Erich Rösch, Meike Schwermann et al.: Führen und Leiten in Hospiz- und Palliativarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Hans-Joachim Puch, 16.05.2018

Erich Rösch, Meike Schwermann, Edgar Büttner, Dirk Münch, Michael Schneider, Margit Gratz: Führen und Leiten in Hospiz- und Palliativarbeit. Herausforderung Ehren- und Hauptamt. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2018. 210 Seiten. ISBN 978-3-17-032982-9. D: 32,00 EUR, A: 32,90 EUR.
Thema
Die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland ist seit der Gründung des ersten stationären Hospiz 1986 in Aachen im ständigen Wandel. Am Anfang standen die „individualistische Hilfe von Mensch zu Mensch“ (30) und die Forderung nach einem humanen Sterben. Inzwischen haben sich die Aufgaben deutlich erweitert. Mit der Institutionalisierung der Hospizarbeit ist als weitere Aufgabe die Etablierung landesweiter, flächendeckender Strukturen der Hospiz- und Palliativversorgung dazu gekommen. Außerdem hat die gegenwärtige Integration der Hospiz- und Palliativarbeit in den Gesundheitsmarkt weitreichende ökonomische, rechtliche und organisationsspezifische Folgen, die u.a. neue Strategien und Managementkonzepte erforderlich machen. Das Besondere dabei ist, dass in der Hospizarbeit ehrenamtliche Vorstände und ehrenamtliche Begleiter mit hauptamtlich Angestellten zusammenarbeiten. Dieses Spannungsverhältnis greift das Buch auf. Es richtet sich an beide Gruppen und will eine Hilfe dabei sein, diese Phase in der Hospiz- und Palliativversorgung gemeinsam und erfolgreich zu bearbeiten.
AutorInnen
Alle sechs Autoren und Autorinnen des Buches sind in unterschiedlichen Kontexten und Funktionen mit der Hospizarbeit verbunden. Sie bringen außerdem ihr jeweils spezifisches Fachwissen als Wirtschaftswissenschaftler, Pflegewissenschaftlerin, Theologe, Diakon, Organisationsberater, Psychologe und Fortbildungsreferentin ein.
Entstehungshintergrund
Das Buch ist in der Reihe: „Umsorgen. Hospiz- und Palliativarbeit praktisch“, die vom Bayerischen Hospiz- und Palliativverband herausgegeben wird, erschienen.
Aufbau
Das Buch ist in zwei inhaltliche Hauptteile gegliedert.
- In dem etwas umfangreicheren ersten Teil werden die Veränderungen und Herausforderungen eines ehrenamtlichen Vorstands als Arbeitsgeber untersucht sowie Strategien und Instrumente der Bewältigung beschrieben.
- Im dem etwas kürzeren zweiten Teil stehen die hauptamtlich Angestellten im ehrenamtlichen Verein im Mittelpunkt.
Zu Teil 1
Im ersten Teil wird zunächst der Weg der Gesundheitsbewegung in den Gesundheitsmarkt nachgezeichnet. Deutlich wird dabei, welche neuen Aufgaben die ehrenamtlichen Vorstände zu bewältigen haben und wie sich die wahrzunehmende Verantwortung verändert hat. Als Orientierung im Umgang mit den neuen Herausforderungen wird das solidarisch-kooperative Menschenbild zugrunde gelegt, wie es für die Hospiz- und Palliativbewegung insgesamt konstitutiv ist. Ehrenamtliche Vorstände brauchen aus Sicht der Autoren und Autorinnen außerdem Management- und Führungskompetenzen sowie die Fähigkeit, strategische Prozesse anzustoßen und zu begleiten.
Damit diese Arbeit der ehrenamtlichen Vorstände und der Hospizarbeit erfolgreich ist, sollte die Energie auf zwei Ebenen zum Tragen kommen: „Hospizarbeit zu machen“, als der klassische Anspruch der Hospizbewegung ist durch den strategischen Ansatz „Hospizarbeit möglich zu machen“ zu ergänzen. Dies bedeutet, dass vielfältige Berufsgruppen angesprochen und für ein ehrenamtliches Engagement in der Hospizbewegung begeistert werden müssen.
