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Siegfried Greif, Heidi Möller et al.: Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching

Rezensiert von Peter Schröder, 25.10.2018

Cover Siegfried Greif, Heidi Möller et al.: Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching ISBN 978-3-662-49481-3

Siegfried Greif, Heidi Möller, Wolfgang Scholl: Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching. Springer (Berlin) 2018. 678 Seiten. ISBN 978-3-662-49481-3. 89,99 EUR.

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Thema

Wie rezensiert man ein Handbuch, das 678 Seiten dick ist und 1,5 Kilo wiegt? Am besten beginnt man so: Man nimmt das Handbuch zur Hand. Dann gibt es die erste Erleichterung, denn die Herausgeber/-innen schreiben: „Wir gehen nicht davon aus, dass Leser/innen das Handbuch von vorn bis hinten lesen. Es lässt sich eher als Nachschlagewerk verwenden.“ (S. VI) Das ist erleichternd, denn dann wird vermutlich auch niemand vom Rezensenten erwarten, dass er das Buch vollständig gelesen hat, sondern eher, dass er manches nachgeschlagen hat.

Dann wächst die Spannung, da der Titel signalisiert, dass es um „Schlüsselkonzepte“ gehen wird. Der Versuch, über eine Suchmaschine herauszufinden, was das Wort bedeutet, läuft ins Leere, dafür bekommt man aber sehr viele weitere Titel von Publikationen, die „Schlüsselkonzepte“ beschreiben. Also verstehe ich es so: Schlüsselkonzepte sind solche Konzepte, die einem Leser oder einer Leserin ein thematisches Feld erschließt, indem sie einen Raum nach dem anderen öffnen.

Die Herausgeber/-innen möchten grundlegende Konstrukte, Theorien und Erkenntnisse für Coaching (S. V) behandeln und weniger Coachingmethoden oder -schulen. Also gehört das Buch in das Regal „Grundlagenliteratur“. Und schließlich bekommt der Rezensent etwas festeren Boden unter die Füße, wenn das Stichwort „Coaching“ fällt, denn das ist ihm vertraut. Und das Format „Coaching“ ist seit langem von Handbüchern begleitet, z.B. dem grundlegenden „Handbuch Coaching“ von Rauen aus dem Jahr 2005.

Ausgangspunkt des Buches ist die Beobachtung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in Coachingausbildungen nur eine sehr geringe Rolle spielen – und vermutlich ähnlich in der Coachingpraxis. „Die Idee entstand, ein Handbuch mit Beiträge von Fachexpert/innen aus Wissenschaft und Praxis herauszubringen, das aktuelles, wissenschaftlich fundiertes und praktisch anwendbares Fachwissen für Coaches und Coachingausbildungen zusammenstellt.“ (S. V)

Herausgeber/-innen

  • Siegfried Greif arbeitet als Professor am Institut für wirtschaftspsychologische Forschung und Beratung GmbH (IwFB) der Uni Osnabrück, als Coach und Coachingforscher sowie als Anbieter von wissenschaftlich begründeten Coachingweiterbildungen.
  • Heidi Möller arbeitet als Professorin für Theorie und Methodik der Beratung am Institut für Psychologie der Uni Kassel. Sie hat zahlreiche Aufsätze und Bücher zum Thema Beratung publiziert.
  • Wolfgang Scholl ist inzwischen pensioniert als Professor für Organisations- und Sozialpsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet zudem im der Uni angegliederten Institut artop GmbH.

Aufbau und Inhalt

Der Aufbau des Buches ist schnell beschrieben: Er folgt dem Alphabet.

Nach den beiden einführenden Beiträgen der Herausgeber/-innen „Coachingdefinitionen und -konzepte“ sowie „(Wie) Können Coaching-Praktiker*innen von Wissenschaft lernen?“ reichen die einzelnen Beiträge von „Achtsamkeit und Coaching“ bis „Ziele im Coaching“.

