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Christiane Lutz, Gabriele Wurster (Hrsg.): Kinderzeichnung, Sandspiel und Gestaltung

Rezensiert von Prof. Dr. Lisa Niederreiter, 17.09.2018

Cover Christiane Lutz, Gabriele Wurster (Hrsg.): Kinderzeichnung, Sandspiel und Gestaltung ISBN 978-3-17-030850-3

Christiane Lutz, Gabriele Wurster (Hrsg.): Kinderzeichnung, Sandspiel und Gestaltung. Verstehen und Anwenden in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2018. 260 Seiten. ISBN 978-3-17-030850-3. 24,00 EUR.
Reihe: Psychodynamische Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

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Thema

Zwei nach C.G. Jungs tiefenpsychologischem Ansatz arbeitende Psychotherapeutinnen berichten in diesem Band von ihren vielfältigen Erfahrungen mit symbolischen Gestaltungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Therapie, wobei Kinderzeichnungen, plastische bzw. dreidimensionale Arbeiten unter Einbeziehung von Spielfiguren und als besonderes Interventionskonzept das Sandspiel nach M. Lowenfeld und D. Kalff berücksichtigt sind. Die Autorinnen umreißen und verdeutlichen dabei die tragende Funktion gestalterischer und materialinspirierter Ausdruckshandlungen für eine gelingende Therapie bei Kindern und Jugendlichen, deren verbale Durchdringung seelischer Notlagen (noch) nicht ausgereift ist. Dieser an für Psychotherapien dieses Lebensalters typischen, repräsentativen Fallvignetten und (Bild)beispielen reich bestückte Band reflektiert die therapeutischen Ereignisse und Prozesse zu einem großen Teil auf der Grundlage von Jungs Konzepten, welche in der psychodynamischen Theoriebildung inzwischen eine Erweiterung erfahren haben.

Der Band ist Teil einer Reihe zur psychodynamischen Psychotherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Autorinnen

Bei beiden Autorinnen handelt es sich um vielfältig aus- und fortgebildete Pädagoginnen und Psychotherapeutinnen für Kinder und Jugendliche mit langjähriger Berufserfahrung in Beratungsstellen sowie in jeweils eigenen psychotherapeutischen Praxen. Christiane Lutz ist zudem Paar- und Familientherapeutin und bildet seit Jahrzehnten als Dozentin des C.G. Jung-Instituts in Stuttgart aus. Gabriele Wurster besitzt ein deutliches berufliches Profil im Feld des therapeutischen Sandspiels, der Traumatherapie und der körper- und tanzorientierten Verfahren.

Aufbau und Inhalt

Die Publikation gliedert sich in drei große Abschnitte.

  1. Der erste Block behandelt die Kinderzeichnung in ihrer phasentypischen Entwicklung und grundlegenden Funktion in der psychotherapeutischen Arbeit.
  2. Block zwei ist der Gestaltung mit Elementen und Materialien gewidmet, wobei hier auch exemplarisch bedeutsame therapeutische Themen berücksichtigt sind.
  3. Der dritte große Abschnitt dreht sich schließlich um das Sandspiel als spezifisches methodisches Konzept in seiner Anwendung auf die typischen Entwicklungsthemen im Laufe kindlicher Individuation.

Bezeichnend für Aufbau und Inhalt sind die durchgängig in die Publikation eingeflochtenen Zusammenfassungen, weiterführenden Frageanregungen und Literaturempfehlungen zu den einzelnen thematischen.

Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.

Das erste große Kapitel versorgt die Leser innen in den ersten beiden Abschnitten mit zentralen Informationen zum Wesen der Kinderzeichnung, sowie zu ihrer altersspezifischen Entstehung und formalen Ausgestaltung in früher, mittlerer, später Kindheit und Adoleszenz. Deutlich wird bereits hier gerade in Zusammenhang mit der Einführung in die Farbwahl ein analytischer Hintergrund der Jung'schenPrägung. Dies setzt sich im Unterabschnitt drei in den jeweils reich bebilderten und praxisbezogenen Vorstellungen typischer therapeutischer Themen von Kindern und Jugendlichen fort (Vater-, Mutter-, Geschwisterthema), sowie in ihren psychodynamisch bedeutsamen Konflikten (Eifersucht, Neid, Rivalität usw.). Anhand der bebilderten Fallvignetten können die von den Kindern in den Zeichnungen jeweils vorgenommenen Symbolisierungen für eigenen Konflikte, Nöte und Gefühlslagen nachvollzogen werden. Abschließend komplettieren Überlegungen und Beispiele zum Malen in seiner Funktion für die therapeutische Beziehung das Kapitel zur Kinderzeichnung.