Es gehört zu den Besonderheiten der Hospiz- und Palliativarbeit, die Ehrenamtlichen aktiv in das Geschehen einzubeziehen. Dies geschieht im Alltag der Hospizarbeit aber auch bei der Entwicklung von Veränderungsprozessen. Das Konzept des „Mit-Unternehmertums“ der St. Gallener Managementschule soll dazu Anregungen für die praktische Arbeit gegeben.
In einem „Förderkonzept für ein gutes Miteinander“ schließlich, werden verschiedene Elemente eines modernen Führungsverhaltens herausgearbeitet. Viele Baustein, die in der Führungsliteratur aktuell diskutiert werden, werden in ihren Grundzügen erläutert und praktische Anregungen der Umsetzung dazu gegeben. Exemplarisch seien die Stichworte „Vertrauen“, „Delegation von Verantwortung“, „Zielvereinbarungen“ „Führungsstile“ und „Vorstand als Team“ genannt. Ein kurzes Fazit beschließt diesen ersten Teil.
Zu Teil 2
Im zweiten Teil sind die hauptamtlich Angestellten im Fokus. Dazu wird zunächst ein Modell idealtypischer Entwicklungsphasen der „Unternehmung Hospiz“ beschrieben, das auch als ein Instrument der „Standortbestimmung beim Einstieg als Hauptamtlicher in eine ehrenamtlich geführte Organisation“ (119) genutzt werden kann. Weitere Anregungen gibt eine Befragung von Hospizkoordinatoren über die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Vorständen. Das Ergebnis weist darauf hin, dass eine Rollen- und Aufgabenklärung, eine wertschätzende und transparente Kommunikation und eine strategische Ausrichtung der Vereinsarbeit förderlich für eine gelingende Zusammenarbeit sind.
In einzelnen Abschnitten werden eine Reihe praktischer Anregungen gegeben, wie Aufgaben- und Rollenklärungen umgesetzt und reflektiert werden können, wie eine wertschätzende Feedbackkultur aufgebaut werden kann und wie das Modell der Transaktionsanalyse im Umgang mit Konflikten genutzt werden kann. Kurze Hinweise auf die Bedeutung von Resilienz und die Fähigkeit der Teamreflexion beschließen diesen Teil.
Diskussion und Fazit
Dem Buch ist deutlich anzumerken, dass es den Geist langjähriger theoretisch reflektierter Erfahrungen in dem Feld der Hospiz- und Palliativarbeit atmet. In einem sehr positiven Sinne wird ein breites theoretisches Hintergrundwissen auf praktische Fragen der Führung und der Organisationsentwicklung in der „Unternehmung Hospiz“ angewandt. Die Autoren nutzen dazu einschlägige Erkenntnisse aus der Führungs- und Managementliteratur und übertragen diese auf die spezifischen Herausforderungen im Feld. Sie geben damit den Menschen, die in der Hospiz- und Palliativarbeit in unterschiedlichen Aufgabenbereichen tätig sind, eine Fülle von Anregungen für die praktische Alltagsarbeit wie für die strategische Entwicklungsarbeit.
Zwar sind die einzelnen Kapitel in ihrer theoretischen Tiefe unterschiedlich differenziert ausgefallen, der Duktus des Buches regt aber immer wieder zum Nachdenken und Neudenken über die aktuellen Herausforderungen in dem Handlungsfeld an. Die didaktische Gestaltung, viele gerade für die Praxis anregende Arbeitshilfen in den einzelnen Kapiteln und ein Anhang mit verschiedenen Instrumenten zur Einzel- und Teamreflexion laden den Leser ein, das Gelesene auszuprobieren. Das Buch ist – neben dem Feld der Hospiz- und Palliativarbeit – auch für Zielgruppen aus anderen Arbeitsfeldern des Gesundheitsbereichs und der Sozialen Arbeit, die an der Schnittstelle von ehrenamtlicher und hauptamtlicher Arbeit angesiedelt sind, sehr gut geeignet. In diesem Sinne wünsche ich dem Buch eine neugierige und gegenüber Veränderungen aufgeschlossene Leserschaft.
Rezension von
Prof. Dr. Hans-Joachim Puch
Präsident i.R. Evangelische Hochschule Nürnberg
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