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Norbert Lotz: Akzeptanz- und Commitmenttherapie

Rezensiert von Dr. Alexander Tewes, 01.06.2018

Cover Norbert Lotz: Akzeptanz- und Commitmenttherapie ISBN 978-3-621-28564-3

Norbert Lotz: Akzeptanz- und Commitmenttherapie. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2018. 75 Seiten. ISBN 978-3-621-28564-3. D: 59,00 EUR, A: 60,70 EUR, CH: 76,00 sFr.
75 Therapiekarten. Kartenset mit 75 Karten für die Psychotherapie. Mit 20-seitigem Booklet.

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Thema und Entstehungshintergrund

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie – kurz ACT – wird den Therapieverfahren der so genannten dritten Welle der Verhaltenstherapie zugerechnet. Diese erfreut sich in jüngster Vergangenheit einer wachsenden Beliebtheit, auf socialnet wurden bereits diverse Publikationen rezensiert (vgl. Greco & Hayes, 2011; Louma et al., 2009; Wilson & DuFrene, 2011, Wengenroth, 2016). Ein typisches Kennzeichen dieser Therapieform sind kreative, konfrontative und erlebensbasierte Übungen. Das vorliegende Kartenset wurde entwickelt, um die zum Teil recht anspruchsvollen ACT-Themen für KlientInnen erfahrbar zu machen.

Autor

Prof. Norbert Lotz, Ph. D. ist Psychologischer Psychotherapeut (VT), Supervisor und Leiter des Ausbildungsinstituts FIRST in Frankfurt (für Rational-Emotive und Kognitive Therapie). Zudem ist er Coach, Qi Gong- und Yoga-Lehrer sowie Komponist.

Aufbau und Inhalt

Geliefert werden 75 Therapiekarten und eine Anleitung.

Die Karten sollen in Therapie und Beratung „Inspiration, Denk- und Gesprächsanregung zu den zentralen Modulen der Akzeptanz- und Commitmenttherapie“ liefern (Klappentext).

Die ACT-Module werden in der Fachliteratur in einem sogenannten „Hexaflex-Modell“ zusammengefasst (Luoma et al., 2009) und umfassen folgende Themenbereiche:

  1. Gegenwärtigkeit. Da bei vielen psychischen Erkrankungen die Aufmerksamkeit auf zukünftige oder vergangene Ereignisse gerichtet wird ist das Ziel, sich mittels Achtsamkeitsübungen im Hier und Jetzt zu verankern und zu erkennen, dass unangenehme Erfahrungen kommen und auch wieder gehen. Dieser Ansatz findet sich als zentrales Merkmal fast aller Therapieverfahren der „Dritten Welle“ und wird mit aus dem Zen-Buddhismus entliehenen Techniken umgesetzt.
  2. Akzeptanz. Eine weitere Grundidee in der ACT ist, dass die psychische Inflexibilität, die psychischen Erkrankungen zugrunde liege, auch auf einen Mangel an Akzeptanz zurückzuführen sei. So enstehe Leid vor allem aus dem (sinnlosen) Versuch, psychische Vorgänge (Gedanken und Emotionen) kontrollieren zu wollen, die sich jedoch nicht kontrollieren ließen. Die ACT grenzt sich hier deutlich von den klassisch kognitiv-verhaltenstherapeutischen Schulen ab und geht auch weiter als beispielweise die Dialektisch-Behaviorale Therapie nach Marsha Linehan, bei der Akzeptanz und Veränderung in ein ausgewogenes Maß gebracht werden sollen.
  3. Defusion. Dieser, ACT-typisch etwas ungewöhnlich anmutende Begriff, beschreibt einen Zustand, in dem es der therapierten Person gelingt, sich von eigenen Gedanken zu distanzieren. Typisch bei Depressionen und Angsterkrankungen sei ein Zustand der „kognitiven Fusion“, in dem die betroffene Person sich mit eigenen Gedanken identifiziere und diese für bare Münze nehme (z.B. im Sinne von „ich bin ein Versager“).
  4. Selbst als Kontext. Dieser Inhalt schließt direkt an den vorangegangenen Punkt an. Die Person erlebt sich in Folge von Fusion nur noch im Sinne eines „Konzept-Selbsts“ (z.B. als Versager). Stattdessen wird angestrebt, sich aus einer neutralen BeobachterInnenposition (dem „Kontext-Selbst“, im Buddhismus das „Wise mind“) zu erleben.
  5. Werteorientierung. In Abgrenzung zu den in der Verhaltenstherapie üblicherweise ausgearbeiteten (Therapie-) Zielen wird hier an grundlegenden Werten der betroffenen Person gearbeitet. Diese können im Gegensatz zu den Zielen nicht erreicht werden, sondern liefern eher die Grundlage zur Ausarbeitung der selbigen. Die Wertearbeit ist ein zentrales Kennzeichen der ACT – eine ACT ohne Wertearbeit ist keine ACT.
  6. Commitment. Hier geht es dann schlussendlich um überzeugtes, engagiertes Handeln, das sich an den o.g. Werten orientiert. Es werden konkrete Ziele und Wege, um diese zu erreichen, ausgearbeitet. Das Vorgehen an dieser Stelle ähnelt am ehesten dem klassisch verhaltenstherapeutischen Konzept.

