Peter Hammerschmidt, Juliane Sagebiel et al.: Big Data, Facebook, Twitter & Co. und Soziale Arbeit
Rezensiert von Dipl.-Soz. Päd. Richard Janz, 04.06.2018
Peter Hammerschmidt, Juliane Sagebiel, Burkhard Hill, Angelika Beranek: Big Data, Facebook, Twitter & Co. und Soziale Arbeit. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2018. 178 Seiten. ISBN 978-3-7799-3767-8. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 27,90 sFr.
Thema und Entstehungshintergrund
„Die Digitalisierung der Gesellschaft hat (…) alle Lebensbereiche der Alltags- und Berufswelt durchdrungen und nachhaltig verändert. Die heutigen Lebenswelten sind digitale Lebenswelten (…)“ (Einführung/Einleitung, S. 9). Und dieses Phänomen als gesellschaftlicher Transformationsprozess – neben Digitalisierung auch als Mediatisierung bekannt – betrifft auch alle Bereiche und Tätigen der Sozialen Arbeit – sowohl in der Theorie (Lehre und Forschung an Hochschulen) als auch in der Praxis (Adressat*innen und Professionelle).
Ziel und Anliegen des Bandes ist es laut den vier Herausgeber*innen, die oftmals unsichtbaren oder versteckten Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen dieser offensichtlichen Veränderungen, die der Mediatisierungsprozess mit sich bringt, in explizitem Bezug auf die Soziale Arbeit zu erfassen, zu thematisieren und zu erklären (ebd.).
Dabei greift das Buch mit dem am Beginn des Titels stehenden Terminus „Big Data“ eine hochaktuelle Thematik auf. Und auch wenn es nicht ausschließlich in diesem Band um „Big Data“ in Bezug auf Soziale Arbeit geht, so sind doch alle einzelnen Artikel in diesem Werk ‚von diesem Wind umweht‘; dies zeigt, dass die Mediatisierung/Digitalisierung in ihrem innersten Kern grundsätzlich nicht (mehr) von Analysen und berechnenden Voraussagen mittels Big Data-Technologie zu trennen ist >> Ob es um Bildung und Lernen, Spiele, Ethik, Macht, Werte oder um Tätigkeitsgebiete innerhalb klassischer Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit geht: Alles mündet im Rahmen der technologischen Entwicklungen, die den sozialen Wandel maßgeblich beeinflussen und mitbestimmen, in Daten!
Diesen datenbezogenen Wandel der Gesellschaft nicht als ein isoliertes Phänomen informatorischer Angelegenheit oder als maximale medienpädagogische Begleiterscheinung zu betrachten, sondern als konstitutiven Prozess aktueller Sozialer Arbeit zu verstehen, ist Anlass für und Thema in diesem Buch, welches in acht einzelnen Artikeln aus unterschiedlichen Perspektiven differenziert beleuchtet wird.
Entstehungshintergrund
Beim vorliegenden Buch handelt es sich dabei um den ersten Band, der in der Reihe „Aktuelle Themen und Grundsatzfragen der Sozialen Arbeit“ an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München erschienen ist. So sind die vier Herausgeber*innen allesamt Professor*innen der Hochschule München an der o. g. Fakultät. Ihr Ziel ist es, zusammen mit Kolleg*innen anderer Hochschulen und Einrichtungen außerhalb der Hochschule Expertisen unterschiedlichster Perspektiven in die Fachdiskussion an der eigenen Hochschule miteinzubringen und diese zugleich einer interessierten (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Herausgeber*innen und Autor*innen
Auffällig ist, dass alle vier Herausgeber*innen – Angelika Beranek, Peter Hammerschmidt, Burkhard Hill und Juliane Dagebiel – nicht nur allesamt eine Professur an der Hochschule München an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften innehaben und so anerkannte Wissenschaftsexpert*innen für ihr denominiertes Fachgebiet sind, sondern alle vier auch mal Sozialpädagogik studiert haben. Und darüber hinaus besetzt von den vieren nur Angelika Beranek mit ihrer Professur an der Hochschule München ein Lehrgebiet, welches einen expliziten Medienbezug aufweist. Dies zeigt und bestätigt in besonderer Weise, dass hier eben nicht ein Buch für die Medienpädagogik herausgegeben wurde, sondern dass der wissenschaftliche Zugang zu diesem „digitalen“ Themenbereich bewusst aus der und für die Perspektive der Sozialen Arbeit gewählt wurde. Dies finde ich besonders erwähnenswert, weil es die konsequente Haltung der Herausgeber*innen zeigt, digitalisierte Medien in unserer heutigen Zeit als das zu verstehen, was sie sind: Nicht ein medienpädagogischer Teilbereich von Sozialer Arbeit, sondern als eine der konstitutiven Bedingungen des sozialen Wandels und damit eine originäre Herausforderung einer ganzheitlich orientierten – wissenschaftsfundierten – Sozialen Arbeit.
Die sechs Mitautor*innen dieses Bandes kommen sowohl aus dem hochschulischen als auch aus dem außerhochschulischen Bereich. Letztere sorgen damit für eine breiter aufgestellte Perspektive der Auseinandersetzung als nur vor dem Hintergrund eines hochschulwissenschaftlichen Kontexts.