Die Beiträge folgen einer festen Struktur: Sie beginnen mit einer kurzen Zusammenfassung, die Leser/-innen orientiert, was der Inhalt des Artikels sein wird. Dann folgt die Rubrik „Schlüsselwörter“, die einen schnellen Überblick ermöglicht, ob sich das gesuchte Thema wiederfindet. Dann folgt, in klarer Gliederung, der Beitrag selbst, der in den meisten Fällen in ein „Fazit“ mündet. Eine Literaturliste beschließt die jeweiligen Artikel. Der Band vereint insgesamt 70 Beiträge mit einer durchschnittlichen Seitenzahl von 10 - 12 Seiten.

Ohne auf einzelne Beiträge eingehen zu können liste ich dennoch willkürlich ausgewählte Überschriften auf, um einen kleinen Einblick in das Themenspektrum des Bandes zu geben:

  • Burnout: Merkmale und Prävention im Coaching,
  • Coaching-Beziehung,
  • Diagnostik im Coaching,
  • Embodiment und seine Bedeutung für das Coaching,
  • Ethik und ethische Kompetenz im Coaching,
  • Führungstheorien als Wissensbestand im Coaching,
  • Interaktionsdynamiken in Gruppen,
  • Karriere als Thema im Coaching,
  • Macht und Machtpolitik als Thema im Coaching,
  • Nebenwirkungen von Coaching für Klienten und Coaches,
  • Professionalisierung im Coaching,
  • Psychische Störungen im Coaching,
  • Sinn als Thema im Coaching,
  • Systemtheorien als Grundlage im Coaching,
  • Übertragung und Gegenübertragung in ihrer Bedeutung fürs Coaching,
  • Werte und ihre Bedeutung im Coaching.

Das sind nur einige wenige herausgezupfte Blumen aus dem großen Strauß, den das Buch bietet. Aber schon das Wenige mag zeigen, was der Rest noch bereithält. Ein ausführliches Mitarbeiterverzeichnis ist den Beiträgen vorangestellt.

Diskussion

„Schlüsselkonzepte“ geben eine Antwort auf die Frage, wie ich mir ein Thema erschließen kann. Insofern haben wir es hier mit einem Schlüsselbund zu tun, das Zugänge in das große Gebäude „Coaching“ eröffnet und die Orientierung ist dessen Räumen erleichtert. Die Herausgeber/-innen hatten es sich zum Ziel gesetzt, die jeweils besten Fachleute aus Wissenschaft und Praxis zu suchen und zur Mitarbeit einzuladen. So liest sich das Mitarbeiter auch ein bisschen wie das „Who is who“ der (überwiegend) deutschsprachigen Coachingszene.

Coaching ist zunächst ein Format der Beratungspraxis. Insofern ist es kein Wunder, dass die Literatur zu Praxiskonzepten und zu „Tools“ überwiegt. Mit zunehmender Verbreitung (und Verbreiterung) dessen, was mit dem Label „Coaching“ versehen wird, nimmt auch die „Toolverliebtheit“ zu, und „Konzepte“ zielen in erster Linie auf eine möglichst effektive Beratung. Dieser einseitige Fokus auf das Tun vergisst Entstehungszusammenhänge und vermeidet Reflexion. Beides dient nicht der Professionalität von Coaching. Coaching basiert von Anfang an auf Konzepten, die aus der psychotherapeutischen Arbeit stammen und sich der wissenschaftlichen Arbeit verdanken. Wer Coaching wirklich verstehen will (und kann man auf Dauer etwas tun, das man nicht versteht?), kann diesen Anfangszusammenhang nicht übergehen. Und man wird auf Dauer nur das immer besser tun können, was man systematisch reflektiert: durch empirische Überprüfung und durch die Rezeption und Anwendung wissenschaftlicher Konzepte. Anders ist Qualitätssteigerung im Coaching nicht zu erreichen.

