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Charis Förster, Magda Göller et al.: Friedrich Fröbel

Rezensiert von Prof. Dr. Michael Winkler, 20.08.2018

Cover Charis Förster, Magda Göller et al.: Friedrich Fröbel ISBN 978-3-589-15186-8

Charis Förster, Magda Göller, Margitta Rockstein: Friedrich Fröbel. Cornelsen Verlag GmbH (Berlin) 2017. 76 Seiten. ISBN 978-3-589-15186-8. D: 14,99 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 18,70 sFr.
Reihe: Frühe Kindheit. Pädagogische Ansätze für die Kita.

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Thema

Das Wort „Kindergarten“ begegnet einem als Fremdwort oder sogar als Fachbegriff in vielen Sprachen, manchmal in Übersetzung – so im Französischen neben der école maternelle als Jardin des enfants. Der Erfinder oder besser: Entdecker des Kindergartens und der diesen auszeichnenden Pädagogik, Friedrich Fröbel, darf als weltberühmt gelten, besonders geschätzt wird er im asiatischen Raum. Selbst in den USA ist er noch so bekannt, dass ihn die amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum rezipiert hat und an ihn erinnert, wenn sie über die Kultivierung des Humanen spricht. Nur in Deutschland scheint Fröbel fast vergessen, allzumal nach dem Untergang der DDR, in der er immerhin noch den Status eines Vertreters des klassischen Erbes hatte. Selbst der Ausdruck Kindergarten ist weitgehend verschwunden und nahezu tabuisiert; eine Initiative unternimmt gerade in Thüringen den Versuch, diesen per Petition und Parlamentsbeschluss wenigstens wieder einzubürgern.

Man mag das als überflüssigen Streit um Worte abtun. Demgegenüber darf und muss man jedoch festhalten, dass Fröbel mit dem Begriff Kindergarten ein gut begründetes und sehr differenziert entfaltetes Konzept für die Pädagogik der frühen Kindheit entwickelt hat. Es unterscheidet sich deutlich von den heute vorherrschenden, häufig eher pragmatischen Ansätzen, sieht man von der Montessori- oder der Reggio-Pädagogik ab, um von dem in Ungnade gefallen Situations-Ansatz ganz zu schweigen. So überrascht es nicht, wenn die Autorinnen des Buches gleich am Anfang den „Hinweis“ geben, dass sie von Kindergärtner und Kindergärtnerin sowie vom Kindergarten, nicht jedoch von Erzieherin oder Kita sprechen.

Fröbels Konzept zeichnet dabei besonders zweierlei aus: Es ist philosophisch-anthropologisch begründet, wobei dies hinter oder in seinen oft theologisch anmutenden Denkformen verschwindet. Zugleich hatte Fröbel eine ungewöhnliche Fähigkeit entwickelt, Kinder in ihrem Handeln zu beobachten. Seine Pädagogik entsteht also letztlich erfahrungsgesättigt. Dabei begreift er die Kinder stets als Subjekte, denen er schon ausdrücklich Würde zuspricht, die sich aber entwickeln und dabei mit Gegenständen unterstützt werden können, in welchen sich die Grundprinzipien der natürlichen, sozialen und kulturellen Welt zeigen. Kinder sind also selbstständig, verändern sich aber durch ihre Auseinandersetzung mit Gegenständen und eben „Spielgaben“, mit welchen sie die Macht über die Welt gewinnen.

Autorinnen

Die Autorinnen des Buches, Charis Förster, Magda Göller und Margitta Rockstein, stehen für eine längst selten gewordene Verbindung innerhalb der Pädagogik der frühen Kindheit, nämlich für herausragende Kenntnis klassischer Ansätze und dafür, diese in der aktuellen Debatte geltend zu machen wie auch weiter zu entwickeln.

  • Charis Förster, Professorin für die Pädagogik der frühen Kindheit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken, gehört dem Vorstand des Pestalozzi-Fröbel Verbandes an,
  • Magda Göller leitet bei diesem die Geschäftsstelle. Sie wirken also an einer Schnittstelle zwischen Praxis, Wissenschaft und Fachpolitik in einem Verband, der bewusst für eine Tradition steht.
  • Margitta Rockstein war bis 2017 Kustodin im Fröbel-Museum Bad Blankenburg, mithin an der Wiege des Kindergartens tätig, hatte zugleich einen Zugang zu Dokumenten der Lebens- und Werkgeschichte Fröbels, der sie schlicht zu der Expertin des Thüringer Pädagogen schlechthin hat werden lassen – nicht zuletzt, weil Fröbelinteressierte aus aller Welt das Museum aufgesucht und in diesem wissenschaftlich gearbeitet haben.