Aufbau und Inhalt
Diese Publikation besteht aus acht einzelnen Artikeln, wovon der erste von den Herausgeber*innen verfasst ist und als Einführung in den Band dient.
In diesem ersten Fachbeitrag, der den Buchtitel als Überschrift führt, werden auf 24 Seiten in vier Kapiteln schon sehr grundsätzliche Informationen zum Themenbereich geliefert, Diskussionen geführt und Denkanstöße gegeben: So greifen die Herausgeber*innen z.B. die teils kontrovers geführte Diskussion zu den Begriffen Digitalisierung und Mediatisierung und ihrer Abgrenzung voneinander auf (9 ff.), illustrieren aktuelle technologische Entwicklungen anhand von Alltagsbeispielen, fokussieren diese noch mal explizit für den Bereich der Bildung oder auch in Bezug auf die informationelle Selbstbestimmung, greifen aktuelle Debatten zu Hassbotschaften und Formen von Kriminalität im Netz auf und streifen das unter Medienpädagog*innen bekannte Medienkompetenzmodell nach Baacke, um im dritten Kapitel ihres Artikels konkret auf die Herausforderungen all dieser Entwicklungen für die Soziale Arbeit einzugehen: „Wenn also davon auszugehen ist, dass die Digitalisierung inzwischen alle Bereiche (…) durchdrungen hat, (…), wenn wir nicht mehr zwischen einer medialen und nichtmedialen Wirklichkeit unterscheiden können, dann wird die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung zu einer Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche der Sozialen Arbeit betrifft“(19).
Im dritten Kapitel werden die Zielgruppen, Arbeitsfelder und die Profession der Sozialen Arbeit unter dem Gesichtspunkt der mit der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen weiter erörtert und hinsichtlich der Zukunftsentwicklungen der Fokus noch mal verstärkt auf den Bereich der Datafizierung (Berechnungen und Profil- und Prognosenerstellung auf Basis von Big Data-Analysen) gelegt. Hierbei vergessen die Autor*innen auch nicht, die schnell voranschreitende Entwicklung künstlicher Intelligenzen mit den damit verbundenen Fragen zu einem Wissenschaftsverständnis der Profession der Sozialen Arbeit hinsichtlich z.B. von Objektivität, Vertrauen, Kontrolle und Handlungsspielräumen darzustellen (26). Im vierten Kapitel dieser Einführung skizzieren sie die nachfolgenden Fachbeiträge mit ihrer jeweiligen Schwerpunktsetzung. (Jeder Artikel endet mit dem für den jeweiligen Fachbeitrag genutzten Literaturverzeichnis.)
Im zweiten Fachbeitrag widmet sich Mitherausgeber Burkhard Hill einem fokussierten Blick der medienpädagogischen Position innerhalb der Sozialen Arbeit, wobei er die „Vermittlung von Medienkompetenz als integrierte Aufgabe der Sozialen Arbeit“ (33) vorschlägt: „Insofern spricht die hier aufgeworfene Fragestellung auch einem Versuch, auf die digitalen Entwicklungen zu reagieren, sofern sie Auswirkungen auf Zielgruppe und Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit haben. Das Ziel ist, zu den Phänomenen eine professionelle Haltung zu gewinnen und entsprechendes Wissen in allen Arbeitsfeldern einfließen zu lassen“ (34 f., Hervhg. RJ).
Zunächst beschreibt Hill Aspekte und Phänomene der heutigen (Medien-)Gesellschaft und hält in Zwischenfazits Kernerkenntnisse fest: Digitale Nutzung als Normalfall; Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten zugunsten des Wegfalls von Datenschutz, Persönlichkeitsrechten und der freiwilligen Aufgabe von informationeller Selbstbestimmung; nachlassende Sensibilität für eigene Rechte einerseits, durch die Be- und Verrechnung eigener Daten durch intransparente Algorithmen erhöhtes Sicherheitsbedürfnis andererseits und letztlich der Verlust von Kontrolle kennzeichnen ebensolche Symptome.
Im vierten Kapitel bezieht Hill seine Beobachtungen der mediatisierten Welt konkret auf das Konzept der Lebensweltorientierung nach Thiersch (42 ff.) und auf den von Böhnisch eingeführten Lebensbewältigungsbegriff (44 f.). In der Auseinandersetzung mit der Lebensweltorientierung spielen für ihn vor allem die „Strukturmaximen (…) Transparenz, Erreichbarkeit und Partizipation eine besondere Rolle“ (43), die es in Bezug auf ihr diesbezügliches Gefährdungspotenzial z.B. hinsichtlich intransparenter digitaler Datenerhebung und -speicherung bei softwaregestützten Falldokumentationen (ebd. mit Bezug auf den im Band vorhandenen Beitrag von Sagebiel und Pankofer) zu erkennen gilt, auch wenn aktuell Entwicklungen, wo der persönliche Beratungskontakt durch Technik und Software ersetzt wird, noch nicht zu entdecken sind.
