im Steuerrecht mit den Fragen nach Erbrecht, Testament, Vermächtnis, Nachlassabwicklung und Testamentsvollstreckung (vgl. S. 949 f.). Deren Abwicklung erfordert in den meisten Fällen aufgrund gerichtlicher Urteile bzw. notariell beglaubigter Urkunden. Abschließend wird unterstrichen, dass Datenschutzrecht im Spendenbereich und Fundraising in Zeiten der Digitalisierung und sozialer Medien eine wichtige Rolle spielt.
Diskussion
Der Aufbau des Werkes ist überzeugend, erstens im Sinne der klaren Strukturen und zweitens durch die Mischung von Theorie und Praxis. Das Portfolio des vorliegenden Handbuches wird durch Checklisten bereichert, was zum besseren Verständnis der Inhalte beiträgt. Diese Auflage, wie bereits frühere Auflagen, dient als Basis-Lehrmaterial für Studierende an der Fundraising Akademie; es ist ein Referenzwerk im vollen Sinne des Wortes.
Das Buch zeigt deutlich, dass primäre Fundraising-Begriffe grundsätzlich angelsächsischer bzw. US-amerikanischer Herkunft sind, z.B.
- „Crowdfunding“ (S. 141),
- „Benchmarking“(S. 160),
- „Case of Support“ (S. 168),
- „Attrition Rate“ (S. 354),
- „Design Thinking“ (S. 400),
- „Employer-Branding“ (S. 418),
- „Corporate Responsibility“ (S. 540),
- „Alumni-Fundraising“(S. 628),
- „Affiliate-Marketing“ (S. 734), und
- „Human Computation“ (S. 847).
Diese Erkenntnis macht das Erlernen der Fundraising-Mechanik mindestens für Anfänger nicht leichter.
Ein nachhaltiges Fundraising funktioniert nicht im Vakuum; es erfordert eine ökonomische, ökologische und öffentliche Balance. Es ist wichtig, dass Thomas Kreuzer (er ist Direktor der Fundraising Akademie gGmbH) dieses Handbuch mit seinem theologischen Diskurs bereichert.
Das Buch beginnt mit der Analyse theoretischer Grundlagen des Gebens bzw. der Gaben. Das Thema des Gabenhandelns ist eine Bereicherung der Fundraising-Diskussion.
Gabe kann bedeuten:
G = Gemeinwohl
A = Abgabe
B = Beziehung
E = Engagement
Gabe kann mehrere soziale Funktionen erfüllen, z.B. als Medium im Interaktionsprozess. Nach Volz lässt sich Gabe als „ … Urhandlung des Sozialen ansprechen“ (Kapitel 1, S. 8). Mit Gebe-Logiken lassen sich „ … unterschiedliche soziale Arrangements beschreiben, die hinter den Motiven des Spendens, Gebens und häufig auch Stiftens stehen“ (S. 56). Gabe kann ein Akt der Nächstenliebe und ein Symbol des sozialen Friedens bedeuten.
Des Weiteren wird die innovative Kraft der „Social Entrepreneurship“, berichtet. Eine „Social Entrepreneurship“ (SE) wird sozialunternehmerisch gekennzeichnet u.a. durch Innovation, Bereitschaft, Kreativität, Glaubwürdigkeit und das Potenzial, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Obwohl SE nicht eindeutig als gemeinnützige Organisationen anzusehen sind, können sie jedoch bestimmte soziale Funktionen übernehmen, z.B. Finanzierung von Jugendeinrichtungen in sozialen Brennpunkten.
Alle Fundraising-Diskussionen in Deutschland beruhen auf Ken Burnett „Relationsship Fundraising“ (1992). Ziel der NPO (z.B. Vereine und Stiftungen) ist, bestimmte soziale Probleme zu lösen. Fundraising kann hier im Sinne der Philosophie der NPO nur als Methode eingesetzt werden. Nach Michael Urselmann (er besitzt die einzige Professur für Fundraising in Deutschland) geben „Immer weniger (…) immer mehr“ (vgl. S. 128). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass immer mehr Menschen ärmer werden, die wenigen Reichen spenden dafür aber immer mehr Geld. Spenden kann jeder, entweder Geld, Sachwerte oder Zeit; diese Spendenperspektive macht Fundraising gesellschaftlich so wertvoll. Zutreffend sprechen Claudia Leißner und Johanna Anita Stolze von Zeitspenden als einer wertvollen Ressource (vgl. S. 833).
In Deutschland engagieren sich ehrenamtlich ca. 23. Millionen Bürgerinnen und Bürger – dieses Phänomen muss künftig in der Fundraising-Forschung mehr Aufmerksamkeit finden. Menschen, die Zeit spenden, spenden eigene Freizeit (der Freizeit-Begriff meint Freiheit auf Zeit). So lässt sich sagen, dass Zeitspenden nichts anders ist als eine Art „Freiheitsspende“. In einer freiheitlichen Demokratie zählt eine Freiheitsspende zu den Fundamenten eines gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Alle Fundraising-Organisationsformen, ob Stiftung, Corporate Citizenship oder Zeitspenden, folgen der Maxime der Hilfsbereitschaft und der Solidarität.
Fundraising muss als Chance der Weiterentwicklung gemeinnütziger Organisationen gesehen werden – so Marita Haibach, die Architektin des Fundraising in Deutschland (vgl. S. 172). Dem Primat der Organisationsentwicklung folgen z.B. ethisches Handeln (im Sinne des Spendensiegels des DZI) und gesellschaftliche Verantwortungsübernahme.
