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Christian Spatscheck, Claudia Steckelberg (Hrsg.): Menschenrechte und Soziale Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Arnd Götzelmann, 31.08.2018

Cover Christian Spatscheck, Claudia Steckelberg (Hrsg.): Menschenrechte und Soziale Arbeit ISBN 978-3-8474-2176-4

Christian Spatscheck, Claudia Steckelberg (Hrsg.): Menschenrechte und Soziale Arbeit. Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und Umsetzung einer Realutopie. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2018. 318 Seiten. ISBN 978-3-8474-2176-4. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Buchreihe Theorie, Forschung und Praxis der sozialen Arbeit - Band 16.

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Thema

Das Thema Menschenrechte und Soziale Arbeit gehört in einen weltweiten Diskurs der Profession und Disziplin Sozialer Arbeit, der auf verschiedenen Ebenen seit vielen Jahren geführt wird. Menschenrechte als ethische Grundlage des Berufes und der Wissenschaft Sozialer Arbeit zu verstehen und sich in der Praxis (selbst-)kritisch daran auszurichten, erscheint, wenn man die internationalen Berufscodizes oder berufsethischen Prinzipien der Sozialen Arbeit betrachtet, genauso selbstverständlich wie global verbreitet.

Die fachwissenschaftliche Literatur im anglo-amerikanischen Sprachraum bietet eine Fülle von Zugängen zum Konnex von „Social Work“ und „Human Rights“ (Ife 2008, 2010; Wronka 2008, 2016, Lundy 2011). Im deutschen Sprachraum hat vor allem Silvia Staub-Bernasconi (1995, 1997, 2003, 2006, 2007, 2008, 2012, 2013, 2018) wesentliche Impulse für eine menschenrechtsbasierte Soziale Arbeit gegeben, die unter dem Konzeptbegriff „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ bekannt wurden und bis heute kontrovers diskutiert werden.

Herausgeber und Herausgeberin

Das Buch ist von zwei Vorstandsmitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit herausgegeben: Prof. Dr. Christian Spatscheck von der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Bremen und Prof. Dr. Claudia Steckelberg vom Fachbereich Soziale Arbeit der Hochschule Neubrandenburg.

Entstehungshintergrund

Der Buchveröffentlichung liegt die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit zugrunde, die sich am 28. und 29. April 2017 an der Alice Salomon Hochschule in Berlin mit dem Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Menschenrechten beschäftigte. Über 150 empirische, theoretische und praxisnahe Beiträge setzten sich mit dem Thema auseinander, wovon einige in den Band eingegangen sind.

Aufbau

Der 318 Druckseiten umfassende Band gliedert sich in drei Teile zu theoretisch-konzeptionellen Grundlagen, fachlich-disziplinären Diskursen und professioneller Umsetzung in der Praxis.

Nach dem Einführungsbeitrag von Herausgeberin und Herausgeber über die Relevanz des Themas, den Entstehungshintergrund der Publikation und den Inhalt des Bandes nimmt der erste Hauptteil ein gutes Drittel des Buchumfangs ein. Er ist mit „Konzeptionelle Grundlagen – Menschenrechte als Bezugsmodelle und Konzepte“ überschrieben. Darin sind sieben Beiträge enthalten, von denen der von Jim Ife schon allein wegen seines Abdrucks in englischer Sprache und der der Freiburger Sozialarbeitswissenschaftlerin Nausikaa Schirilla wegen ihrer internationalen Anschlussfähigkeit herausstechen.

Ife stellt in der Krise der Moderne und angesichts der juristischen Dominanz über die Menschenrechte einen eigenen anthropologisch-humanistischen Zugang Sozialer Arbeit zu den Menschenrechten heraus.

Schirilla beschäftigt sich ausgehend von der aktuellen globalen Definition Sozialer Arbeit der Verbände IFSW und IASSW mit dem Zusammenhang von indigenem Wissen und Menschenrechten, der im internationalen Diskurs kontrovers debattiert wird.

Zwei Beiträge führen weitere kritische Argumente gegen den Anspruch der Sozialen Arbeit, eine Menschenrechtsprofession sein zu wollen, auf:

  • Michael May plädiert alternativ für ein anerkennungsbasiertes und deontologisches Ethos Sozialer Arbeit,
  • Stefanie Rosenmüller bezieht ihre Kritik an der Abstraktheit der Menschenrechte aus Hanna Arendts Idee des „Rechts, Rechte zu haben“.

