Ursula Reutner: Interkulturelle Kompetenz
Rezensiert von Florian Stelzer, Dr. Hans-Stefan Fuchs, 17.12.2018

Ursula Reutner: Interkulturelle Kompetenz. Anleitung zum Fremdgehen. Ein Lernparcours.
Westermann Schulbuchverlag
(Braunschweig) 2015.
110 Seiten.
ISBN 978-3-14-162172-3.
23,95 EUR.
Reihe: Praxis Pädagogik.
Autorin
Frau Prof. Dr. Dr. h. c. Ursula Reutner ist Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprach- und Kulturwissenschaft an der Universität Passau. Zu ihren zahlreichen Untersuchungsgebieten in Forschung und Lehre gehört unter anderem der Bereich der interkulturellen Kommunikation. Sie ist in allen einschlägigen Untersuchungsregionen unterwegs, in denen Französisch, Spanisch und Italienisch gesprochen wird, sowie im arabischen und chinesischen Kulturraum.
Entstehungshintergrund und Thema
Durch die vielfältige Lehr- und Forschungstätigkeit im Bereich der interkulturellen Kompetenz und die zahlreichen Auslandserfahrungen als Lernende und Lehrende entwickelte Frau Prof. Dr. Dr. h. c. Ursula Reutner die „Anleitung zum Fremdgehen“. Es ist ein Leitfaden für Lehrende und ehrenamtlich Engagierte bei der Vermittlung von interkultureller Kompetenz. Hinter dem Titel verbirgt sich ein Lernparcours für Schülerinnen und Schüler, der seit dem Jahr 2005 erfolgreich in zahlreichen bayerischen Berufs- und Hauptschulen in Kooperation mit studentischen Teams der Universität Passau eingesetzt wird.
Interkulturelle Kompetenz ist bei den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen wichtiger denn je, an fünf Stationen können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Parcours selbstständig die Begegnung mit dem Fremden im Alltag hinterfragen.
Aufbau
Die Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Ausgewählte Inhalte
In dem vielfach an Schulen durchgeführten Lernparcours „Anleitung zum Fremdgehen“ erleben Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I eine interkulturelle Sensibilisierung. In fünf Lernstationen erproben sie die Begegnung mit dem fremden Alltag, hinterfragen und entlarven Vorurteile gegenüber fremden Kulturen und durchbrechen gewohnte Denkstrukturen und Verhaltensmuster.
Das Buch, das in der Reihe Praxis Pädagogik im Westermann Verlag erschienen ist, bietet inhaltliche und methodische Grundlagen, einen Moderationsleitfaden und praxisorientierte Hinweise, um interkulturelle Kompetenz bereits im Unterricht zu vermitteln.
Einen besonderen Mehrwert stellt das dritte Kapitel des Buches dar: Dort werden detailliert die einzelnen Stationen des Moderationsleitfadens „Warm-Up mit Vorurteilen“, „Hingucker“, „Schubladendenken“, „Komfortzone“ und „So schmeckt die Welt“ vorgestellt. Beim Warm-Up z.B. sollen Schülerinnen und Schülern zuerst in der ganzen Klasse in Richtung ihrer eigenen Vorurteile sensibilisiert werden, indem sie sich auf eine spielerische Art und Weise mit dem eigenen Selbst- und Fremdbild auseinandersetzen. Danach wird die ganze Klasse in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt, welche die restlichen Stationen in unterschiedlicher Reihenfolge, quasi in zwei Strängen durchlaufen. In kleineren Gruppen kann man den verbleibenden Lernparcours zeitökonomischer und intensiver durcharbeiten. Damit wird auch methodisch gesehen die Diskursivität für die Nachbereitung gesteigert, da die Schülerinnen und Schüler die gleichen Stationen in unterschiedlicher Gruppenzusammensetzung und unterschiedlicher Abfolge durchlaufen. Oder z.B. in der „Komfortzone“ sollen den Schülerinnen und Schüler bewusst werden, dass Fremdes und Unbekanntes eigentlich ständige Begleiter der eigenen Entwicklung darstellen und die Erweiterung der Komfortzone nichts Bedrohliches ist und nur eine Bereicherung sein kann.
