Rüdiger Hansen, Raingard Knauer: Das Praxisbuch (Partizipation in der Kita)
Rezensiert von Dr. Lisa Jares, 06.08.2018

Rüdiger Hansen, Raingard Knauer: Das Praxisbuch. Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita. Wie pädagogische Fachkräfte Partizipation und Engagement von Kindern fördern. Verlag Bertelsmann Stiftung (Gütersloh) 2017. 5. Auflage. 268 Seiten. ISBN 978-3-86793-509-8. 25,00 EUR.
Thema
In dem Buch „Das Praxisbuch: Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita – Wie pädagogische Fachkräfte Partizipation und Engagement von Kindern fördern können“ werden die Grundlagen des Konzeptes „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“ anhand theoretischer Erläuterungen, praktischer Beispiele und Umsetzungsschritte vorgestellt.
Das Konzept „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“ zeigt wie Kinder im gemeinsamen Alltag in der Kita mitentscheiden und mithandeln können und beinhaltete darüber hinaus Hinweise für eine gelingende partizipative Elternarbeit sowie eine mögliche Gestaltung von Partizipation für Kindern unter dem dritten Lebensjahr. Der Grundgedanke des Buches ist „Wenn Kinder im Kita-Alltag gefordert sind, Probleme in der Gemeinschaft eigenständig zu lösen, lernen schon die Zwei- bis Sechsjährigen etwas über Partizipation und gesellschaftliches Engagement“.
Autor und Autorin
Der Autor Rüdiger Hansen ist Diplom-Sozialpädagoge und arbeitet freiberuflich als Fort- und Weiterbildner. Er hat langjährige Erfahrung in der pädagogischen Arbeit sowie der Fachberatung von Kindertageseinrichtungen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Partizipation und Bildung in Kindertageseinrichtungen sowie Planungsbeteiligung von Kindern. Rüdiger Hansen ist Gründungsmitglied des Instituts für Partizipation und Bildung e.V.
Die Autorin Raingard Knauer ist Diplom-Sozialpädagogin, Diplom-Pädagogin und hat einen Dr. in Pädagogik. Sie ist Professorin für Pädagogik, Sozialpädagogik und Kindheitspädagogik an der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Erziehung und Bildung in Kindertageseinrichtungen, bei der Partizipation von Kindern und Jugendlichen sowie im Themenfeld „Konzepte hochschulischer Bildung“. Raingard Knauer ist Gründungsmitglied des Instituts für Partizipation und Bildung e.V.
Entstehungshintergrund
Im Rahmen des Projektes „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie“ der Bertelsmann Stiftung wurde in Kooperation mit dem Instituts für Partizipation und Bildung e.V. das Konzept „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“ entwickelt, erprobt und evaluiert. Die Initiative hat zum Ziel dazu beizutragen, dass Kinder von klein auf in allen Bildungsinstitutionen bereits die Möglichkeit erhalten Verantwortung zu übernehmen und an Gestaltungsprozessen mitwirken können.
Das Konzept „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“ baut auf auf den Erfahrungen des bis dato umfassendsten Konzept für Partizipation in Kindertageseinrichtungen im deutschsprachigen Raum „Die Kinderstube der Demokratie“, auf. Es wurde in Zusammenarbeit mit drei Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein entwickelt und erprobt und wird seit 2011 an den Modellstandorten in Berlin, Magdeburg und Mainz in 18 Kindertageseinrichtungen umgesetzt.
Aufbau und Inhalt
Das Werk gliedert sich nach einem Vorwort von Brigitte Mohn, Mitglied des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung sowie Sigrid Meinhold-Henschel, Senior Project Manager und Leitung des Projektes „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie“ einer Einleitung und einer Danksagung der Autoren in sieben thematische Kapitel. Das Buch schließt ab mit einem umfassenden Anhang, einem Literaturverzeichnis, Informationen zu den Autoren sowie einem Abstract.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Kapitel 1: Gesellschaftliches Engagement von Kindern in Kitas. Im einführenden Kapitel beschreiben die Autoren was gesellschaftliches Engagement von Kindern in Kindertageseinrichtung bedeutet. Dazu zeigen sie anhand von Beispielen auf, welche Engagementthemen dies sein könnten und in welcher Form diese eingebracht werden können (bottom up, aus der Mitte, top down).
Kapitel 2: Kinder sind „zum Helfen geboren und erzogen“. Ausgehend von einer wissenschaftlichen Studie (Tomasello 2010) gehen Rüdiger Hansen und Raingard Knauer im zweiten Kapitel darauf ein, welche Voraussetzungen Kinder bereits mitbringen um mitentscheiden und mithandeln zu können. Sie legen dar, dass Kinder schon vom Krippenalter an ebendiese Fähigkeit in sich tragen, wenn sie die Unterstützung erfahren ihr Engagement auch für die Gemeinschaft einsetzen zu können.
Kapitel 3: Kinder mitentscheiden und mithandeln zu lassen lohnt sich. Das dritte Kapitel thematisiert warum das Engagement von Kindern in und für die Gemeinschaft gefördert werden sollte. Es gliedert sich in zwei Unterkapitel in welchen darauf eingegangen wird, dass gesellschaftliches Engagement einerseits Bildung und andererseits Demokratie fördert.