Die anderen drei Beiträge liefern Argumente für die Bedeutung und Anwendbarkeit der Menschenrechte in Grundlegung und Praxis der Sozialen Arbeit.

  • Nivedita Prassad zeigt die Konsequenzen des Anspruchs der Sozialen Arbeit, eine – nicht die einzige – Menschenrechtsprofession zu sein, für Lehre und Praxis.
  • Sabine Stövesand geht im Gespräch mit Silvia Staub-Bernasconi den wichtigen Stationen der Menschenrechtsrezeption in Disziplin und Profession Sozialer Arbeit nach.
  • Eine intersektionelle und diversitätssensible Perspektive auf die menschenrechtsbasierte Soziale Arbeit bringen Katrin E. Sauer, Barbara Schramkowski und Barbara Thiessen ein.

Im zweiten Hauptteil sind unter der Überschrift „Gestaltungsfelder – Menschenrechte im fachlichen Diskurs“ sechs spannende Beiträge versammelt. Sie setzen sich aus einer menschenrechtsbasierten Perspektive mit Fach- und Sachthemen auseinander wie:

  • Staatsbürgerschaftsrecht und Einwanderungspolitik (Günter Rieger mit Kommentaren von Katrin Toens und Jens Wurtzbacher),
  • Menschenrechte und Religion (Kathrin Hahn),
  • dem Recht auf Wohnen und seinem Schutz (Edi Martin),
  • dem Kontext bewaffneter Konflikte (Linus Mührel, Markus Hundeck und Eric Mührel),
  • der Melbourne-Definition Sozialer Arbeit von 2014 (Silvia Staub-Bernasconi) und
  • der Vermittlung der Menschenrechte in einer praxisorientierten Lehre (Walter Eberlei, Katja Neuhoff und Klaus Riekenbrauk).

Etwas umfangreicher fällt der dritte Hauptteil zur „Umsetzung – Menschenrechte und ihre Realisierung in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit“ aus. Hier werden in den acht Beiträgen die folgenden Praxisbereiche menschenrechtsprofessionell beschrieben und reflektiert:

  • Klinische Soziale Arbeit (Isabelle Brantl, Margit Stein und Yvette Völschow),
  • sexuelle Ausbeutung von ‚Rroma‘-Frauen (Alexandra Geisler),
  • Trans*, inter* und genderqueere Jugendliche (Nadine Bochert, Petra Focks und Andrea Nachtigall),
  • Umgang mit Kinderrechten und Kindeswohlgefährdung in England, den Niederlanden und Deutschland (Susanne Witte),
  • Beschwerdeoptionen in der Kinder- und Jugendhilfe (Claudia Kittel),
  • Alte Menschen (Marina Vukoman und Ann-Christin Heming),
  • Sozialpsychiatrie (Sandro Bliemetsrieder, Katja Maar, Josephina Schmidt und Athanasios Tsirikiotis) und
  • Menschenrechts-Monitoring im Sozialamt der Stadt Salzburg (Robert Krammer).

Am Ende des Bandes findet sich ein Verzeichnis der Herausgeber_innen und Autor_innen.

Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.

Ausgewählte Inhalte

Aus jedem der drei Hauptteile soll nach dem Überblick nun ein Beitrag näher dargestellt werden, der mir besonders interessant erscheint.

Im ersten Hauptteil bringt der englischsprachige Beitrag des australischen Sozialarbeitswissenschaftlers Jim Ife eine weite, aktuelle und eigenständige Perspektive, die der Diskussion um die Bedeutung der Menschenrechte für die Soziale Arbeit und ihren Umgang mit ihnen wichtige Impulse gibt. Ife sieht die Bedeutung der Menschenrechte in Zeiten neoliberaler Wirtschafts- und Regierungsformen, von rechts-nationalem Populismus und Neofaschismus sowie der ökologischen und Demokratiekrise infrage gestellt und plädiert gerade deshalb für eine verstärkte Ausrichtung der Sozialen Arbeit an den Menschenrechten. Anders als die feministische, postkoloniale und postmoderne Kritik der Menschenrechte, die die Idee der Menschenrechte nicht grundsätzlich infrage stellten, sondern zu einer reflexiven Position ermutigten, stellt Ife fest, dass die neoliberale und rechtspopulistische Seite den Menschenrechten grundsätzlich misstrauen, sie denunzieren, sie begrenzen oder abschaffen wollen. Dem stellt er gegenüber, dass Menschenrechte grundsätzlich die Menschenwürde und den Wert des menschlichen Lebens repräsentieren.