Grundsätzlich wird in allen Stationen gezeigt, wie die Rolle des Trainers als Prozessbegleiter aussehen kann. Der Leitfaden enthält dafür klare erfahrungsbezogene Moderationsansätze, die als Impulse zu verstehen sind und in der Praxis flexibel eingesetzt werden können, um einen natürlichen wie spontanen Ablauf zu gewährleisten. Eine strengere Orientierung am Leitfaden ist jedoch bei unerfahrenen Trainern bzw. Fremdgänger-Teams sinnvoll. Die Stationen sind hinsichtlich ihrer Dramaturgie jeweils in drei Phasen „Inszenierung“, „Durchführung“ und „Auswertung“ gegliedert und durch zahlreiche erfahrungserprobte Praxistipps erweitert.
Diskussion
In der kurzen, aber prägnanten Überblickspräsentation zu Beginn des Buches werden alle wesentlichen Bausteine des Lernparcours vorgestellt. Dies ermöglicht einen schnellen und unmittelbaren Zugang zur Thematik und garantiert einen unkomplizierten Einsatz.
Im Anschluss an die praxisorientierte Vorstellung der Inhalte werden im zweiten Kapitel die dazugehörigen Fragen zur interkulturellen Kommunikation geklärt. Dieses Kapitel liefert auch die theoretische Grundlage für den Parcours und ist so formuliert, dass es sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene gut verständlich dargestellt ist. Darin werden ebenfalls wichtige Aspekte des erfahrungsorientierten Lernens beleuchtet, die im Sinne eines konzeptionellen Unterbaus handlungsanleitend auf Rolle und Sprache der Trainerinnen und Trainer wirken soll. So gibt es immer Hinweise für weiterführende Literatur, damit sich die jeweils Durchführenden tiefer mit der jeweiligen Thematik vertraut machen können.
Einen besonderen Mehrwert dieser Publikation bildet der detaillierte Moderationsleitfaden (Kapitel 3), der jede einzelne Phase des Lernparcours darstellt und Kopiervorlagen für die Durchführung anbietet.
Im anschließenden vierten Kapitel wird die Nachbereitung beschrieben, die in diesem Kontext als sehr wichtig zu erachten ist. Es werden sogenannte „Zehn Gebote zum Fremdgehen“ aufgestellt, die zur eigenen Reflexion anregen sollen. Auch hier liegen Kopiervorlagen zur Nachbereitung und Evaluation bei.
Die praxisorientierte Veröffentlichung stellt in ihrem fünften Kapitel eine große Bandbreite an Hilfsmitteln zur Verfügung, die sich insgesamt auf die Stationen des Lernparcours beziehen: So werden nicht nur Darstellungen zur Raumaufteilung und Bestuhlung sondern auch Materiallisten und klärende Texte vorgehalten, die sich besonders gut als Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Prozessen in den verschiedenen Stationen eignen.
Im letzten Kapitel sind einige Pressestimmen gesammelt, die im Laufe der langjährigen Durchführung des Lernparcours veröffentlicht wurden und die Erfahrungswerte der teilnehmenden Schulen widerspiegeln.
Fazit
Die „Anleitung zum Fremdgehen“ ist ein sehr gelungener, praxisorientierter Lernparcours, der interkulturelle Kompetenz bereits in der Schule thematisiert und mit Leben füllt. Gerade die Begegnung mit dem Fremden im Alltag zu hinterfragen, Vorurteile gegenüber fremden Kulturen zu entlarven und gewohnte Denkstrukturen und Verhaltensmuster zu durchbrechen, stellen einen großen Mehrwert dar und regen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrende zur Reflexion an.
Rezension von
Florian Stelzer
Geschäftsführer des Zentrums für Lehrerbildung und Fachdidaktik (ZLF) an der Universität Passau
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Dr. Hans-Stefan Fuchs
Leiter des Praktikumsamtes für Grund- und Mittelschulen an der
Universität Passau und zuständig für die Internationalisierung der
Lehrerbildung
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