Im Zusammenhang mit Böhnischs Lebensbewältigungsbegriffs erkennt Hill in der Digitalisierung Möglichkeiten und einen Bildungsansatz für Individuen, Handlungsfähigkeiten zu erhalten, wenn es beispielsweise darum geht, „alternative Angebote (bereitzustellen, RJ), die an der zugrunde liegenden Bedürfnisstruktur ansetzen“ (45). Dies könne vor allem in projektorientierten Angeboten und Konzepten gelingen, womit auch strukturelle Maßnahmen umgesetzt werden könnten, die sodann nach Böhnischs Forderung auch das sozialpolitische Mandat von Sozialer Arbeit mit aufnähmen.
Mit dem konkreten Bezug zum Medienpädagogikverständnis von Baacke im fünften Kapitel, welches sich als „alle sozialpädagogischen, sozialpolitischen und sozialkulturellen Überlegungen und Maßnahmen und Angebote“ (1997, 5, zit. n. Hill, 47) für alle Menschen in Auseinandersetzung mit allen Arten von Medien zur u.a. Entfaltung der Persönlichkeit, eigener Interessen und politischer Partizipation darstellt, gelingt Hill in den nachfolgenden Kapitel sechs und sieben noch mal die ausdrückliche Betonung, die Vermittlung von Medienkompetenz eben nicht nur als eine spezifische medienpädagogische Aufgabe innerhalb klar umrissener und abgegrenzter Medienwelten zu verstehen, sondern als ein (Medien-)Bildungskonzept zu begreifen, was für die heutige Lebenswelt an und für sich genommen gilt: „Vorbei sind in jedem Fall die Zeiten, wo Medienpädagogik als Randerscheinung der Sozialen Arbeit betrachtet werden konnte. Lebenswelten entwickeln sich mehr und mehr zu Medienwelten“ (51).
Der dritte Fachbeitrag von Juliane Sagebiel und Sabine Pankofer analysiert die Machtverhältnisse und Machtwirkungen in der Sozialen Arbeit, die mit und durch die Digitalisierung einhergehen. Um die unterschiedlichen Machtwirkungen und Machtsetzungen sowohl für die Professionellen als auch für die Adressat*innen zu untersuchen, gehen sie dies mithilfe eines „Mehrebenen-Analyse-Rasters“ (58) an, „um die komplexen Zusammenhänge von Gesellschaft, Organisation, Interaktion und Subjektwerdung mit ihren Widersprüchen zu erfassen, sichtbar zu machen und strukturiert darstellen zu können“ (ebd.).
Auf der Subjektebene befassen sich die Autorinnen mit der Frage: „Was m(M)acht die Digitalisierung mit den Menschen?“ (59). Mit Bezugnahme u.a. auf Butler und Foucault legen sie zunächst dar, was und wie sowohl als Subjektwerdung als auch als Machtkonstitution begriffen werden kann und wie sich beides zueinander verhält. Sie untersuchen das Verhältnis von Machterzeugung durch Unterwerfungsmechanismen, die sich in Kommunikation und Diskurs wiederfinden, zeigen dabei Zwänge im neoliberalistischen Kapitalismus auf, die nach außen wie Freiheit wirken, sich aber in einer ständigen medialen Selbstoptimierung und Selbstpräsentation tatsächlich als das Gegenteil erkennen lassen. Neben negativen Machtwirkungen offenbaren Sagebiel und Pankofer aber auch die produktive Seiten der Macht durch digitale Medien: „So verstanden wird produktive Macht auch in und durch genau diese digitalen Medien ausgeübt in einem Netz von dynamischen Beziehungen und Kräfteverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern und organisieren, wie z.B. die selbstverständliche Nutzung digitaler Medien im Alltag, in Arbeit und Industrie 4.0. (…) Die Machtformen (datensetzende Macht), Institutionen (Digitalisierung der Arbeitswelt) und die Machtpraxen (Konsum und Produktion) können demnach sowohl negativ als auch positiv für die Entwicklung der Subjekte und der Gesellschaft beurteilt werden“ (61 f.).
Da diese Machtverhältnisse oft nicht einfach von Fachkräften der Sozialen Arbeit einzuschätzen sind, richtet sich der nächste Blick auf die Interaktionsebene. Hier weisen Sagebiel und Pankofer auf neue Formen der Kommunikation über digitale Medien in der Sozialen Arbeit hin. Das interaktive Verhältnis zwischen Sozialarbeiter*in und Adressat*in verändert sich: Bestimmung bzw. Anpassung und Dokumentation und Speicherung von Daten, die in Datensysteme passen müssen, einhergehend mit der Intransparenz digitaler Medien sowie eine vom Kostenträger geforderte schnellere und effizientere, d.h. oft nach Datenlage zu bestimmenden Maßnahmen, bewirken unsichtbare, aber gleichzeitig wirkungsvolle Machtverhältnisse auf dieser Ebene: „Die Positionen zwischen Fachkräften und AdressatInnen unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Verfügung von Machtquellen“ (64).
Im Anschluss widmen sich die beiden Autorinnen der Vermittlung von Macht auf Organisationsebene, wo sie mit Bezugnahme auf u.a. Luhmann vor allem die Machtausübung auf Basis von formaler Organisation (Verwaltung) beschreiben (65). Softwaregestützte Dokumentationen führen Inhalte der Sozialen Arbeit in eine technische Form über (66 f.). Dies kann zu einer optimierteren Steuerung von Arbeitsprozessen einerseits führen, andererseits aber auch als eine Form der Standardisierung kreative und innovative Ideen bei fachlichen Entscheidungsprozessen behindern und einschränken (67 f.).