Der einseitigen Sicht der Menschenrechte als individuelle Freiheitsrechte und Freihandelsrechte in Zeiten der Globalisierung („globalisation of free trade“) stellt er die Bedeutung der ökonomischen, sozialen und kulturellen Teilhaberechte für eine „globalisation of free humanity“ (S. 23) entgegen, die die Soziale Arbeit betonen und nutzen müsse. Jedes rechtstaatliche System benötige die gegenseitige Ergänzung von Rechten und Pflichten, denn Rechte seien nicht identisch mit Freiheiten, sonst wären wir frei unsere Rechte auszuüben ohne Rücksicht auf unsere Mitmenschen. Menschenrechte seien zugleich Menschenpflichten, wenn sie nicht egozentrisch verwendet würden, sondern in das Soziale eingebunden seien.

Ife kritisiert sodann die Dominanz von Rechtsanwälten und des juristischen Systems über die Menschenrechte. Den rein rechtlichen Zugang zu den Menschenrechten hält er für zu individualistisch, zu negativ-verbietend und für zu hierarchisch. Dem gegenüber formuliert er die spezifischen „social work perspectives on human rights“ (S. 26), die sich dadurch auszeichnen, dass sie einen kollektiven und systemischen – d.h. die Bedeutung der Organisationen, der Machtdiskurse, der strukturellen Benachteiligungen betonenden – Zugang und damit eine Kritik und ein Gegenmodell des individuellen juristischen Zugangs bieten. Dieses sozialarbeitliche Verständnis der Menschenrechte widersetze sich ebenso dem „negative approach to human rights“ (ebd.) aus der legalen Sicht. Denn es gehe darum, den Menschen nicht zu sagen, was sie nicht tun dürfen, sondern sie dazu zu ermutigen zu überlegen, was sie tun könnten und sollten. Bei einer solchen Empowerment- und Ermöglichungsethik gehe es um mehr als um den Versuch, unethisches bzw. unmoralisches Verhalten zu vermeiden. Gegen das hierarchische Verständnis der Menschenrechte setze die Soziale Arbeit ihr egalitär-gemeinschaftliches Anliegen, ihren „bottom-up way“ (S. 27) von Beziehungsarbeit in Familien, Nachbarschaften und Netzwerken. Soziale Arbeit müsse sich von Rechtsanwälten ebenso abgrenzen wie von Therapeuten, stattdessen bei dem Sozialen und dem Gemeinschaftsfördernden ansetzen und dabei an die eigenen Wurzeln der Gemeinwesenarbeit anschließen.

Dazu beschäftigt sich Ife in seinem Beitrag dann mit dem Humanen, also mit dem ersten Wortteil des zusammengesetzten Begriffes der Menschen-Rechte bzw. der „human rights“. Man dürfe bei der Beschreibung dessen, was den Menschen ausmache, nicht auf ein partikulares Idealverständnis des Menschen als individuell, männlich, säkular, jung, heterosexuell, sportlich und weiß verweisen, denn dieses defizitär-ausschließende Konzept des Humanen führe zu einer kolonialistischen Praxis der Menschenrechte. Die Definition des Humanen, des Menschen und des Menschlichen müsse also breiter sein und alle Menschen einschließen. Es sind also nicht die einzelnen Rechte, die zu hinterfragen seien, sondern zunächst die Idee des Humanen. Demzufolge muss die Soziale Arbeit auch eine solide Basis und Begründung in den Humanwissen-, Kultur- und Geisteswissenschaften („humanities“), wie „history, literature, art, philosophy, theatre, poetry, cultural studies“ (S. 29) usw. haben.