Den NPO bleibt es überlassen, ob sie Fundraising intern praktizieren oder es externen Fundraising Agenturen per Outsourcing-Auftrag übergeben. Die Bezeichnungen Fundraising-Management und Fundraising-Konzeptionen werden aus der Sicht einzelner Vereine bzw. Stiftungen individuell verstanden. Eines haben sie aber gemeinsam: Sie möchten die eigene Marke in der Öffentlichkeit hervorheben, um sich optimal darzustellen. Kai Fischer (Autor zweier Bücher über Fundraising) beschreibt am Beispiel der SWOT-Analyse die Kriterien für eine Stärken-Schwächen- Analyse, was strategisch für eine jeweilige Fundraising-Konzeption sinnvoll sein kann (vgl. S. 379). Diese Analysen können z.B. in Stiftungen und bei Großspender-Projekten besonders behilflich sein.
Eine wichtige Rolle spielen im Fundraising Bußgeldmarketing und Monitoring-Marketing, werden jedoch nicht immer von den NPO in Anspruch genommen; denn sie erfordern die von NPO „Mut“ zu Anfrage und überzeugender Begründung der sozialen Relevanz des Geldbedarfes (vgl. S. 563 f.).
Fundraising findet nicht im Vakuum statt; es braucht eine räumliche bzw. institutionelle Verankerung, z.B. Hochschulfundraising und Schulfundraising. Es liegt auf der Hand, dass Schulen in Deutschland unterfinanziert sind. Wolfgang Mayer (Buchautor über Fundraising) spricht in diesem Kontext von Bildungsmäzenatentum (vgl. S. 625) „Heute ist der Mäzen gefragt, weil der alles gewährleistende und alles verwaltende Staat abgewirtschaftet hat“(S. 140) – so Ruprecht Graf Strachwitz.
In der deutschen Öffentlichkeit wird der professionelle Fundraiser nicht immer positiv dargestellt; man spricht vom „kalkulierten Mitgefühl“ (vgl. S. 851). Der Fundraising-Beruf muss an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen; er muss die Öffentlichkeit überzeugen. Denn Fundraiser haben wichtige soziale Aufgaben zu erfüllen; sie engagieren sich z.B. für Bedürftige. Der Beruf des Fundraisers befindet sich in ständiger Entwicklung; mit Hilfe von Seminaren in Coaching, Supervision und Mentoring können Fundraiser ihr Wissen erweitern und Qualifikation erwerben. Mit anderen Worten: die Handlungskompetenz ergibt sich in der Fundraising-Praxis. Nach Findert es ist sinnvoll, die eigenen Soft-Skills-Fähigkeiten immer wieder zu überprüfen und zu erweitern, beispielsweise durch Fortbildungen (S. 869).
Die Relevanz des Fundraising in der NPO aus rechtlicher Sicht wird von Christoph Mecking (Herausgeber der renommierten Zeitschrift „Stiftung&Spnsoring“) analysiert. Alle einzelnen Rechtsformen der gemeinnützigen Organisationen basieren auf fester Gesetzeslage; z.B. kann der eingetragene Verein (e.V.) als wirtschaftlicher oder als nicht wirtschaftlicher Verein registriert werden. Dies ist im BGB geregelt. Ratsam wäre für alle eventuellen Vereins- und Stiftungsgründer, im Vorwege eine rechtsanwaltliche bzw. notarielle Gründungsberatung in Anspruch zu nehmen. Ähnlich ist es mit der steuerlichen Beratung; z.B. sind sowohl die Abgabenordnung im Sinne der Gemeinnützigkeit (& 52 Abs. 1 AO) als auch die Mildtätigkeit (& 53 AO) gesetzlich festgeschrieben. Gegenwärtig spricht man von Unsummen aus künftigen Erbschaften in Deutschland; diese Entwicklung eröffnet Fundraising neue finanzielle Perspektiven. Testamente und Erbschaften können sich für NPO und Fundraising als lukrativ erweisen, wenn sie berufsethisch und juristisch begleitetet werden. Christoph Müllerleile (er ist Initiator und Mitgründer des Deutschen Fundraising Verbandes) ist es zu verdanken, dass er den Beruf des Fundraisers im deutschsprachigen Raum sozialpolitisch konstruktiv analysiert.
Fazit
Fundraising im 21. Jahrhundert steht vor neuen sozialen Herausforderungen, z.B. Globalisierung, Ungleichheiten und Internationalisierung. Wer Fundraising erfolgreich betreiben möchte, braucht viel Wissen und mit den Worten von Fritz Rüdiger Volz sogar „sehr viel Wissen“ (S. 1). Schenkungen, Stiftungen und Spenden, z.B. als Katastrophenhilfen, bereichern das global-soziale Menschenbild mehr den je. Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung. Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Daraus ergeben sich für Fundraising viele interdisziplinäre und kulturpolitische Chancen. Es wäre darum ratsam, in der nächsten Ausgabe des Werkes alle Kapitel zweisprachig Deutsch und Englisch in Form einer Zusammenfassung zu konzipieren. Damit könnte dieses Handbuch europaweit an Bedeutung gewinnen.
Rezension von
Dr. Siegmund Pisarczyk
Diplompädagoge & Nonprofit Manager
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Es gibt 18 Rezensionen von Siegmund Pisarczyk.
Zitiervorschlag
Siegmund Pisarczyk. Rezension vom 08.03.2018 zu:
Fundraising Akademie (Hrsg.): Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden. Springer Gabler
(Wiesbaden) 2016. 5., vollständig aktualisierte und neu bearbeitete Auflage.
ISBN 978-3-658-07109-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23964.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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