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David Matusiewicz, Marco Muhrer-Schwaiger (Hrsg.): Neuvermessung der Gesundheits­wirtschaft

Rezensiert von Prof. Dr. Harald Christa, 09.01.2019

Cover David Matusiewicz, Marco Muhrer-Schwaiger (Hrsg.): Neuvermessung der Gesundheits­wirtschaft ISBN 978-3-658-12518-9

David Matusiewicz, Marco Muhrer-Schwaiger (Hrsg.): Neuvermessung der Gesundheitswirtschaft. Springer Gabler (Wiesbaden) 2017. 356 Seiten. ISBN 978-3-658-12518-9. D: 44,99 EUR, A: 46,25 EUR, CH: 46,50 sFr.
Reihe: FOM-Edition.

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Thema

Krankenhäuser, ambulant niedergelassene Praxen, der Pharmabereich und Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation zählen zu den besonders kostspieligen Institutionen des Deutschen Sozialstaats. Nach wie vor verbucht die Gesundheitswirtschaft erhebliche jährliche Aufwandssteigerungen, ein Ende ist nicht abzusehen. Zudem steht das Gesundheitswesen im Ruf, an Managementdefiziten zu leiden und hochgradig veränderungsresistent zu sein. Es drängt sich die Frage auf: „Kann der Gesundheitsbereich von anderen Wirtschaftssektoren lernen? Und wenn ja: was?“.

Entstehungshintergrund

David Matusiewicz und Marco Muhrer-Schwaiger legen einen Sammelband vor, dessen Beiträge sich mit den Potenzialen einer Orientierung der Gesundheitswirtschaft an innovativen Elementen anderer Wirtschaftszweige auseinandersetzen. Es sollen Anhaltspunkte für ein gezieltes Lernen aus Strategien anderer Branchen und Hinweise für eine zukunftsfähige Ausgestaltung der Gesundheitswirtschaft aufgezeigt werden.

Herausgeber

  • David Matusiewicz ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Gesundheitsmanagement an der FOM Hochschule. Er ist Dekan im Hochschulbereich Gesundheit und Soziales sowie Direktor des gleichnamigen Instituts.
  • Marco Muhrer-Schwaiger ist Unternehmensberater und befasst sich schwerpunktmäßig mit strategischer Unternehmenskommunikation in der Gesundheitswirtschaft.

Aufbau und Inhalte

Die Publikation enthält 31 Beiträge in sieben Abschnitten. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.

In Abschnitt I „Fortbewegung“ schildert Hartmut Clausen Möglichkeiten, aus der internationalen Schifffahrt zu lernen. Dabei geht es vor allem um die Akquise, Ausbildung und Integration von ausländischen Mitarbeitenden in der Pflege. Lerneffekte aus der Automobilwirtschaft umreißen Thomas Breisach und Marcel Hattendorf, sie beziehen sich auf die Erfahrungen der Digitalisierung im Servicebereich und die Fokussierung auf den Endkunden. Sebastian Braun beschreibt Möglichkeiten, von der Luftfahrt zu lernen, indem er Ansätze zur Qualitätssteigerung und Senkung der systemischen Kosten vorstellt.

Abschnitt II thematisiert den Komplex „Industrie und Technik“. Thomas Jäschke stellt das Smartphone als Wegbegleiter der mHealth-Revolution in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Entsprechende technologische Möglichkeiten sollten in der Gesundheitswirtschaft nach seiner Ansicht intensiver genutzt werden. Mit Lernen aus dem Bereich der militärischen Führung befasst sich André Röhl. Nachdem er mit dem Vorurteil aufgeräumt hat, dass moderne militärische Führung noch mit einem statischen System von Befehl und Gehorsam arbeitet, schlägt er mehr Aus- und Weiterbildung für Führungskräfte sowie die Implementation eines ausgeglichenen Führungsteams in der Gesundheitswirtschaft vor. Oliver van Royen zeigt Beispiele aus der Automobilindustrie auf, welche für Institutionen der Gesundheitsversorgung beispielhaft sein können, dabei wird in Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft ein Arbeitsprogramm von der Vision bis zur eigenen Arbeitgebermarke vorgeschlagen. Im Zentrum der Ausführungen von Dominique Bialasinski und Claudia Cardis steht das Betriebliche Gesundheitsmanagement am Beispiel des TÜV Rheinland. Sie plädieren für eine proaktive Auseinandersetzung mit gesundheitsförderlichen Maßnahmen sowie eine systemische Herangehensweise im Unternehmen. Was die Gesundheitswirtschaft von 3-D-Druckern lernen kann, möchte Jürgen Müller aufzeigen. Ihm geht es um die Investitionen in und die Weiterentwicklung von entsprechenden Geräten im Medizinbereich.