Am Ende kommt Ife noch zu einem Paradoxon, indem er der vorher formulierten Bedeutung eines weiten Begriffes des Humanen als Grundlage der Sozialen Arbeit nun die Kritik folgen lässt, dass viele der gegenwärtigen globalen Probleme aus dem Anthropozentrismus entstanden. Im Anschluss an die Weisheit und das moralische Erbe der indigenen Völker sei es angesichts der gegenwärtigen globalen Krisensituation nötig, den Blick auf die Welt ökozentrisch und ökologisch auszurichten. Die zentrale Ausrichtung am Menschen müsse zugunsten der Definition von Rechten der „Mutter Erde“ als globale Verfassungsgarantien überwunden oder doch mindestens ergänzt werden. Soziale Arbeit müsse ihr Verständnis des Sozialen und Gemeinschaftlichen ausweiten auf die nichtmenschliche Natur und könne dabei von den „Indigenous People“ (S. 30) lernen. Schließlich seien die am meisten Benachteiligten der Weltbevölkerung diejenigen, die die geringste Verantwortung für das ökologische und soziale Disaster trügen.

Der Beitrag zu „Menschenrechte und Religion“ von Kathrin Hahn im zweiten Hauptteil des Buches erscheint mir wert herausgehoben zu werden, weil er ein Thema behandelt, das weltweit große Bedeutung für die Soziale Arbeit hat, in der deutschen Sozialarbeitswissenschaft jedoch bislang unterbelichtet bleibt. Hahns Diagnose ist: „Alles Religiöse wurde mehr oder weniger aus dem disziplinären Diskurs ausgeklammert und es ist deshalb erforderlich, seine Relevanz zu klären.“ (S. 135)

Genau das tut die Autorin, indem sie „Möglichkeiten und Grenzen einer religionssensiblen professionellen Handlungsfähigkeit erörtert“ (ebd.) und sich dabei an den Menschenrechten orientiert. Denn die Menschenrechte forderten die Soziale Arbeit ethisch und politisch dazu auf, „Religion als eine Dimension der Lebenswelt vieler Menschen anzuerkennen und zu berücksichtigen“ (ebd.). Religion werde seit einige Jahren öffentlich wieder verstärkt wahrgenommen, was nicht nur mit der Pluralisierung aufgrund von Migrationsprozessen und dem Bedeutungszuwachs des Islam zusammenhänge, sondern damit, dass „Anerkennungsforderungen verschiedener religiöser Identitäten“ (ebd.) ihren Ausdruck fänden. Der Umgang mit der religiösen Vielfalt für ein friedliches Zusammenleben sei nötig, auch angesichts verschiedener Fundamentalismen und rechtspopulistischen Versuchen, ein „christliches Abendland“ zu konstruieren. So könne Religion im Leben der Einzelnen, von Gruppen und in der Gesellschaft als Ressource aber auch als Problem aufgefasst werden – so oder so seien die Fachkräfte der Sozialen Arbeit mit den vielfältigen Phänomenen des Religiösen konfrontiert, jedoch oftmals „weder theoretisch noch methodisch vorbereitet“ (S. 136), damit angemessen umzugehen. Denn „Religion war in den vergangenen Jahrzehnten eine Leerstelle in Profession und Disziplin der Sozialen Arbeit“ (ebd.).

In den Menschenrechten sieht Hahn nun einen „Referenzrahmen einer religionssensiblen Sozialen Arbeit“ (S. 137). Angesichts des Rechts auf Selbstbestimmung und auf Religionsfreiheit habe die Soziale Arbeit die religiöse Selbstdeutung ihrer Adressat_innen zu respektieren, sich dafür sensibel zu machen, wenn das Recht auf Religionsfreiheit eingeschränkt werde, und aktiv dieses Recht zu unterstützen. Hier sei ein weites, nicht konfessionell gebundenes oder verengtes Religionsverständnis anzulegen. Religionssensibles Handeln müsse dazu „kritisch und differenzbewusst“ (S. 140), „selbstreflexiv“ und verstehend (vgl. S. 141-143) sowie „vernetzt mit religiösen Akteur_innen im Sozialraum“ (S. 143) wirken. Denn: „Menschenrechtsorientierung erfordert auch Religionssensibilität“ (S. 144).

Aus dem dritten Hauptteil soll noch kurz der Beitrag von Marina Vukoman und Ann-Christin Heming herausgehoben werden, der sich mit dem Thema „Menschenrechte als Bezugsrahmen für die Soziale Arbeit mit älteren Menschen“ befasst. Obschon Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung älterer Menschen ein alltägliches und weltweites Phänomen seien, gebe es bisher keine eigene Konvention für diese Gruppe wie z.B. für Kinder oder Menschen mit Behinderungen. Menschenrechte Älterer seien Bestandteil der Universalität der Menschenrechte. Sie böten eine gute „Basis für eine kritische Haltung zum professionellen Handeln der Sozialen Arbeit und eine ‚individual-gesellschaftsdiagnostische Kategorie‘“ (S. 269).