Kapitel 4: Gesellschaftliches Engagement von Kindern fördern. Kapitel vier ist das umfassendste Kapitel dieses Buches. Es gliedert sich fünf Unterkapitel zu folgenden Themen:
- Kinder ernst nehmen und ihnen etwas zutrauen
- Punktuelles Engagement zugestehen und zumuten
- Aufgaben und Herausforderungen transparent gestalten
- Aufgaben und Herausforderungen demokratisch gestalten
- Engagement auch außerhalb der Kita ermöglichen
In diesem Kapitel werden Verfahren vorgestellt, mit welchen das gesellschaftliche Engagement von Kindern in Kindertageseinrichtungen gefördert werden kann.
Kapitel 5: Gesellschaftliches Engagement von unter Dreijährigen fördern. Im fünften Kapitel wird der Fokus speziell auf die Altersgruppe der unter Dreijährigen gelegt. Denn dem Grundgedanken der Autoren nach sind Kinder in jedem Alter partizipationsfähig, wenn Erwachsenen die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen.
Kapitel 6: Die Eltern beteiligen. Im Sinne einer Erziehungspartnerschaft ist eine enge Zusammenarbeit mit den Familien der Kinder wesentlich, auch bei den Themen Partizipation und Engagement. In Kapitel sechs wird hierzu zunächst auf die Heterogenität von Familien eingegangen und anschließend erläutert wie pädagogische Fachkräfte über ihr partizipatives Vorgehen in der Kita informieren. Auch Mitentscheidungsrechte der Eltern werden thematisiert.
Kapitel 7: Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita – Resümee und Ausblick. Das dem Buch zugrunde gelegte Konzept ist in enger Kooperation zwischen Wissenschaft, Praxis und Fortbildungsdidaktik entstanden. Die Modelleinrichtungen haben umfassende Fortbildungen erhalten. Das siebte Kapitel beinhaltet die Projektauswertung und somit verbunden die Rückmeldungen aus der Praxis (Modelleinrichtungen). Ebenfalls werden in Form eines Ausblicks weitere denkbaren Maßnahmen wie möglichst viele Kindertageseinrichtungen dazu befähigt werden könnten Partizipation in ihrem Alltag zu integrieren, formuliert.
Anhang. Der Anhang beinhaltet:
- Ein Raster für die Planung eines Beteiligungs- und Engagementprojektes
- Die Kita-Verfassung aus dem Kindergarten von Leon und Jelena (der fiktiven Kindertageseinrichtung dieses Buches)
- Einen Hinweis, wo man die Liste der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren des Konzepts „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“ online aufrufen kann.
Diskussion
Das Buch bietet eine praxisnahe Unterstützung für Pädagogische Fachkräfte in frühpädagogischen Bildungsinstitutionen um Kindern unabhängig ihres Alters Mitbestimmungsrechte im Alltag zu ermöglichen. „Wenn Kinder in Kindertageseinrichtungen sich gesellschaftlich engagieren, beteiligen sie sich an vielfältigen Vorgaben und Herausforderungen, die die Gemeinschaft betreffen. Sie entscheiden (mit), wobei und wie sie sich engagieren, und handeln (mit), wenn ihre Pläne umgesetzt werden“ (S. 35). Das dem Buch zugrunde gelegte Konzept „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“ ist ein wissenschaftlich fundierter Handlungsansatz, welcher aus der Praxis heraus – für die Praxis entwickelt wurde.
Der Aufbau des Buches ist strukturiert und schlüssig. Die hilfreichen Hinweise und Materialien die zur Verfügung gestellt werden ermöglichen eine direkte Anwendung in der Praxis. Umfassende Beispiele anhand einer fiktiven Kindertageseinrichtung, welche sich aber auf wahre Begebenheiten beziehen bieten einen starken Bezug zum Kita-Alltag. Durch optische Hervorhebungen bietet es Reflexionsanregungen, die dazu ermutigen den eigenen Kita-Alltag zu hinterfragen, so z.B. „Machen Sie ein kurzes Brainstorming: Was muss eigentlich den ganzen Tag in Ihrer Kita entschieden und gemacht werden, damit sich Kinder und Erwachsene hier wohlfühlen und der Alltag funktioniert? Und nun überlegen Sie: Wer ist in der Regel bei Ihnen für all diese Tätigkeiten verantwortlich? Wer entscheidet hierüber und wer führt sie aus?“ (S. 22 f.).
Wichtig ist zu beachtet, dass die skizzierten Ideen nur Hinweise darstellen und so nicht jeder Kindertageseinrichtung „übergestülpt“ werden können. Vielmehr geht es darum in dem Buch Anregungen zu finden, wie man in der eigenen Kindertageseinrichtungen Mitwirkungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten für Kinder etablieren kann.
Fazit
„Das Praxisbuch: Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita – Wie pädagogische Fachkräfte Partizipation und Engagement von Kindern fördern können“ ist eine wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Handreichung mit einer optisch ansprechenden Gestaltung.
Es richtet sich an pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und bietet ebendiesen wertvolle, fundierte, praktische Tipps und Hinweise zur Implementierung einer Kultur des Mitentscheidens- und Mithandeln von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Ebenfalls ist es wertvoll für Lehrende und Lernende im Feld der Pädagogik der frühen Kindheit.
Fazit: Ein Grundlagenwerk, welches in jede Kindertageseinrichtung gehört und eine Pflichtlektüre für alle angehenden pädagogischen Fachkräfte!
Rezension von
Dr. Lisa Jares
Pädagogische Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen, Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen in kindheitspädagogischen Studiengängen und Redakteurin des frühpädagogischen Fachportals ErzieherIn.de.
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