Auf der Gesellschaftsebene befassen sich Sagebiel und Pankofer mit der Digitalisierung in Bezug auf Macht auch noch mal gesondert mit den Auswirkungen im Professionsverständnis, wenn Macht sich sowohl auf individueller, organisationsbezogener und interaktiven Ebenen vollzieht. Wenn sich die Soziale Arbeit im digitalisierten Zusammenhang als „Erfüllungsgehilfen des Kapitals“ (69, unter Bezugnahme auf Hofstetter 2016) reduziert, hat das weitreichende Folgen für die Profession: „Erkennt die Profession die produktiven Seiten der Macht und vermag sie diese für sich zu nutzen? (…) Ist sie in der Lage, den technologischen Zugriff zu gestalten und professionelle Identität zu wahren?“ (69). Hier appellieren sie vor allem an die Hochschulen und sehen diese gefordert, „Studierende deutlich stärker als bisher im Bereich Nutzung, Chancen und Risiken digitaler Technologien in sozialen Prozessen auszubilden (…). (…) Profession und Disziplin stehen in der Verantwortung, die digitale Entwicklung kritisch und machtbewusst zu reflektieren, um den Wandel mit ihrem Wissen und und Können zu gestalten (…)“ (71).
Der vierte Fachbeitrag befasst sich ausschließlich mit dem Phänomen von „Big Data“ in der Sozialen Arbeit und nähert sich diesem Thema aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive. Neben einer ausführlichen Definition dessen, was Big Data tatsächlich ist und meint, und sich daran anschließenden illustrativen Erläuterungen der damit einhergehenden Phänomene als „Treiber der digitalen Transformation“ (81, 85) wie die Datafizierung, die Sensorisierung und Weltvermessung, die Vernetzung und Interaktion, die Algorithmisierung und maschinelles Lernen, mündet Harald Gapski dann im siebten Kapitel seines Beitrags in Anwendungsbeispielen für Predictive Analytics in der Sozialen Arbeit ein: Das „Predictive Risk Modelling“ (86) in Neuseeland zur methodischen Identifizierung von Kindern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Misshandlungen ausgesetzt sind, beschreibt ein Modell in der Kinder- und Jugendhilfe zur „Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Serviceleistungen sowie Kostenreduktion im Sozial- und Gesundheitssystem“ (ebd.) auf Basis der Berechnung eines Scores. Hier ist es genau so eine Herausforderung, die Verlässlichkeit und Gültigkeit von Ergebnisvariablen herzustellen als auch „mit Blick auf Big Data in der Sozialen Arbeit“ (ebd.) den moralisch und ethisch vertretbaren Einsatz einer solchen Methode mit den verantwortlichen Mitarbeitenden der Sozialen Arbeit zu diskutieren. Ein anderes Beispiel stellt das Prinzip des Predictive Policing dar: Hier geht es darum, in vorausschauender Weise zukünftige Straftaten zu antizipieren und zu verhindern.
Dabei ist die Übertragbarkeit von Big Data Analaytics auf solche wie die oben skizzierten sozialen Kontexte mit erhöhten sozialen Risiken und ethischen Problemen wie z.B. Stigmatisierungs- und auch Diskriminierungsgefahr verbunden, aber: „Unter politischen [!] und wirtschaftlichen [!] Handlungsdruck gewinnen Effizienzkriterien an Gewicht und fördern die Einführung von innovativen und datengetriebenen Verfahren der Entscheidungsunterstützung“ (87). So fragt Gapski dann auch kritisch und zugleich provokativ, ob Big Data als Theorieersatz gelten kann? (89).
Zum Schluss seines Fazits konstatiert Gapski, dass „Big Data nicht als isoliertes Werkzeug, sondern als Ausdruck und Prozess einer ökologisch zu interpretierenden gesellschaftlichen Transformation betrachtet werden sollte“ (92) und fordert (für) die Soziale Arbeit zur Diskussion auf, sich mit den ethischen Leitfragen hinsichtlich eines Menschenbildes auseinanderzusetzen in Bezug auf Vorstellungen und Wünschen, wie man „in einer datafizierten und algorithmisierten Welt“ (ebd.) leben möchte.
Im daran anschließenden fünften Fachbeitrag von Christian Schicha geht es um ethische Herausforderungen, vor allem im Bezug auf die Reflexion moralischen Verhaltens im Informationsbereich: „Als zentrale ethische Herausforderung für die Informationsethik gelten der Informationszugang, die Informationskompetenz und die Informationsgerechtigkeit. Die Verantwortungsfrage im Umgang mit computergenerierten und automatisierten Prozessen im digitalen Zeitalter gehört dabei zu den zentralen Aspekten informationsethischer Reflexionen“ (101). Social Bots als „schreibende Algorithmen“ (ebd.) spielen dabei eine besondere Rolle. Schicha widmet sich in einzelnen Unterkapiteln dem „schlechten Image“ (103), den Identifikationsmöglichkeiten (104) und dem Einsatz von Social Bots in politischen Debatten mit Bezug zum letzten amerikanischen Wahlkampf zwischen Clinton und Trump (ebd.) sowie den konstruktiven Ansätzen im Umgang mit Social Bots (105).
