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Armin Castello: Schulische Inklusion bei psychischen Auffälligkeiten

Rezensiert von Ortrud Aden, 24.07.2018

Cover Armin Castello: Schulische Inklusion bei psychischen Auffälligkeiten ISBN 978-3-17-032089-5

Armin Castello: Schulische Inklusion bei psychischen Auffälligkeiten. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2017. 168 Seiten. ISBN 978-3-17-032089-5. D: 28,00 EUR, A: 28,80 EUR.

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Thema

Im Rahmen der Inklusion stellen psychische Auffälligkeiten von Schülern eine häufige Herausforderung für Lehrkräfte dar. Viele Lehrkräfte fühlen sich hier nicht hinreichend vorbereitet. Das Buch will notwendiges Grundlagenwissen über psychische Störungen und pädagogische Handlungsoptionen für den schulischen Rahmen vermitteln. Das kann und soll kein Ersatz für Psychotherapie sein.

Autor

Dr. Armin Castello ist Psychologischer Psychotherapeut und Professor am Institut für Sonderpädagogik der Universität Flensburg

Aufbau

Castello stellt sechs häufige psychische Störungen vor:

  1. Sozial ängstliches Verhalten
  2. Niedergeschlagenheit und depressive Episode
  3. Selbstverletzendes Verhalten
  4. Posttraumatische Belastungsreaktion
  5. Auffälligkeiten im Sozialverhalten
  6. Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität

Er geht jeweils auf Entstehungsbedingungen der Störung, das Erleben und Verhalten von Betroffenen, besondere pädagogische Situationen, pädagogisches Handeln im individuellen Kontakt und im Unterrichtsumfeld sowie auf Besonderheiten der Elternarbeit ein. Anschließend beschreibt er jeweils die Prinzipien psychotherapeutischer Arbeit.

Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.

Ausgewählte Inhalte

Im Folgenden stelle ich exemplarisch das 2. Kapitel über „Niedergeschlagenheit und depressive Episode“ vor.

Castello informiert zunächst über die Häufigkeit depressiver Episoden in bestimmten Lebensabschnitten und geschlechtsspezifische Unterschiede. Das Rückfallrisiko ist hoch, bei Depressionen im Jugendalter ist das Risiko, im Erwachsenenalter wieder zu erkranken, ebenfalls hoch. Depressionen beeinträchtigen die Lebensqualität massiv und bergen ein Suizidrisiko.

Depressionen im Kindesalter zeigen häufig Symptome, die zunächst nicht mit einer Depression in Verbindung gebracht werden: Es kann zu einer erhöhten Reizbarkeit kommen, die Abgrenzung zu einer Störung des Sozialverhaltens ist daher teilweise schwierig, was leicht zu ärztlichen Fehldiagnosen führen kann. Auch Schlafstörungen sowie Störungen des Appetits können Symptome einer Depression sein.

Die Gedanken von Schülern kreisen oft um negative Inhalte, Schuldgefühle tauchen auf, auch die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit kann eingeschränkt sein. Antriebsschwäche, sozialer Rückzug, der Konsum illegaler Drogen oder exzessives Spielen am Computer können ebenfalls die Folge einer Depression sein.

Anschließend geht Castello auf Entstehungsbedingungen von Depressionen ein: In der Familie gibt es genetische und soziale Faktoren. Im Jugendalter ist das Risiko für eine depressive Episode besonders hoch, Auslöser sind vielfältig, beispielsweise schulische Probleme oder auch Ablehnung in der Peergroup.

Castello beschreibt akute Belastungsphasen wie Krankheiten, Ortswechsel von Schülern oder andere Anlässe als besondere Situationen, die zu einem erhöhten Leistungsdruck führen und zu einem Auslöser für eine Depression werden können.

Er empfiehlt Pädagogen bei einem diesbezüglichen Verdacht strukturierte Beobachtungen, die gegebenenfalls in Gesprächen mit Eltern oder bei einer klinischen Abklärung der Symptome wichtig sein können, um Fehldiagnosen zu vermeiden. Pädagogen sollten weder dramatisieren noch bagatellisieren, Castello gibt Tipps zum Umgang mit möglicherweise betroffenen Kindern und Jugendlichen.

In Bezug auf das pädagogische Handeln im Unterricht legt Castello besonderen Wert auf konstruktiven Umgang mit Fehlern sowie auf internale oder externale Attributionen bei Erfolg oder Misserfolg. In diesem Zusammenhang verweist er auf Möglichkeiten für Pädagogen, entsprechende schriftliche oder mündliche Kommentare zu geben. Schließlich stellt er Attributionstrainings vor.

Als pädagogische Prävention empfiehlt er, nach den Prinzipien der Rational-emotiven Erziehung vorzugehen: der Zusammenhang zwischen Gedanken und Emotionen wird verdeutlicht und damit die Beeinflussbarkeit von Gefühlen und Stimmungen. Castello stellt ein entsprechendes Manual für eine Unterrichtseinheit von 12 Sitzungen für eine Gruppe von 12 – 16-jährigen Schülern vor.

Castello verweist auf die Problematik der Elternkontakte und verweist darauf, dass die Familie sowohl Ressource als auch problemverstärkend sein kann. Es gilt, darauf hinzuarbeiten, dass Eltern sensibel auf disfunktionale Äußerungen reagieren.

Im letzten Absatz dieses Kapitels geht es um psychotherapeutische Interventionen. Castello unterscheidet zwischen kognitiver Verhaltenstherapie und der neueren „Akzeptanz- und- Commitment- Therapie“. Die kognitive Verhaltenstherapie will die Irrationalität mancher Gedankengänge aufdecken und durch Angemessenere ersetzen. Bei der Akzeptanz- und- Commitment- Therapie geht es um die achtsame Wahrnehmung eines Moments, depressive Gedanken sollen akzeptiert und nicht vermieden werden.

Diskussion

Seinem Anspruch, Grundlagenwissen über psychische Störungen zu vermitteln, wird Castello gerecht. Die Orientierung an der kognitiven Verhaltenstherapie, die unter anderem disfunktionale Gedanken konstruktiv bearbeitet, ist für den schulischen Alltag schlüssig. Die vorgeschlagenen Gruppenprogramme sind eine wertvolle Anregung. Es erstaunt allerdings, dass die heute so häufig gestellte Diagnose „Autismus“ völlig fehlt.

Fazit

Neben dem Grundlagenwissen stellt Castello wissenschaftlich überprüfte Gruppenprogramme auf der Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie vor. Diese Vorschläge machen das Buch auch für Pädagogen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und sich bereits gut mit psychischen Störungen auskennen, interessant.

Rezension von
Ortrud Aden
M. A. Sonderpädagogik und Rehabilitationswissenschaften, zur Zeit tätig in einer Autismusambulanz
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Es gibt 20 Rezensionen von Ortrud Aden.

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ISSN 2190-9245