Heribert Prantl: Die Kraft der Hoffnung
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 22.06.2018

Heribert Prantl: Die Kraft der Hoffnung. Denkanstöße in schwierigen Zeiten. Süddeutsche Zeitung Edition (München) 2018. 282 Seiten. ISBN 978-3-86497-423-6. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR.
Weltzuversicht ist gefragt
Die Kakophonien, wie sie von Populisten, Ego- und Ethnozentristen verbreitet werden, dass die sich in der Demokratie und Freiheit entwickelnden und praktizierten Werte und Einstellungen zum Schaden der Menschen und zu ihren Verunsicherungen und Ängsten beitragen, beruhen ja auf der Ideologie und Verführung, das Denken denjenigen zu überlassen, die mit ihren einfachen Ja- und Nein-Antworten ihre „Wahrheiten“ verkünden. Lasst eure eigenen Hoffnungen fahren – wir wissen, was für euch gut ist! Diesen Vor- und Einfachdenkern stehen zum Glück diejenigen gegenüber, die im Selbstdenken ihren Lebenswert erkennen (vgl. dazu z.B.: Karl Heinz Bohrer, Jetzt. Geschichte meines Abenteuers mit der Phantasie, 2017, www.socialnet.de/rezensionen/22496.php). In den Zeiten der Veränderungen braucht es Menschen, die Mut zur Selbst- und Welterkenntnis haben, wie etwa den Journalisten, politischen Publizisten und öffentlichen, philosophischen Denker Heribert Prantl(Was ein Einzelner vermag. Politische Zeitgeschichten, 2016, www.socialnet.de/rezensionen/22422.php). Und es braucht den gesellschaftspädagogischen Hau-Ruck, wie es gelingen kann die Menschen zu motivieren, dass sie aufgeklärt und gebildet sein wollen (Jos Schnurer, Die Menschen motivieren, dass sie aufgeklärt und gebildet sein wollen!, in: PR, Pädagogische Rundschau 3/2018, S. 363 – 374 ).
Entstehungshintergrund und Autor
„Der Mensch ist auf Hoffnung gebaut, und er hat eigentlich keinen anderen Besitz als die Hoffnung. Unsere Hoffnung hier heißt: Stätte der Hoffnung“ (Thomas Carlyle). Warum Zuversicht, Optimismus und Hoffnung oft so schwer und Resignation, Pessimismus und Fatalismus so leicht über die Lippen kommen, hat etwas zu tun mit den Lebenseinstellungen der Menschen. Wer hofft muss denken, Phantasie walten lassen, sich positiv auf das Leben einlassen, den Egoismus überwinden und Empathie entwickeln. Eine hoffnungsvolle Einstellung zeigt der Mensch im Gesicht und in der aktiven Haltung, eine resignative ist ihm lähmend anzusehen! Der hoffnungslose Fall wird dann zur Attitüde, wenn kein Ausweg, keine Kraft und kein Wille zum Guten gesucht wird. Im afrikanischen Muntu steckt die Lebenskraft, die Wirklichkeit mit Utopie verbindet und dazu beiträgt, auf ein gutes, gelingendes Leben zu hoffen und den Mut zum Hoffen zu haben.
Heribert Prantl tritt für die „Kraft der Hoffnung“ ein, trotz oder gerade wegen der grauenhaften, lokalen und globalen Entwicklungen, die von den Populisten und Menschenfeinden überall in der Welt verbreitet werden: Hoffnung macht den Menschen größer und freier – Hoffnungslosigkeit kleiner, gefügiger und abhängiger! Und: Hoffnung befähigt den Menschen zum selbstständigen, kritischen und widerständigen Denken und Tun! Deshalb ist auch das humane Hoffen ein wichtiges Denkwerkzeug gegen die Verrücktheiten der Welt: „Es gibt Hoffnungen, die erscheinen verrückt: aber sie sind es nicht. Diese verrückten Hoffnungen sind nämlich oft gerade diejenigen Hoffnungen, die helfen, nicht verrückt zu werden“.
Aufbau und Inhalt
Neben dem Vorwort gliedert der Autor sein Buch in drei Kapitel.
- Im ersten fragt er: „Welche Zukunft hat die Zukunft?“;
- im zweiten begibt er sich in die „Dunkelkammern der Zeiten“;
- und im dritten Kapitel plädiert er für „Eine Welt der Hoffnung“.
Mit den Überschriften in den drei Kapiteln benennt er seine Fund- und Erfahrungsstücke in dem Defilee seines Hoffens:
Welche Zukunft hat die Zukunft
Da hilft nur beten
Das Vertrauen in die Utopie
Die verletzlichen Boten der Menschlichkeit
Reiß die Himmel auf
Die Verzeihung des Unverzeihlichen
Rache rettet nichts
Das Anti-Verzweiflungsfest
Das Wir-Gefühl
Ab nach Kassel
Auf Wiedersehen
Letzte Ehre
Was ist Wahrheit?