Neben den Social Bots werden auch Algorithmen einer medienethischen Betrachtung unterzogen und zunächst deren Einsatzfelder breit dargelegt: Vom computergenerierten Journalismus über die Autovervollständigung bei Google hin zu digitalen Partnerschaftsbörsen und als Einsatz gegen Plagiate im Wissenschaftsbereich widmet sich Schicha auch den Risiken automatisierter Selektionsprozessen durch Algorithmen (105 – 112): „Die zunehmende Dominanz von Technologien kann zu einer Fremdbestimmung führen und die Selbstbestimmung und Handlungsautonomie der Menschen durch die Unkontrollierbarkeit von Algorithmen einschränken“ (112).
Datensicherheit, Datenschutz, Schutz vor Missbrauch und auch eine namentliche Kennzeichnung zur Übernahme der Verantwortung für Online-Statements sind aus Sicht von Schicha hilfreiche Forderungen, um sich im Rahmen von Konzepten, die für Online-Kommunikation eine Ethik fordern, kritisch auseinanderzusetzen. Problem dabei ist, dass sich Algorithmen oftmals als Firmengeheimnisse von Wirtschaftsunternehmen einer solchen Reflexion eben dadurch entziehen. Neben der Überlegung, ob es sinnvoll ist, Algorithmen durch eine Prüfungsinstanz offen zu legen, gibt es auch die Forderung und den Appell an Entwickler*innen, soziale Verantwortung als ethische Selbstverpflichtung zu übernehmen, Algorithmen an normative Grundsätze wie Fairness und Gerechtigkeit zu binden. Unabhängig hiervon sieht Schicha aber auch die Notwendigkeit einer „Publikumsethik (…), (…) eigenes Verhalten im Internet kritisch zu reflektieren und ggf. neu zu justieren“ (113) mit Blick auf „das eindimensionale und stark verkürzte Diskursniveau, auf dem zahlreiche Äußerungen im Internet basieren“ (ebd. unter Bezugnahme auf Drösser 2016). Grundsätzlich geht es also um einen reflektierten und sensiblen Umgang (114) in Bezug auf computergenerierte Programme, „um Verantwortung, Transparenz und Handlungsautonomie, auch in Bezug auf die Soziale Arbeit zu leisten“ (115) und zu gewähren.
Patricia Arnold befasst sich im sechsten Fachbeitrag mit dem Lehren und Lernen mit digitalen Medien unter dem Schlagwort „Bildung 4.0“. Arnold führt in ihren Beitrag ein, indem sie zunächst die Frage stellt, ob der grundsätzlich positive zugesprochene Stellenwert von digitalen Medien für Lehr- und Lernprozesse überhaupt berechtigt ist und nicht etwa einem wenig reflektierten Technikdeterminismus zugrunde liegt. Selbst die Erkenntnisse des ‚Hochschulforums Digitalisierung‘ besagen, dass digitale Lehre nicht per se besser, sondern anders sei. Daher sieht sie in ihrem Beitrag „das Lehren und Lernen mit digitalen Medien (…) als komplexe Gestaltungsaufgabe (…), die die konstituierenden Faktoren von Bildungsprozessen bei der Entwicklung und dem Einsatz von digitalen Medien in Lehr/Lernsettings berücksichtigen muss“ (119), was auch für Studiengänge der Sozialen Arbeit gilt. Vorteile, die durch digitale Medien in der Hochschulbildung realisiert werden könn(t)en wie z.B. „erweiterter Zugang“ oder „Personalisierung der Lernwege“ oder „komplexe Problemstellungen kollaborativ zu erarbeiten“ (122), werden von ihr aufgelistet und im Anschluss anhand von drei Praxisbeispielen (Kollegiale Beratung online, Freie Bildungsressourcen und MOOCs und Automatische Lernprozessanalysen) näher untersucht und ihre Analyse dreigeteilt auf die „Idee und das Lernszenario“, den „Mehrwert und das Innovationspotenzial“ und auf die „Begrenzungen und Herausforderungen“ hin analysiert (124 – 131). In allen drei Beispielen geht sie differenziert und nachvollziehbar auf die unterschiedlichen Bedingungen ein.
Nicht nur für diese drei gewählten Beispiele, sondern allgemeingültig formuliert stellt sie abschließend in ihrem Fazit fest, dass es eine „komplexe und facettenreiche Gestaltungsaufgabe (ist), die mit dem Einsatz von digitalen Medien auf jeder Ebene von Bildungsprozessen notwendig verbunden ist“ (132) und es letztlich auf die konkrete Umsetzung dieser Ideen ankommt, die wiederum von vielen strukturellen und personellen Bedingungen abhängt: „Das Schlagwort ‚Bildung 4.0‘ kann hier bestenfalls Antrieb und Motor für den notwendigen gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozess sein“ (ebd.).