Dieser Hintergrund der drei Autorinnen ist in dem ganzen Büchlein zu spüren. Man merkt eine fundamentale Kenntnis Fröbels und seiner Pädagogik sowie der aktuellen Debatten um frühe Kindheit. Diese Kenntnis wirkt aber zugleich unaufgeregt und selbstverständlich, sodass selbst diejenigen das Werk mit Interesse lesen können, die sich noch niemals mit Fröbel beschäftigt haben, ihn vielleicht gar nicht kannten. Und für die Kenner erweist es sich als inspirierende Zusammenfassung.

Aufbau und Inhalt

Die Einleitung umfasst zwei Teile. Sie verweist zunächst einmal auf die Aktualität Fröbels, übrigens gar nicht bekennend oder programmatisch, sondern in Anknüpfung an ein Seminar an der Hochschule Koblenz; die Studierenden hatten sich dort mit dem Hauptwerk Fröbels, der unvollendet gebliebenen „Menschenerziehung“ von 1826, beschäftigt und feststellen können, wie nahe sein Denken doch dem ist, was heute Bildungspläne für die Elementarpädagogik festhalten. Dann wird in der Einleitung ein Tag im Kindergarten Friedrich Fröbel im thüringischen Oberweißbach geschildert; schon hier zeigt sich ein Motiv, das bis heute die Fröbel-Pädagogik auszeichnet, nämlich das Verhältnis von innen und außen. Kindergarten meint durchaus das Leben draußen in der Natur, mit dieser und für diese – um die eigene Natur kennen zu lernen.

Das erste Kapitel stellt den pädagogischen Ansatz Fröbels vor. Es zeigt dabei seine religiösen Wurzeln etwa in der Paradiesvorstellung, die es aber gleichsam weltlich interpretiert, nicht zuletzt, weil Fröbel durchaus der Aufklärung verpflichtet war. Es ging und geht ihm darum, die Kinder nicht nur „aufzubewahren“, sondern allen einen guten Erfahrungsort zu bieten, der ihnen erlaubt, sich in einer umfassend geordneten Welt zu bilden. Fröbel hat versucht, diesen in dem Gesetz der Sphäre darzustellen: Alles Einzelne ist Teil eines Ganzen, Inneres und Äußeres stehen in einer Beziehung, die ein Kind kennenlernen und verstehen muss – um sich selbst zu begreifen. Damit kann es sich – so ein wichtiges Thema bei Fröbel – als aktives Wesen in der Gemeinschaft erkennen, wobei diese in der Spannung von Öffentlichkeit und Familie angelegt ist; die Autorinnen weisen darauf schon am Eingang des Kapitels hin. Ein besonderes Augenmerk richtet das Buch auf eine oftmals vergessene, aber doch nachhaltig wirksame Leistung Fröbels: Wie kaum ein anderer hat er sich – übrigens in einer Vielzahl von Briefen – für die Professionalisierung des Berufs der Kindergärtnerin eingesetzt und diese auch inhaltlich vorangetrieben. Eine kurze Darstellung der Biographie Fröbels schließt das Kapital dann ab.

Das zweite Kapitel verfolgt in unterschiedlichen Dimensionen, wie sich die Fröbel-Pädagogik in der Praxis zeigt, in Deutschland oftmals in einer Rezeption, die ihn doch vergessen hat – damit aber dann doch nur bruchstückhaft erfolgt. Umfassend und gut bebildert werden die Spielgaben einschließlich der Bewegungsspiele als „Kernpunkte des Alltags“ dargestellt, wobei den Verfasserinnen eine Art Übersetzung in das heute übliche Verständnis gelingt. Zumindest undeutlich fällt das Urteil über die Bedeutung der Sprachbildung bei Fröbel aus; der Abschnitt (auf S. 36) klingt fast ein wenig so, als hätte Fröbel darauf weniger Wert gelegt, als dies heute der Fall ist. Das aber wäre schlicht falsch. In aller Kürze gelingt es hingegen, Übereinstimmungen und Differenzen mit anderen Ansätzen, etwa der Reformpädagogik Maria Montessoris deutlich zu machen. Hier wäre noch einmal zu meckern. Dass Montessoris Pädagogik dem „damaligen Zeitgeist“ entsprechend säkularer ausgerichtet sei (S. 49), trifft nun überhaupt nicht zu. Ein kurzer Abschnitt verdeutlicht noch einmal die Aktualität Fröbels für die heutige Kindheitspädagogik.