Schon in den traditionellen Theorien des Alters bzw. Alterns seien Diskriminierungen impliziert, wenn sie ein einheitliches, erfolgreiches Altern oder umgekehrt den pauschalen Abbau von Kompetenzen oder Aktivitäten im Alter postulierten, ohne die Differenzen in den Lebenslagen zu berücksichtigen. Gerade die unterschiedlichen Lebenslagen und -umstände bei Einkommen und Vermögen, Kontakt und Kooperation, Lernen und Erfahrung, Muße und Regeneration, Disposition und Partizipation seien aber in den Blick zu nehmen. „Das Alter“ gebe es schlicht nicht.

Weiterführend sei hier das Konzept des „ageism“, das diese Differenzen und die strukturellen Abwertungen des Alters durch die Gesellschaft fokussiert. Die Soziale Altenarbeit müsse sich also die Fragen stellen: „Welche Rolle kommt … den Menschenrechten in der Sozialen Altenarbeit zu?“ (S. 272), „Inwiefern spiegeln sich … Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung älterer Menschen in … der Sozialen (Alten-)Arbeit wieder?“ (ebd.) und „Wie kann es der Sozialen Arbeit gelingen, Selbstbestimmung … älterer Menschen zu fördern und Menschenrechtsverletzungen zu begegnen?“ (S. 273)

Die Autorinnen sehen in der Transformation zum aktivierenden Sozialstaat eine Gefahr für die Menschenrechtsprofession, denn „im Feld der offenen Altenarbeit verstärkt sich die Wirkung der aktivierenden Sozialpolitik, da die Finanzierung hier besonders von Bundes- und Landesprogrammen abhängig ist“ (S. 274) und in den Kommunen als „freiwillige Leistung“ sehr unterschiedlich umgesetzt werde. Die Autorinnen setzen ihre Hoffnung auf „Partizipation und Quartiersentwicklung als Möglichkeit der Realisierung von Menschenrechten“ (S. 275).

Diskussion

Das Buch spiegelt einen spannenden Ausschnitt aus der Breite des aktuellen Menschenrechtsdiskurses in Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Neben kritischen Positionierungen zum Konzept der Menschenrechtsprofession wird eine Fülle von grundlegenden, fachtheoretischen und praxisbezogenen Beiträgen zusammengebunden, die die Relevanz der Menschenrechte für die Soziale Arbeit als ethische Grundlage und Reflexionskategorie, als politische Argumentationshilfe und soziale Realutopie veranschaulicht. Natürlich war es dabei nicht möglich, alle Facetten des Diskurses und alle Handlungsfelder der Sozialen Arbeit aufzunehmen. Das hätte den Rahmen des Buches angesichts der Breite der Sozialen Arbeit gesprengt.

Fazit

Mit dem Sammelband „Menschenrechte und Soziale Arbeit“ ist es den beiden Herausgebern Christian Spatscheck und Claudia Steckelberg in der Reihe „Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit Band 16 gelungen, den Anspruch des Buchuntertitels „Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und Umsetzung einer Realutopie“ der Menschenrechte Geltung zu verschaffen und den Diskurs weiter in der professionellen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu verbreiten. Der Band bietet in der Vielfalt seiner 22 Einzelbeiträge aus der Feder von vierzig Autor_innen eine gute Einführung in das Thema und kann in Lehre und Studium der Sozialen Arbeit ebenso sinnvoll verwendet werden wie in der Praxis des Berufes und in Wissenschaft und Forschung.

Rezension von
Prof. Dr. Arnd Götzelmann
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Es gibt 4 Rezensionen von Arnd Götzelmann.

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Zitiervorschlag
Arnd Götzelmann. Rezension vom 31.08.2018 zu: Christian Spatscheck, Claudia Steckelberg (Hrsg.): Menschenrechte und Soziale Arbeit. Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und Umsetzung einer Realutopie. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2018. ISBN 978-3-8474-2176-4. Buchreihe Theorie, Forschung und Praxis der sozialen Arbeit - Band 16. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24416.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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