Zu sämtlichen Modulen und den Grundlagen der ACT werden Therapiekarten geliefert. Diese sind auf großformatigen (etwas über DIN-A-5-Größe) Hochglanzkarten gedruckt. Auf einer Seite ist ein Bild gedruckt, welches das jeweils beschriebene Konzept bildlich verdeutlichen soll, auf der Rückseite wird es in Textform kurz erläutert. Die Module sind der besseren Unterscheidbarkeit halber farblich kodiert worden. Sie können sowohl zur jeweiligen thematischen Einführung, als auch der gezielten Vertiefung genutzt werden. Dabei werden mehrere Thematiken aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt. Die Texte können vorgelesen, vorgelegt oder gemeinsam gelesen werden. Jede Karte erhält neben den Erläuterungen auch einen Vorschlag für eine konkrete Übung.

Des Weiteren regt der Autor an, die Karten nach Zufallsprinzip zu ziehen und diese im Rahmen einer Therapie als „Wochen- oder Tageskarte“ abzuarbeiten (S. 16).

Diskussion

Das Kartenset kann und sollte ohne fundierte Grundkenntnisse im Verfahren der Akzeptanz- und Commitmenttherapie keine Anwendung erfahren. Dies ist vielleicht selbstverständlich, wird in der Anleitung jedoch nicht erwähnt. Wie dort beschrieben, kann es jedoch durchaus sowohl im Rahmen von Therapie als auch niederschwelliger, z.B. bei der Beratung genutzt werden.

Die Karten sind von beeindruckender Qualität und die ausgewählten Fotos machen die beschriebenen Prinzipien im Regelfall eindrücklich deutlich. Auch die zusammenfassende Beschreibung der zum Teil komplexen ACT-Prinzipien habe ich in derartig übersichtlicher Form bislang noch nicht gesehen. Als Beispiel hierfür sei die der ACT zugrundeliegende Bezugsrahmentheorie nach Hayes und Kollegen (2001) genannt: Diese ist so stark theoretisch konzipiert und ausgearbeitet, dass sie in der entsprechenden Fachliteratur für Laien häufig kaum nachvollziehbar ist (vgl. z.B. Törneke, 2012), hier ist es dem Autoren jedoch gelungen, die wesentlichen Inhalte (nämlich die Idee, nach der Sprache Erleben beeinflusst und dadurch Leiden erzeugen kann) prägnant und verständlich zusammenzufassen.

Da es ein erklärtes Ziel der ACT ist, sich von Sprache zu lösen und Therapie im Sinne erlebensbasierter Übungen zu gestalten, ist die Entwicklung von derartigen Arbeitsmaterialien konsequent und sinnvoll.

Fazit

Das Kartenset „Akzeptanz- und Commitmenttherapie“ stellt eine sinnvolle und hervorragend gestaltete Erweiterung des therapeutischen Repertoires von BeraterInnen und TherapeutInnen dar, die im entsprechenden Therapieverfahren bereits Erfahrungen sammeln konnten. Wenn hier noch keine Vorerfahrungen existieren, wäre zumindest die Lektüre einer entsprechenden Publikation zu empfehlen.

Rezension von
Dr. Alexander Tewes
Instituts- und Ausbildungsleiter LAKIJU-VT (Lüneburger Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie), Psychiatrische Klinik Lüneburg gemeinnützige GmbH im Verbund der Gesundheitsholding Lüneburg
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Es gibt 104 Rezensionen von Alexander Tewes.

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ISSN 2190-9245