Der siebte Fachbeitrag befasst sich mit den Grenzen und Möglichkeiten des Einsatzes von digitalen Spielen für transformative Lernprozesse. Selbsterklärtes Ziel der beiden Autor*innen Konstantin Mitgutsch und Lena Robinson ist es, „SozialarbeiterInnen einen Zugang zum Thema digitale Spiele zu ermöglichen, der für sie in ihrer Arbeit nützliche Denkanstöße bietet und die realistischen Potenziale sowie Grenzen von digitalen Spielen im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit aufzeigt“ (136).
Zunächst setzen sie sich mit dem spielerischen Lernpotenzial von digitalen Spielen auf Basis mehrerer Ebenen auseinander: Lernen durch Herausforderung, Exploration, Perspektivenwechsel und Feedback. Danach stellen sie unterschiedliche Arten von Spielen mit Lernpotenzial vor: Lernspiele (z.B. zum Lernen von Vokabeln), Serious Games (mit pädagogisch intendierten Zwecken, die nicht der reinen Unterhaltung dienen) und Kunstspiele bzw. Kritische Spiele, die ihre Perspektive auf ein spezifisches – oftmals gesellschaftskritisches oder soziales – Thema ausrichten. Kommt noch eine bewusste Reflexionsebene dazu, handelt es sich um ein so genanntes „Serious Play“, z.B. wenn es darum geht, zu verstehen, „wie Demokratie funktioniert“ (142). Einen Nutzen aus Spielelementen in „Nicht-Spiel-Kontexten“ wird als Gamifizierung bezeichnet (ebd.). Hiermit zeigen die beiden breit gefächerte Möglichkeiten eines Spieleinsatzes für Settings im Rahmen der Sozialen Arbeit auf.
Im nächsten Kapitel setzen sie sich mit dem Transferproblem auseinander, welches von den Verfasser*innen aus einer lerntheoretischen Perspektive betrachtet wird. Hierbei unterscheiden sie den Transfer des Gelernten: Informatives Lernen geht einher mit einer „Erweiterung des Wissens, der eigenen Fertigkeiten oder Kompetenzen“ (145), während transformatives Lernen „den Bezugsrahmen zu den eigenen Erwartungen, Werten und Interpretationen“ verändert (ebd. mit Bezug auf Mezirow 2010). Eine andere Herausforderung stellt zum Beispiel die Rolle der pädagogischen Fachkräfte im Umgang mit Spielen dar in sozialpädagogischen Settings. So halten Mitgutsch und Robinson mit Blick auf die unterschiedlichen Herausforderungen fest, „dass an den Einsatz von digitalen Spielen in einem sozialpädagogischen Setting (…) mit kritischem Blick herangegangen werden sollte“ (ebd.).
Entsprechende Anwendbarkeit für die Soziale Arbeit beschreiben sie in ihrem fünften Kapitel, wo sie festhalten, dass es von verschiedenen zu berücksichtigende Faktoren wie z.B. die Zielgruppe, die Rahmenbedingungen und auch vom erklärten Lernziel abhängig ist, wie und welche Spiele zum Einsatz kommen können (146). Mitgutsch und Robinson sind der Auffassung, dass es zu einer spieltheoretisch reflektierten Anwendung von Spielen in entsprechenden sozialpädagogischen Settings „zweier Expertisen bedarf: die der MedienpädagogInnen und die der SozialarbeiterInnen“ (148), damit konstruktive Spielerfahrungen der Zielgruppe begleitend und entsprechend transformativ umgesetzt werden können für reale Lebenssituationen (150): „Die SozialarbeiterInnen müssen dabei nicht ExpertInnen für Videospiele sein, sondern für die Situation und die Lebenswelt ihrer Klientel“ (ebd.).
Der achte und letzte Fachbeitrag von Angelika Beranek thematisiert die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Profession der Sozialen Arbeit und liest sich wie eine Zusammenfassung des gesamten Bandes: Sie nimmt noch mal gezielt Stellung zu den allgegenwärtigen Berechnungen durch Algorithmen und geht in ihrem Beitrag auch in diesem Kontext noch mal auf unterschiedliche Ebenen ein, die schon Sagebiel und Pankofer in ihrem Beitrag zu den Machtverhältnissen untersucht haben. Ausgehend davon, dass Technik nicht neutral ist, stellt Beranek in diesem Kontext aber weiterführende, übergeordnete Fragen, mit der sich die Soziale Arbeit auseinandersetzen muss:
„Für die Soziale Arbeit stellt sich die Frage, welche für die Profession und ihren Auftrag relevante Auswirkungen diese Algorithmen haben und welche Werte und Normen hier (weitgehend intransparent) vermittelt werden. Welche Fragestellungen kann die Soziale Arbeit der Informatik überlassen? Wo muss sie sich einmischen und sich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusstwerden? Gelingt dies nur durch die praktische Arbeit mit der Klientel oder muss Soziale Arbeit sich auch politisch engagieren und die Diskurse öffentlich führen?“ (156).
