Stephan Sallat: Musiktherapie bei Sprach- und Kommunikationsstörungen
Rezensiert von Dr. sc. mus. Monika Nöcker-Ribaupierre, 09.05.2018

Stephan Sallat: Musiktherapie bei Sprach- und Kommunikationsstörungen. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2017. 202 Seiten. ISBN 978-3-497-02642-5. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Autor
Stephan Sallat ist Professor für Pädagogik bei Sprach- und Kommunikationsstörungen an der Martin-Luther Universität in Halle. Seine Forschungsschwerpunkte sind der Vergleich von Entwicklung und Störung sprachlicher und musikalischer Fähigkeiten bei Kindern, die Möglichkeiten von Musiktherapie für den Förderschwerpunkt Sprache, sowie interdisziplinäre Versorgung und Zusammenarbeit.
Entstehungshintergrund und Thema
Als Experte für Sprachstörungen beschäftigte sich Sallat intensiv mit Musik als Kunst, als Lern- und Entwicklungsaufgabe und als Therapieform. Er erfuhr, dass Musik von vielen Fachleuten häufig unreflektiert aufgrund von Transfereffekten im therapeutischen Kontext eingesetzt und ihr damit ein zu großes Potenzial beigemessen wird. Diese Ansicht rührt zum Teil aus Studien, die erwachsene Profimusiker und Laien vergleichen. Dies ist der Ansatz von Sallat, über das Wissen über Sprachtherapie und Erkenntnissen aus der Musikforschung, neue Wege für einen reflektierten Einsatz von Musik in Sprache und Kommunikationstherapie aufzuzeigen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in drei Teile gegliedert:
1. Teil Grundlagen – Eine Einführung zur Musikwirkungsforschung in Bezug auf die Transfereffekte. Sallat verweist hier auf die Diskussion über Transfereffekte, die auch von Musiktherapeuten im medizinisch-therapeutischen Bereich über Evidenzbasierung geführt wird. Allerdings ist es aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen und Methoden schwer, die Wirkung von Musik zweifelsfrei nachzuweisen, weil es nicht in der Therapie nicht möglich ist, unabhängig von der therapeutischen Beziehung zu arbeiten. Das führt dazu, erweiterte Bereiche, wie die Untersuchungen hirnorganischer und anatomischer Befunde, die Wirkung von Musik auf Emotionen, die Kognition und die Sprachverarbeitung in die Diskussion mit einzubeziehen. Es folgt eine Einführung in Musiktherapie, in ihre integrative Orientierung und Grundlagen. Die Beschreibung von Sprache betreffen die formalen und die inhaltlichen Aspekte sowie deren Gebrauch, die Sallat anschaulich darstellt. Der Spracherwerb, die Voraussetzungen für Spracherwerb und -verarbeitung führen zur Erläuterung von Sprach- und Kommunitaktionsstörungen, sowie zum angestrebten Thema der Kommunikation: dem interaktiven Senden und Empfangen von Informationen, Zeichen und verbalen, nonverbalen und paraverbalen Signalen. Es folgt der letzte Grundlagenabschnitt, der interdisziplinäre Vergleich von Sprache und Musik in der ungestörten Entwicklung und Verarbeitung, der dann im 2.Teil auf spezifische Sprachstörungen führt.
2 Teil Störungsspezifisches Arbeiten in der Musiktherapie. Diese Grundlagen und eine detailliert beschriebene Definition von Sprachentwicklungsstörungen bieten die Basis für das Verständnis für die Möglichkeiten von Musiktherapie in Bezug auf Sprachentwicklungs-, Redefluss-, Autismus-Spektrums-Störungen, sowie psychogene, neurologisch bedinge Sprachstörungen und Hörstörungen. Sallat gibt einen umfassenden Überblick über wissenschaftlich fundiertes musiktherapeutisches Arbeiten und entsprechende Forschungen mit anschaulichem Praxismaterial.
Im 3. Teil geht es um Bausteine und Anregungen für die praktische Umsetzung und speziell für die musiktherapeutische Praxis, mit handlungsleitenden Reflexionen und umfangreichen Übungen zu therapeutisch relevanten Themen, wie Kommunikation, Artikulation, Wortschatz, Emotion oder Soziabilität.
Im Anhang finden sich eine umfassende Literatur, die Klassifikation für Sprach- und Sprechstörungen nach ICD-10 und Literaturtipps.
Diskussion und Fazit
In diesem Buch stellt Stephan Sallat den aktuellen Stand der interdisziplinären Forschung zu Transfereffekten von Musik und Sprache dar, die Musikpsychologie, Musikpädagogik, Musiktherapie und Neurowissenschaften ebenso einschließt wie auf Sprache bezogenes entwicklungspsychologisches und -pädagogisches Wissen. Die einzelnen Teile sind einheitlich gegliedert nach Klassifikation, Prävalenz und Symptomatik, nach Interventionsmöglichkeiten und fachlichen Erkenntnissen, übersichtlich und sachlich, sowie angereichert mit zusammenfassenden Einschüben und Tabellen.
Für alle TherapeutInnen, die mit entwicklungsverzögerten Kindern arbeiten, also LogopädInnen, SprachhheilpädagogInnen und MusiktherapeutInnen, bietet dieses Buch eine höchst informative und brauchbare Grundlage und anregende Quelle für die Förderung von sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten und darin, Musik in jeder Art von Sprachtherapie symptombezogen und realistisch einzusetzen. Das Buch ist in jeder Beziehung wärmstens zu empfehlen.
Rezension von
Dr. sc. mus. Monika Nöcker-Ribaupierre
Dipl. Musiktherapeutin DMtG, Vice President der International Society for Music in Medicine ISMM.
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