Teil III „Kommunikation, Marketing und Vertrieb“ beginnt mit einer Abhandlung von Marion Geiger zu den Möglichkeiten, von der Telekommunikationsbranche zu lernen. Sie setzt sich für neue Berufsbilder und Ausbildungen im Gesundheitswesen ebenso ein wie für die Einführung von Medizin-Apps und einen adäquaten rechtlichen Rahmen zum Datenschutz. Axel Busch stellt die Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche in das Zentrum seiner Überlegungen. Er fordert mehr Mut zu Wettbewerb in der Gesundheitswirtschaft sowie mehr Kompetenz und finanziellen Spielraum für die Akteure an der Basis. Tanja Rosenbaum schildert, welche Vorbildfunktion die Diplomatie für die Gesundheitswirtschaft haben kann. Ihr Credo ist mehr Verantwortung, Authentizität und Entscheidungsfreude ebenso wie die Hinwendung zur Salutogenese. Im Beitrag von Zenobia Frosch wird gezeigt, welche Impulse die Sprachwissenschaft geben kann. Ihr Motto lautet „Mit neuer Sprachstruktur aktiv und präzise gestalten“. Nadia Zaboura thematisiert die Digital- und Kreativwirtschaft und schlägt vor, dass die Gesundheitswirtschaft mit dem Kreativ- und Digitalsektor einen gemeinsamen Blick in die Zukunft richten sollte. Das Retail ist Gegenstand von Evelyn Kade-Lamprecht und Michael Sander. Sie stellen fest, dass die Krankenversicherung einen digitalen Rückstand von 10–15 Jahren gegenüber dem Handel hat und führen Beispiele für Lerneffekte aus den Sektor des Handels an. Martin Tobrys Beitrag zum Vertrieb als Vorbild für Modernisierung im Gesundheitswesen konzentriert sich schließlich auf Erfolg durch gezielte Kommunikation zwischen Akteuren der Gesundheitswirtschaft und den Konsumenten sowie die Potenziale von Markenmedizin und Imagepflege.

Teil IV ist überschrieben mit „Kultur und Soziales“ und beginnt mit Überlegungen von Barbara Buchberger zum Lernen aus Organisations- und Sozialstrukturen in Kulturorchestern. Sie plädiert für eine klare Zielformulierung und eine stetige Ausbildung der Kommunikationsfähigkeit von Projekt- und Teamleitern sowie eine Stärkung des Bewusstseins für den Wert der Arbeit. Berenice Pendzialeck und Jonas Pendzialeck schließen an mit der Frage, was die Gesundheitswirtschaft von chinesischen Touristen lernen könnte. Ihnen geht es um die Analyse der Arzt-Patienten-Beziehung im Rahmen des Dramaturgie-Ansatzes. Was die Gesundheitswirtschaft vom Theater lernen kann, möchte Bernd H. Mühlbauer aufzeigen. Er berichtet über das „Unternehmenstheater“ als Konzept zur Organisationsentwicklung von Krankenhäusern. Antike Hochkulturen als Vorbild für Organisationen der Gesundheitswirtschaft sind Gegenstand des Beitrags von Arno Elmer und Anja Hilbig. Sie verweisen unter anderem darauf, dass die Wissens- und Datenspeicherung im alten Ägypten an erster Stelle stand und sektorenübergreifend gearbeitet wurde. Svenja Weitzig und Sina Preuß berichten über die sozialraumorientierte Einzelfallberatung und geben Beispiele für individuelle Hilfeplanungen im integrierten System an. Sarah-Lena Böning und Edeltraud Botzum skizzieren daraufhin Potenziale, Ansätze der sozialen Arbeit in das Gesundheitswesen zu übertragen. Sie richten die Aufmerksamkeit insbesondere auf jene Punkte, an welchen die Medizin an ihre Grenzen stößt und Angebote der sozialen Arbeit das Spektrum der Gesundheitsversorgung flankieren können.