In einem weiteren Kapitel widmet sich die Autorin zur Begriffsklärung der nicht eindeutig messbaren Medienwirkung und erklärt im Anschluss, was unter einem Algorithmus zu verstehen ist (157 f.), wo sie noch einmal betont, dass technische vermittelte Informationen häufig „neutral und unbestechlich“ (158) erscheinen, dies aber nicht sind, weil sie von Menschen, also Subjekten mit eigenen Wert- und Normvorstellungen, programmiert sind. Schönheit und Lebenszufriedenheit, häufig vermittelt in sozialen Netzwerken und häufig durch Jugendliche, entlarvt sie als erzwungene „Prozesse des sozialen Vergleichs“ (161) und fordert für die Soziale Arbeit, sich mit den Auswirkungen solcher Mechanismen medienpädagogisch handlungsorientiert und kritisch auseinanderzusetzen. Auch ihre Beiträge zu digitalen Spielen unter dem Gesichtspunkt der monetär orientierten Programmierung ergänzen den Beitrag von Mitgutsch und Robinson mit signifikanten Erkenntnissen. In ihrem vierten Kapitel untersucht Beranek die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft unter konkret demokratischen, gerechtigkeitsbezogenen und menschenrechtsbezogenen Aspekten und Gesichtspunkten inklusive Meinungsfreiheit und informationeller Selbstbestimmung (164 – 173). Dabei vergisst sie auch nicht, Gesetze bzw. Gesetzesvorhaben zur Netzneutralität und zur Netzwerkdurchsetzung – kritisch-reflektiert und multiperspektivisch – zur Sprache zu bringen. So konstatiert sie in ihrem Fazit: „Sowohl im direkten Kontakt mit Klienten der Sozialen Arbeit als auch auf der gesellschaftlichen Ebene vollziehen sich einschlägige Veränderungen durch die Digitalisierung. (…) Soziale Arbeit muss sich diesen Veränderungen stellen – und zwar nicht im Sinne einer bloßen Reaktion auf bereits vollzogene Veränderungen, sondern auch proaktiv in die mit der Digitalisierung verbundene Wertediskussion eingreifen“ (174).
Diskussion
Es gelingt den Herausgeber*innen Peter Hammerschmidt, Juliane Dagebiel, Burkhard Hill und Angelika Beranek mit ihrem Band in nachvollziehbarer Weise, die Relevanz eines auf den ersten Blick eher der Medienpädagogik zuzuordnenden Themas auf ein Grundverständnis Sozialer Arbeit zu beziehen und nachhaltig darzulegen: „Die digitale Durchdringung des Alltags ist zwar nicht immer sichtbar, gleichwohl bestimmt sie mehr und mehr die gesellschaftliche Wirklichkeit, nicht zuletzt durch digitale Kommunikationsmittel und durch künstliche Intelligenz, die ihre Algorithmen ohne menschliches Zutun weiter entwickelt“ (S. 20). Das heißt nichts anderes als dass Soziale Arbeit heute immer auch Medienarbeit oder medienpädagogische Arbeit ist. Während man früher die Medienpädagogik als einen Teilbereich der Sozialen Arbeit verstanden hat, wo man auf einer individuellen Handlungsebene Medienkompetenzen brauchte, um sich in ‚spezifischen Medienwelten‘ souverän und selbstbestimmt zu bewegen, vollzieht sich der digitale Wandel heute nicht nur so, dass alle Lebensbereiche mediatisiert, also digital durchdrungen sind, sondern dass diese Durchdringung auf einer überindividuellen, sprich gesellschaftlichen Ebene Einflüsse ausübt, wo es nicht mehr ausreicht, diesen mit einer individuell vorhandenen Medienkompetenz zu begegnen, da diese Einflüsse zum einen häufig unsichtbar und intransparent und zum anderen auch nicht mehr für uns nachvollziehbar stattfinden, weil selbst Programmierer*innen häufig nicht mehr wissen, wie ‚ihre Algorithmen‘ Zusammenhänge, Korrelationen, Prognosen und Profile berechnen und erstellen.
Dieses technologische Phänomen manifestiert sich im Begriff „Big Data“. Und so ist es an der Zeit, sich hiermit bewusst ganz allgemein in Bezug auf die Soziale Arbeit auseinanderzusetzen: Es ist eine technologische Entwicklung, die aus den unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet und behandelt werden muss, da sie sich auf die unterschiedlichsten Bereiche auswirkt: Bildung, Lernen, (Menschen-)Recht, Privatsphäre, Demokratie, Unterhaltung, Politik, Partizipation, Gesundheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Vielfalt… alles (Querschnitts-)Themen der Sozialen Arbeit, die durch die Algorithmisierung und damit verbundenen Big Data-Analysen als davon ebenfalls durchdrungene soziale Tätigkeits- und Problemfelder gesehen werden müssen.
Diesem Anspruch, sich Big Data und der digitalen Transformation der Gesellschaft aus den unterschiedlichsten Perspektiven anzunähern, gelingt dem Sammelband in beachtenswerter Weise: Auch wenn nicht alle Fachbeiträge explizite Bezüge zur Sozialen Arbeit aufweisen – so zeigen sich im Beitrag von Christian Schicha zu den „informationsethischen Herausforderungen“ nur vereinzelte grobe und eher implizite Bezüge zur Sozialen Arbeit und auch im Beitrag zu „Bildung 4.0“ von Patricia Arnold sind die Bezüge und dargelegten Erkenntnisse außer bei dem einen Beispiel zur „Kollegialen Beratung online“ eher allgemeingültiger Natur –, belegen alle hier angesprochenen Bereiche das multiperspektivische Verständnis, technologische Entwicklungen nicht medienspezifisch separiert, sondern ganz reflektiert als soziale Prozesse zu verstehen.