In den Dunkelkammern der Zeiten
Gesichter des Bösen
Der Palast des Unrechts
Eine Zeit für Rechtsanwälte
Lasst alle Hoffnung fahren
Wenn 1914 nicht vergeht
Der Rat der Alten
Einmauern oder teilen
Eine Welt der Hoffnung
Hoffen auf Europa
Hoffen auf Zuflucht
Hoffen auf Heimat
Hoffen auf Wertschätzung
Hoffen auf Heilung
Hoffen auf produktive Unruhe
Hoffen auf Politik
Hoffen auf innere Weisung
Hoffen auf Widerstand.
Mit dieser Systematik klaubt Prantl zusammen, was er im Laufe seines journalistischen Schaffens in der Süddeutschen Zeitung und anderen Publikationen geschrieben und veröffentlicht, bei Festakten, Preisverleihungen und anderen bedeutsamen Auftritten vorgetragen hat; etwa als Glaubenssachen, die sich nicht in Dogmen und Geboten einmauern lassen, sondern im Klage-, Bitt- und Vergewisserungsgespräch die Erfahrung vermitteln können, „dass man die Welt tatsächlich ein wenig zum Guten verändern kann“. Es ist die Erkenntnis, dass „glauben nicht vom Denken entbindet“; dass Wirklichkeitswahrnehmungen Fakt und Fassaden sein können, und die Flucht in die Verführung eine Schimäre ist, wie dies Jean-Paul Sartre formuliert hat: „Vielleicht gibt es schönere Zeiten. Aber dies ist unsere Zeit“; dass Vergeltung das Gegenteil von Vergebung ist; dass Rache nichts rettet; dass Gewalt niemals Hoffnung herbei prügeln kann; Abschottung und Eingrenzung nicht nur die Wege anderer, sondern auch die eigenen verbaut; und dass das Bemühen, die Wahrheit zu finden, nur gelingen kann, wenn der Gerechtigkeit das Wort geredet und getan wird.
„Das Böse ist überall“ – und es ist möglich, es zu erkennen und zu beseitigen, mit den „Gesichtern des Guten“. Das Gute, Wahre und Gerechte wird nicht per Ordre de mufti gegeben, sondern muss gesucht, erkundet, verbreitet und verteidigt werden, immer wieder, nachdrücklich und widerständig: Der Journalist, der Richter, der Verteidiger…, jeder an seinem Platz und in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Es sind die überlieferten, gesteuerten, gemachten und analysierten Erinnerungen, die der besonderen Obacht und Verantwortung bedürfen.
Trotz der scheinbaren Hoffnungslosigkeit und gefühlten Ohnmacht beim „Geschacher um Europa“ plädiert Prantl für ein „Hoffen auf Europa, weil Europa nichts wegnimmt, nichts zerschlägt und nichts zerreißt, sondern zusammenfügt.“ Der Ratschlag und die Mahnung, dass sich die Deutschen an ihre eigene Migrations- und Integrationsgeschichte erinnern sollten: „Vielleicht hätten die Deutschen, ihre eigene Migrationsgeschichte vor Augen, nicht diese Heidenangst vor Einwanderung gehabt…, statt den jahrelangen Glaubensstreit um das Wort ‚Einwanderungsland‘ zu führen, sich der Probleme angenommen, die sich daraus für Deutschland ergeben“. Es ist das „Hoffen auf Wertschätzung“, das in der globalen Ethik, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zuvorderst gefordert wird, nämlich dass die Anerkennung der allen Menschen zustehenden Würde die Grundlage für ein humanes Leben darstellt.
Fazit
Heribert Prantl hat in seinem Buch „Die Kraft der Hoffnung“ einen Kraftaufwand betrieben, der für die Leserinnen und Leser zu einem Kraftakt des guten Willens werden und den unerträglichen Zumutungen von Populisten, Egoisten, Rassisten und Demokratiefeinden ein Bollwerk entgegen zu setzen vermag. Der Rezensent sieht in den zusammengestellten und neu veröffentlichten Argumenten wirksame und ehrliche Plädoyers, mit denen Pessimisten, Fatalisten und Ideologen zu Papiertigern gemacht werden können, in Abwandlung des Präambeltextes der Verfassung der UNESCO vom 16. November 1945: Da Fake News, Verführungen und Manipulationen im Geist der Menschen entstehen, müssen auch die Bollwerke der Hoffnung und Zuversicht im Geist der Menschen errichtet werden.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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