Zu einer solchen Qualitätssteigerung können zunächst die Anbieter von Coachingausbildungen beitragen, und zwar vor allem dadurch, dass sie die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen rezipieren und in ihre Ausbildungskonzepte integrieren. Es kann nicht sein, dass nach wie vor Beratungskonzepte und Theoriekonstrukte der 80er oder 90er Jahre unterrichtet werden und der Hauptfokus darauf liegt, den „Werkzeugkoffer“ der Teilnehmer/-innen zu füllen.

Zwar wird Coaching nicht ständig neu erfunden, das Fach ist aber, vor allem in der wissenschaftlichen Fundierung, stark in Bewegung. Und da „Veränderung“ ein sehr dominantes Thema in Coachingprozessen ist, wäre es redlich, auch die Veränderungen in den Coachingkonzepten im Blick zu haben. Und da jede formale Ausbildung auch zu Abschlüssen führt, ist es von einem bestimmten Zeitpunkt an die Aufgabe der Coaches selbst, sich fortzubilden und die Fachdiskussion zumindest zur Kenntnis zu nehmen – besser noch: in den Diskurs aktiv einzutreten. Auch das ist ein wichtiger Teil der Arbeit als Coach.

Da kommt den Weiterbildungsanbietern und den Coaches nun dieses Buch sehr entgegen. Vor allem deshalb, weil es einen weiten Bogen beschreibt und in der Tat „Schlüsselkonzepte“ vorstellt. Zum anderen deshalb, weil die einzelnen Beiträge eine sehr übersichtliche Länge haben. Wenn auch Fortbildung zu den Aufgaben der Coachingprofis gehört, ist doch die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt – im Gegensatz zu den möglichen und interessanten Themen. Da ist es gut, wenn es kurze und prägnante Impulse gibt, die dann anhand der jeweiligen Literaturliste nach Belieben oder Notwendigkeit vertieft werden können. Das erhöht die Bereitschaft, einen Blick auch auf Themen zu werfen, die bislang möglicherweise nicht im Fokus gewesen sind.

Zielgruppe

Nützlich ist der Band für alle, die sich einen Überblick über das Themenspektrum von Coaching verschaffen wollen. Das sind gewiss einerseits diejenigen, die sich dem Fach wissenschaftlich nähern. So sehr Wissenschaft auch durch die vertiefte Arbeit an einzelnen Themen gekennzeichnet ist, so sehr muss sie doch auch das ganze Feld im Blick behalten, um die Position der eigenen Arbeit besser bestimmen zu können. Das sind andererseits diejenigen, die Coaches ausbilden. Ausbildung soll „auf der Höhe der Zeit“ sein, sonst wird längst gedroschenes Getreide immer wieder traktiert, bis es vollständig strohern wirkt. Nur gut ausgebildete Coaches werden am Ende auch am Markt bestehen können. Und schließlich können Coaches selbst viel für die eigenen „Updates“ tun.

Zur Ethik eines Coaches gehört auch die Fortbildungsverpflichtung. Der kann man auf verschiedene Weise nachkommen, unter anderem und in guter Weise durch die Lektüre ausgewählter Artikel dieses Buches. Und noch eines: Bibliotheken sollten dieses Buch in ihren Apparat stellen, damit Theoretiker und Praktiker einen leichten Zugriff darauf haben. Und in die Literaturreihe von Ausbildungsinstituten gehört es sowieso.

Fazit

Eine reiche und wertvolle Sammlung von Aspekten, in denen sich Wissenschaft und Praxis im Coaching begegnen, ein Schlüssel für die eigene Weiterarbeit – unbedingt empfehlenswert!

Rezension von
Peter Schröder
Pfarrer i.R.
(Lehr-)Supervisor, Coach (DGSv)
Seniorcoach (DGfC) Systemischer Berater (SySt®)
Heilpraktiker für Psychotherapie (VFP)
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Es gibt 136 Rezensionen von Peter Schröder.

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ISSN 2190-9245