Pia Bergold, Andrea Buschner et al. (Hrsg.): Familien mit multipler Elternschaft
Rezensiert von Prof. Dr. Stefan Godehardt-Bestmann, 20.07.2018

Pia Bergold, Andrea Buschner, Birgit Mayer-Lewis, Tanja Mühling (Hrsg.): Familien mit multipler Elternschaft. Entstehungszusammenhänge, Herausforderungen und Potentiale. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2017. 228 Seiten. ISBN 978-3-8474-2103-0. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Thema
Familie im Wandel, sowohl bezogen auf ihre jeweilige Funktion als auch die Vielfalt der Familienformen, ist ein gesellschaftlicher Diskurs der in unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Disziplinen seit geraumer Zeit immer intensiver geführt und zugleich umfangreicher beforscht wird. Zugleich sind die unterschiedlichsten Konstellationen in und an Familien real existierender Alltag und damit entstehen zugleich Notwendigkeiten in der Weiterentwicklung der in allen Bereichen der Beratung und Unterstützung von Familien befassten Professionen.
Dieses Buch gibt eine sehr kompetente und zugleich überschaubare Einführung in diesen Diskurs. Neben dem eher familienwissenschaftlich agierenden Adressat*innenkreis hat dieses Buch maßgeblich die Fachkräfte der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe als explizite Zielgruppe im Fokus.
Herausgeber*innen
Pia Bergold, Andrea Buschner und Birgit Mayer-Lewis sind alle drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg. Tanja Mühling arbeitet als Professorin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.
Aufbau und Inhalt
Das bei etwas mehr als 200 Seiten für diese Thematik durchaus übersichtlich gehaltene Buch ist in neun Kapitel gegliedert. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Die Herausgeberinnen starten mit einem umfassend, thematisch hinführenden Beitrag zu ‚Grundlagen multipler Elternschaft‘. Es wird, in die Thematik einführend, zunächst eine Darlegung zum familialen Wandel und der Pluralisierung der Familienformen sowie verschiedener theoretischer Perspektiven angeboten, um abschließend Aspekte der Beratung und Unterstützung zu skizzieren.
Es folgen nun Ausführungen zu fünf verschiedenen Familienformen. Den Start macht ein Beitrag von Christine Entleitner-Phleps und Harald Rost zu sogenannten ‚Stieffamilien‘. Es wird versucht diese Familienform in ihrer durchaus bestehenden Vielfalt an Aufstellungen und Anlässen zu definieren, einen Blick in die Empirie zu geben und die besonderen Herausforderungen zu betrachten sowie die Potenziale des Doing Familiy in Stieffamilien zu diskutieren.
Es folgt ein Beitrag von Annemarie Köhler, Evelyn Kröper und Walter Gehres zur familiären Praxis in ‚Pflegefamilien‘. Auch hier wird zunächst diese Familienform definiert und beschrieben, die Notwendigkeiten von Qualifizierung und Begleitung der Elternschaft erläutert und die zentralen Aufgaben in Pflegeverhältnissen und deren konzeptionellen Einbettungen diskutiert.
Die dritte Familienform der ‚Adoptivfamilen‘ wird von Tanja Mühling und Judith Franz vorgestellt. Es wird auch hier wieder eine Definition hergeleitet, der rechtliche Kontext erläutert, das Zusammenwirken von Kind, abgebenden und aufnehmenden Eltern sowie der Adoptionsvermittlung dargelegt und eine empirische Studie zu Adoptionsvermittlungsprozesse vorgestellt und diskutiert.
Der vierte Beitrag von Birgit Mayer-Lewis, überschrieben mit ‚Die Familiengründung mit Gametenspende‘, führt in die Diskussion um durch eine reproduktionsmedizinische Behandlung entstandene Familienform ein. Zunächst wird eine Hinführung in die Verfahren und Hintergründe ermöglicht, um daran die Elternschaft und Familie in dieser Familienform aus den verschiedenen Perspektiven zu diskutieren.
Es folgt eine Darlegung der sogenannten ‚Regenbogenfamilien in Deutschland‘ durch Andrea Buschner und Pia Bergold. Zunächst wird in die Entstehung, Verbreitung und die Vielfältigkeit auch dieser Familienform eingeführt. Im Anschluss werden die Herausforderungen und Stärken diskutiert und der Lebensalltag unter Bezug zu Forschungsergebnissen und zweier Dokumentarfilme skizziert.
Im nun folgenden Beitrag von Nina Dethloff und Anja Timmermann wird das Spannungsverhältnis multipler Elternschaft und vielfältigster Familienformen mit dem bestehenden Familienrecht herausgearbeitet. Verschieden Familienformen werden zunächst in eben diesem Spannungsverhältnis beschrieben und zugleich der jeweilig rechtliche Reformbedarf erläutert.
Daran anschließend wird ‚die Repräsentation familialer Beziehungsstrukturen in Fernsehserien‘ von Lothar Mikos medienwissenschaftlich betrachtet und diskutiert.
Das Buch schließt mit einem in einer Interviewform dargelegten Diskussion zu ‚ethischen Aspekten in der Beratung von Familien mit multipler Elternschaft‘, bei welcher die Herausgeberinnen Fragen formulieren, die durch Petra Thorn, unter anderem Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung e.V., beantwortet werden.
Diskussion und Fazit
Das Buch bietet einen aktuellen Überblick zum familialen Wandel, Formen vielfältigster Elternschaft, deren je spezifischen Merkmalen, ihren jeweiligen Herausforderungen und zugleich den bestehenden Ressourcen und Potenzialen in diesen Familienformen. Dabei wird zugleich der bestehende gesellschaftliche Rahmen durchaus kritisch diskutiert. Dieses wissenschaftlich fundierte und zugleich gut lesbare Buch ist kompetent verfasst und systematisch strukturiert, sowohl als gesamtes Herausgeberinnenbuch als auch in den jeweils eigenen Kapiteltexten, die durchaus einzeln lesbar sind. Für die angedachte Zielgruppe der familienwissenschaftlich agierenden als auch handlungspraktisch tätigen Fachkräfte der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe ein durchweg empfehlenswertes Buch, das zugleich in der Lehre bspw. der Studiengänge zu Kindheitspädagogik, Soziale Arbeit und Heilpädagogik einsetzbar ist.
Rezension von
Prof. Dr. Stefan Godehardt-Bestmann
Professor für Soziale Arbeit im Fernstudium an der IU Internationale Hochschule und Studiengangleiter sowie seit 2000 in freier Praxis als Sozialarbeitsforscher, Praxisberater und Trainer tätig.
Schwerpunkte: Sozialraumorientierte Soziale Arbeit, Inklusion, Partizipation, Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen, Lösungsfokussierter Beratungsansatz, Inklusion, Partizipation, Organisationsentwicklung, Personalentwicklungsmaßnahmen in Organisationen Sozialer Arbeit, Gestaltung von Qualitätsmanagementprozessen, partizipative Praxisforschungen und Evaluationen.
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