Kapitel zwei zur Gestaltung gibt einen umfänglichen, gleichzeitig ausdifferenzierten Einblick in die große Rolle von Materialien und Elementen für die gelingende Therapie mit Kindern und Jugendlichen, wobei sowohl natürliche Stoffe (Ton, Sand, Wachs, Schnur…) wie vorgefertigte Materialien (Bausteine, Perlen…), Figuren und Instrumente berücksichtigt sind. Zahlreiche beispielhafte Schilderungen einzelner therapeutischer Ereignisse überzeugen vom Potenzial unterschiedlicher sinnlich anregender, anschaulicher, haptisch und symbolisch herausfordernder Materialien für den Gefühlsausdruck, für die Darstellung teils unbewusster seelischer Notlagen und Konflikte im Kindes- und Jugendalter über die Möglichkeit ihrer Symbolisierung. Auch in diesem Block bildet C.G. Jungs allgemein gehaltener Ansatz das zentrale Fundament für die Interpretation des psychodynamischen Geschehens und der Themen (Individuation, geschlechtsspezifische Aspekte, Sinnsuche…).

Im dritten und letzten großen Kapitel zur Methode des Sandspiels erfolgt eine theoretisch verankerte Erläuterung dieses therapeutischen Konzepts und seiner praktischen Umsetzung in den Sandbecken. Auch hier werden die spezifischen therapeutischen Wirkungszusammenhänge im entwicklungspsychologischen Verlauf anschaulich an bebilderten Fallausschnitten aufgezeigt. Hervorzuheben ist jedoch in diesem Teil der Publikation eine systematische Reflexion der therapeutischen Vorgänge im Kontext weiterer aktueller psychoanalytischer Konzepte. So werden von den Autorinnen Winnicotts objektbeziehungstheoretisches Modell, Erkenntnisse aus Bowlby's Bindungstheorie und ihren Störungen sowie Ergebnisse aus der neueren Traumaforschung zur Interpretation der psychodynamischen Prozesse betroffener Kinder hinzugezogen. Spezifisch erläutert erscheinen die exemplarisch angeführten altersspezifischen Themen und Anlässe in der Einzel- und Gruppentherapie der Adressat innen (Bindungsstörungen, Ängste, Wut, Identitätssuche, Latenz, Übergänge, Körperselbstbilder) und machen so das besondere Potenzial der Methode mit den beiden Sandkästen nachvollziehbar.

Diskussion

Dieser praxis- und erfahrungsreiche Band zur psychodynamischen Therapie mit einem Klientel im Kindes- und Jugendalter macht die Einbeziehung bildnerischer und gestalterischer Medien, Materialien und Interventionsformen als Träger des therapeutischen Prozesses facettenreich und beeindruckend deutlich. Die inzwischen „klassische“ psychodynamische Lehre nach C.G. Jung als Erklärungsgrundlage bleibt dabei gerade in den ersten beiden Kapiteln zur Kinderzeichnung und zur Gestaltung sehr allgemein.

Der Band gewinnt durch die systematische Reflexion der Therapieverläufe mit neueren tiefenpsychologischen Ansätzen und Forschungsergebnissen im dritten Block zum Sandspiel. Insofern ist diese Publikation als Lektüre sicher eine große Bereicherung für alle Psycholog innen, Therapeut innen im Kinder- und Jugendbereich, aber auch für Sonder-, Heil-, Elementar-, Sozialpädagog innen, für Studierende dieser Fächer sowie für Kolleg innen und Studierende aus den Kreativtherapien, evtl. auch für Mitarbeiter innen in Familienberatungsstellen und Kindertageseinrichtungen.

Fazit

Der vorliegende Band zu Kinderzeichnung, Sandspiel und Gestaltung in der psychodynamisch orientierten Therapie von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigt über zahlreiche bebilderte Fallvignetten in sehr anschaulicher Weise Funktion und Wirkung von symbolisierenden Gestaltungsvorgängen für die therapeutische Bearbeitung seelischer Notlagen sowie von spezifischen Konflikten und Gefühlen bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Lebensalter. Die Bedeutung nicht verbalisierender, sinnlicher, vorsprachlicher und haptisch-materialinspirierter Ausdrucks- und Symbolisierungsformen für eine gelingende Therapie in jungem Lebensalter vermittelt sich auch in Verbindung mit Theoriebausteinen nach C.G. Jung. Im dritten Teil des Bandes zur besonderen Methode des Sandspiels ergeben sich unter Berücksichtigung von neueren Ergebnissen aus der Bindungs- und Traumaforschung spezifischere Einblicke in frühe, verdrängte und unbewusste Gefühls- und Notlagen von Kindern und Jugendlichen, welche in szenischen Gestaltungen ihren Weg nach „draußen“ finden und verstehbar werden.

Rezension von
Prof. Dr. Lisa Niederreiter
Kunst- und Sonderpädagigin, Kunsttherapeutin, Künstlerin Professorin an der Hochschule Darmstadt, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit
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Es gibt 9 Rezensionen von Lisa Niederreiter.

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ISSN 2190-9245