Das dritte Kapitel stellt am Beispiel des AWO-Kindergartens Bad Blankenburg noch einmal, nun freilich ausführlich und anschaulich die Praxis der Fröbelpädagogik dar. Insbesondere werden Tagesablauf und Alltag sichtbar gemacht, übrigens erneut mit Bildmaterial. Literaturverzeichnis und eine Sammlung hilfreicher Links sowie Adressen runden den Band als Einladung ab, sich dann doch auf Fröbel und seine Pädagogik wenigstens einmal einzulassen.

Diskussion

Das Buch kann hervorragend in der Ausbildung verwendet werden. Ein paar kleine Fehler dürfen notiert werden, die in der nächsten Auflage zu ändern wären; Wygotski wird zwar beispielsweise erfreulicherweise erinnert, aber ins 19. Jahrhundert versetzt (s. 65), im Literaturverzeichnis stimmt einmal die alphabetische Reihung nicht.

Nur ein Punkt hat allerdings – dies sei dann ein wenig persönlich formuliert – mich an diesem ansonsten so erfrischenden Buch geärgert: Immer wieder sprechen die Autorinnen von der „altbacken“ wirkenden Sprache Fröbels. Gewiss: Fröbel denkt und schreibt anders, als das heute häufig der Fall ist; man darf ja nicht vergessen: es gab zu seiner Zeit noch nicht einmal eine einheitliche Rechtschreibung. Tatsächlich hat Fröbel jedoch geradezu darum gerungen, die Phänomene einer Pädagogik der (frühen) Kindheit sprachlich präzise zu erfassen. Manchmal klingt dies – zugegeben – ein bisserl komisch und fordert die Lektüre durchaus heraus. Aber: noch nie hat jemand behaupten dürfen, dass die pädagogische Arbeit mit Kindern kinderleicht sei und in einer einfachen Sprache dargestellt werden könne. Insofern ist das gar nicht altbacken sondern Ausdruck des Versuchs, eine sachgerechter Sprache der Pädagogik zu entwickeln.

Fazit

Das Buch ist klar und deutlich geschrieben. Es bietet gut nachvollziehbar und anregend entscheidende Grundinformationen über Fröbel als Person sowie zu seinem pädagogischen Werk, ohne belehrend zu wirken. Fröbel, vor allem aber seine Pädagogik werden in einer Weise vorgestellt, die der Gegenwart verpflichtet ist und Lust macht, nicht nur sich mit seinem Werk zu beschäftigen, sondern es tatsächlich mit ihm, vor allem mit seinen Spielgaben zu probieren. Das könnte die strengen Anhänger seiner Pädagogik vielleicht ein wenig irritieren, allzumal solche, die etwa – mit dem großen Fröbelforscher Helmut Heiland – vom „authentischen Fröbel“ sprechen. Doch gelingt es den Verfasserinnen, Fröbels Denken und Handeln ohne Abstriche für die Gegenwart zu erschließen. Vor allem verdeutlichen sie, wie seine Pädagogik eine Spannung aufzuheben vermag, die sich gegenwärtig im Feld der Pädagogik früher Kindheit fast als Blockade zeigt: Sie führen nämlich beides zusammen, das Spiel in Freiheit und Regelgebundenheit, einerseits, das Zeigen und Lehren als selbstständiges Verstehen einer doch sichtbar gemachten Welt, andererseits. Fröbels Denken zeichnet also ein umfassendes, ein – wie die Autorinnen schreiben – ganzheitliches Verständnis von Pädagogik aus, das – möglicherweise – klüger angelegt ist als die heute üblich gewordene, dann doch trennende Trias von Erziehung, Bildung und Betreuung.

Rezension von
Prof. Dr. Michael Winkler
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Es gibt 1 Rezension von Michael Winkler.

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Zitiervorschlag
Michael Winkler. Rezension vom 20.08.2018 zu: Charis Förster, Magda Göller, Margitta Rockstein: Friedrich Fröbel. Cornelsen Verlag GmbH (Berlin) 2017. ISBN 978-3-589-15186-8. Reihe: Frühe Kindheit. Pädagogische Ansätze für die Kita. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24295.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.


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