Teil V „Medizin und Gesundheit“ wird eingeleitet von Heinz Lohmann und Konrad Rippmann, deren Beitrag die Heilkunst als möglicher Impulsgeber für die Gesundheitswirtschaft thematisiert. Es geht ihnen unter anderem um die Auflösung des Widerspruchs zwischen hervorragender Medizin und angemessenen Ressourceneinsatz. Christian Thielscher stellt sich die Frage, was die Gesundheitswirtschaft von der Medizin lernen kann. Seine Überlegungen drehen sich um die Einrichtung einer Gesundheitsökonomie, die von einer spekulativen auf eine empirische Grundlage wechselt. In einem abschließenden Beitrag skizziert Henri Michael von Blanchet die Präzisionsmedizin als Vorbild für die Konvergenz von Biologie und Technologie.

Teil VI „Sport und Unterhaltung“ beginnt mit einer Abhandlung von Ernst Holzmann zum Fußball, er plädiert unter anderem dafür, Ansätze von Erfolgstrainern genauer auf eine Adaption im Gesundheitswesen zu überprüfen. Der Kanurennsport als Impulsgeber ist Thema von Tanja Schuck, wir erfahren dabei von den Möglichkeiten einer Planung von Erfolg. Im Beitrag von Swanette Kuntze und Gabriele Kottlorz steht das Märchen im Fokus, ihr Motto lautet: „Wie man durch Selbstführung, Transparenz und Menschlichkeit das Gesundheitswesen genesen lässt“. Philipp Plugmann zeigt dann auf, was von der „Gamification“ zu lernen ist. Er führt unter anderem Studien zum Nutzen innovativer Apps auf.

In Teil VII dreht sich alles um „Verantwortung“. Zunächst berichten Alexander P.F. Ehlers und Anke Moroder von den Staatshilfen des „Euro-Rettungsschirms“, dann André Trinks von der Arbeitserziehung als Vorbild, wobei in diesem Rahmen gefordert wird, dass die Gesundheitswirtschaft ihre Arbeitsbedingungen so weit als möglich an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden ausrichten sollte. Schließlich lesen wir in diesem Teil noch Ausführungen von David Matusiewicz zu Rotary als Beispiel für die Potenziale einer Nachwuchsförderung und eine Kultur des Miteinanders im Gesundheitswesen.

Diskussion und Fazit

Der vorliegende Sammelband kann als Anleitung zur Innovation in der Gesundheitsversorgung gelesen werden. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes stellen eine Reihe von interessanten Vorschlägen zur Modernisierung des Gesundheitssektors in den Raum, vielen davon ist eine breite Rezeption zu wünschen. Unter anderem geht es darum, die Perspektive des Patienten stärker in die Wahrnehmung von Verantwortlichen des Gesundheitswesens zu rücken. Viele der zu lesenden Forderungen beziehen sich jedoch auch auf eine verstärkte Integration von IT-Lösungen in das Medizinsystem. Die Beiträge zeigen, ein gezieltes Lernen der Gesundheitswirtschaft von anderen Wirtschaftszweigen wäre möglich und sinnvoll. Allerdings sollte bei allen Überlegungen zu einer „Neuvermessung der Gesundheitswirtschaft“ berücksichtigt werden, dass das Gesundheitswesen in Deutschland eigene Logiken der Finanzierung, Produktion und Investition aufweist. Ohne eine Veränderung der Strukturen und Rahmenbedingungen des Gesundheitssektors werden viele Impulse ins Leere laufen.

Fazit: Ein lesenswerter Band zu Impulsen für Veränderung im Gesundheitswesen.

Rezension von
Prof. Dr. Harald Christa
Professor für Sozialmanagement an der Evangelischen Hochschule Dresden mit Schwerpunkt Sozio-Marketing, Strategisches Management, Qualitätsmanagement/ fachliches Controlling.
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Es gibt 158 Rezensionen von Harald Christa.

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ISSN 2190-9245