Beate Alefeld-Gerges, Stephan Sigg: Trauerarbeit mit Jugendlichen
Rezensiert von Thomas Hax-Schoppenhorst, 26.11.2018
Beate Alefeld-Gerges, Stephan Sigg: Trauerarbeit mit Jugendlichen. Junge Menschen begleiten bei Abschied, Verlust und Tod. Don Bosco Verlag (München) 2017. 139 Seiten. ISBN 978-3-7698-2316-5. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 22,90 sFr.
Autorin und Autor
Beate Alefeld-Gerges (Dipl. Soz. Päd.) absolvierte ihre Ausbildung als Trauerbegleiterin bei Dr. Jorgos Canakakis. In Bremen gründete sie ein Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche. Als pädagogische Leitung von „Trauerland“ ist sie dort in Gruppenarbeit und Einzelberatung tätig und veranstaltet Seminare und Workshops für pädagogische Fachkräfte.
Stephan Sigg ist Theologe, Journalist und Autor für Kinder, Jugendliche und für Erwachsene. Er ist in der kirchlichen Erwachsenenbildung tätig und gibt regelmäßig Schreibworkshops für Jugendliche. Er lebt in St. Gallen.
Entstehungshintergrund
Frühe Verlusterfahrungen im Leben eines Kindes oder Jugendlichen sind besonders einschneidend und prägend. Grundsätzlich trauern Kinder und Jugendliche nicht anders als Erwachsene – sie drücken Trauer nur mitunter anders aus.
„Der Tod gehört zum Leben und das Thema braucht präventiv Raum in unserer Gesellschaft“, formulieren es die Verfasser in der Einleitung (S. 7) und laden zu einem anderen Umgang mit dem Tabu-Thema ein: „Schon Kinder im Kindergarten sollten lernen, was Tod bedeutet. (…) Erwachsene müssen keine Bedenken haben, Kinder und Jugendliche mit diesem Thema zu konfrontieren, die offene Herangehensweise der Kinder kann dazu beitragen, dass die Begegnung mit dem Tod selbstverständlich ist, und einen offeneren Umgang fördern“. (S. 7)
Durch ihre langjährigen Erfahrungen mit Jugendlichen in Therapie und Unterricht haben die Verfasser erlebt, wie kreativ junge Menschen sind einen Weg durch die Trauer zu finden. Ihr Ziel ist es, dass sich Lesende von diesen Erfahrungen inspirieren lassen. Somit wollen sie mit dem Buch Anregungen neben Informationen zum Trauerprozess und zur Trauerbegleitung Methoden, Übungen sowie Impulstexte anbieten, um einen authentischen Weg der Auseinandersetzung mit Tod, Abschied und Trauer zu ermöglichen.
Aufbau
Beate Alefeld-Gerges und Stephan Sigg beschreiben in sechs Kapiteln, wie sich Trauer bei jungen Menschen in der Pubertät äußert, welche psychischen und körperlichen Reaktionen auftreten und wie Trauer und Trauma voneinander abzugrenzen sind. Das Autorenteam thematisiert die Bedeutung von Ritualen, die Grundhaltung gegenüber dem Trauernden und welche Rechte trauernde Jugendliche haben. Das Buch schließt mit einem Ausblick, der Literatur, Quellen sowie Anlaufstellen für trauernde Jugendliche nennt.
Kapitel 1 bezeichnet Pubertät und Trauer als „explosive Mischung“ und geht im Detail auf die besonderen Merkmale der Pubertät ein.
Kapitel 2 beschreibt, wie Jugendliche trauern, nimmt dabei Bezug auf die körperlichen Symptome der Trauer, Gefühle in der Trauerphase und weitere Trauerreaktionen.
Trostspendende Trauerrituale sind der Gegenstand von Kapitel 3.
Die Rechte von trauernden Jugendlichen, die Grundhaltung gegenüber trauernden Jugendlichen und Fragen der möglichen Zuwendung werden in Kapitel 4 angesprochen.
Übungen zur Trauerbewältigung und der Umgang mit Tod und Trauer stehen im Mittelpunkt des 5. Kapitels.
Die Frage „Trauer oder Trauma?“, die Trauerarbeit bei Suizid sowie die Trauerbegleitung bei Katastrophen werden im letzten Kapitel 6 behandelt.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Ausgewählte Inhalte
Neben der sehr gelungenen Beschreibung der Pubertät (S. 16-20) sind es vor allem die Passagen „Trauer macht orientierungslos“ (S. 22-31), die „Hilfen für das Gespräch“ (S. 59-69), die Ausführungen zu „Resilienz fördern – Ressourcen aktivieren“ (S. 70-78) und die „Übungen zur Trauerbewältigung“ (S. 85-99), welche den hohen Praxiswert des Buches erkennen lassen, da hier konkret erklärt wird, wie trauernden jungen Menschen begegnet werden sollte.
Diskussion
Kernfrage bei allen Publikationen zu sehr schwierigen Lebensthemen ist, ob und inwieweit es gelingt, diese für die Zielgruppe(n) in einer solchen Weise darzustellen, aufzubereiten, dass am Ende etwas Fassbares/Greifbares bleibt. Konkret: Mit Veröffentlichungen/Ratgebern, die den Tod und das Sterben geradezu ‚verklären‘ und dessen ‚Stachel‘ mit blumigen Worten seine verletzende, Schmerzen bereitende Wirkung nehmen wollen, mögen u.U. kurzfristige Hilfe leisten, einer Bearbeitung stehen sie allerdings eher im Wege. Der Tod ist und bleibt ein erschreckendes, aufwühlendes und massive Verunsicherung auslösendes Ereignis – dies gilt für junge Menschen aus den im Buch klar beschriebenen Gründen in besonderem Maße. Und dennoch gehört er – wie es so oft heißt – zum Leben, ob wir nun wollen oder nicht! Die Art, wie wir ihn sehen und unser Verständnis mitteilen, prägt das Dialogklima mit Kindern und Jugendlichen.
Fazit
Ohne die hohen Erfahrungswerte der Autorin/des Autors in verschiedenen Kontexten wäre sicherlich ein solch lebensnahes und – ja! – lebensbejahendes Werk nicht möglich gewesen. Aus der Sicht des Rezensenten wurde der ‚Knoten‘ vor allem durch den hervorragenden Einstieg gelöst, denn die Ausführungen zur Pubertät würdigen treffend die immense Bedeutung dieser Entwicklungsphase und heben sich wohltuend ab von den vielfach zu lesenden Etikettierungen der Pubertät als ‚nervende Zeit‘, in der in erster Linie und vor allem die Erwachsenen Geduld aufbringen müssen. Diese Ernsthaftigkeit in der Beschreibung der Gefühls- und Gedankenwelt von Kindern und Jugendlichen setzt sich bis zur letzten Seite fort.
Somit ist „Trauerarbeit mit Jugendlichen“ mit voller Überzeugung zu empfehlen!
Rezension von
Thomas Hax-Schoppenhorst
pädagogischer Mitarbeiter der LVR-Klinik Düren, Sachbuchautor, Herausgeber, Erwachsenenbildner
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Es gibt 21 Rezensionen von Thomas Hax-Schoppenhorst.
Zitiervorschlag
Thomas Hax-Schoppenhorst. Rezension vom 26.11.2018 zu:
Beate Alefeld-Gerges, Stephan Sigg: Trauerarbeit mit Jugendlichen. Junge Menschen begleiten bei Abschied, Verlust und Tod. Don Bosco Verlag
(München) 2017.
ISBN 978-3-7698-2316-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24312.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.
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