Und diese Zusammenhänge zu verstehen und für alle Professionellen und Adressat*innen der Sozialen Arbeit einhergehend damit einen hierfür ganzheitlichen Begriff eben dieser Sozialen Arbeit zu reflektieren, ist in mediatisierten Gesellschaften und im Big-Data-Zeitalter unabdingbar, um kritisch-reflektiert und verantwortungsbewusst zu handeln. Ob Soziale Arbeit als Wissenschaftsdisziplin z.B. nach dem Konzept der Lebensweltorientierung nach Thiersch oder als Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi) verstanden wird, ist für die Entwicklung einer handlungsfähigen professionellen Identität erst mal zweitrangig: Der rasend schnell voranschreitende technologische Fortschritt als digital transformierter gesellschaftlicher Metaprozess betrifft alle Bereiche und damit auch alle pädagogischen Modelle, Konzepte und Methoden.
Die Fachbeiträge in diesem Band greifen sämtliche Aspekte auf, definieren zum Verständnis notwendige Begriffe und offenbaren dabei signifikantes Hintergrundwissen, beschreiben, vertiefen und analysieren multiperspektivisch und kritisch den derzeitigen ‚Status Quo‘ und appellieren an den/die Leser*in, sich nicht nur damit theoretisch auseinanderzusetzen, sondern (pro-)aktiv zu werden in Form von konkreten Projekten und in sich einzumischen in politischen Diskursen, um Gesellschaft mitzugestalten. Mit diesem Aufruf ersticken sie jeglichen aufkeimenden Fatalismus eines sich ohnmächtigen Ergebens hinsichtlich mächtiger und überwiegend intransparenter uns allumfassend und allgegenwärtig umgebenden Algorithmen schon im Keim.
Fazit
Den vier Herausgeber*innen und sechs zusätzlichen Mitautor*innen dieses Sammelbands gelingt es mit diesem Werk, die sozialwissenschaftliche Debatte tatsächlich als „Grundsatzfrage“ um einen dringend erforderlichen Beitrag signifikant zu ergänzen und damit bereichernd zu fördern, respektive eine bis dato noch (viel) zu wenig beachtete Perspektive neu zu ergründen: Wie muss sich Soziale Arbeit in den einzelnen Handlungs- und Praxisfeldern neu aufstellen, um der gegenwärtigen und weiter voran schreitenden Mediatisierung der Gesellschaft gerade in Bezug auf automatisierte, von Computern generierten und (für den Menschen) überwiegend von intransparent arbeitenden Algorithmen berechneten Profilen und Zukunftsvoraussagen in Form von Big Data-Analysen in allen Bereichen signifikant, effektiv, verantwortungsbewusst und proaktiv zu begegnen?
Mit dem Anspruch, „Big Data“ als stellvertretenden Begriff für die digitale Transformation als Grundsatzfrage für die Soziale Arbeit hier zu diskutieren und multiperspektivisch auszuleuchten, ist ein Sammelband entstanden, der aufgrund seiner aktuellen und sehr gut recherchierten und fundierten Analyse sowohl für die professionalisierte sozialwissenschaftliche Praxis, Lehre und Forschung elementare Erkenntnisse enthält und somit in keiner entsprechenden Fachbibliothek fehlen sollte.
Obwohl in den Hochschulen überwiegend Studierende eines Alters lernen, das der Gruppe der so genannten „Digital Natives“ zugeordnet werden könnte, kann von einem Selbstverständnis der Verbindung von „Sozialer Arbeit und Medien“ bei diesen Menschen auch 2018 noch längst nicht gesprochen werden.
Dieser Band nimmt alle an der Sozialen Arbeit Interessierten – und damit auch Studierende, Lehrende und Forschende an Hochschulen sowie Adressat*innen und Professionelle in der Praxis – mit, soziale Probleme und Tätigkeitsfelder sowie die Gesellschaft selbst immer selbstverständlicher – wie bei der Globalisierung – auch unter der Perspektive des Metaprozesses der „Digitalisierung/Mediatisierung“ zu betrachten. Der explizite Anspruch, die Mediatisierung der Gesellschaft für die Soziale Arbeit durchlässig und reflektierbar zu machen und dies sowohl auf eine theoriefundierte Basis zu stellen als auch mit Praxisbeispielen zu unterfüttern, stellt ein besonderes und hervorzuhebendes Merkmal dieses Bandes dar.
Rezension von
Dipl.-Soz. Päd. Richard Janz
Dipl.-Soz. Päd. und Medienpädagoge. Dozent an der Hochschule Düsseldorf (HSD) im Modul „Kultur-Ästhetik-Medien“ für das Teillehrgebiet „Neue Medien/Digitale Medien“
Website
Mailformular
Es gibt 9 Rezensionen von Richard Janz.
Zitiervorschlag
Richard Janz. Rezension vom 04.06.2018 zu:
Peter Hammerschmidt, Juliane Sagebiel, Burkhard Hill, Angelika Beranek: Big Data, Facebook, Twitter & Co. und Soziale Arbeit. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2018.
ISBN 978-3-7799-3767-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24213.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.