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Eva Neuland: Jugendsprache

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 07.06.2019

Cover Eva Neuland: Jugendsprache ISBN 978-3-8252-4924-3

Eva Neuland: Jugendsprache. Eine Einführung. Narr Francke Attempto Verlag (Tübingen) 2018. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. 274 Seiten. ISBN 978-3-8252-4924-3. D: 22,99 EUR, A: 23,70 EUR, CH: 29,90 sFr.
Reihe: UTB - 2397.

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Jugendsprache – Revolte oder Restauration?

In den Sprach-, Bildungs- und Kulturwissenschaften hat „Jugendsprache“ seit langem Konjunktur. Der wissenschaftliche Informations- und Forschungsdiskurs umfasst dabei die Spannweite von An- bis Aufregungen, als Stein des Anstoßes bis zu Ausdrucks- und Identifizierungsmuster einer Generation. Es sind Ein- und Ausgrenzungen, generationelle Provokationen, Versuche der Selbst- und Zusammenfindung von Heranwachsenden (Dieter Borchmeyer, Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst, 2017, www.socialnet.de/rezensionen/22472.php). In der linguistischen Jugendsprachforschung werden die verschiedenen Sprechtypen als Variationsspektrum und Ensemble subkultureller Sprachstile charakterisiert.

Autorin

Die Germanistin und Didaktikerin von der Bergischen Universität in Wuppertal, Eva Neuland, hat 2008 die Einführung in den Alltags- und Forschungsbereich zur Jugendsprache vorgelegt. Vor allem das rege, wissenschaftliche Forschungsinteresse, nicht zuletzt durch die Aktivitäten, wie sie in den internationalen Fachkonferenzen 2011 in Freiburg/Br., 2014 in Karlsruhe und 2016 in Graz deutlich wurden, bewirkt, dass im Rahmen der rapiden, lokalen und globalen Veränderungsprozesse neue Formen von jugendtypischen Ausdrucksweisen gesprochen, gesungen und benutzt werden. Die Neuauflage soll es weiterhin ermöglichen, Studierende der Sprach-, Kultur-, Erziehungswissenschaften, in der schulischen und außerschulischen Bildung zur wissenschaftlichen Eigenarbeit und zum entdeckenden und forschenden Lernen anzuregen.

Aufbau und Inhalt

Die Studie wird in fünf Kapitel gegliedert.

  • Im ersten wird in die Thematik und in die individuellen und kollektiven Herausforderungen eingeführt und die Bedeutung von Jugendsprachen im Spiegel der öffentlichen Meinung und Diskursen herausgearbeitet.
  • Im zweiten werden die Zielsetzungen, Grundlagen und Entwicklungen der Jugendsprachforschung thematisiert.
  • Im dritten werden die verschiedenen theoretischen Konzepte, Modelle und Stile in der Jugendsprachforschung diskutiert.
  • Im vierten geht es um die Geschichte und Aktualität deutscher Jugendsprachen.
  • Und im fünften Kapitel werden didaktische und curriculare Anregungen für die schulische, unterrichtliche Auseinandersetzung gegeben.

In Kontroversen und Aufgeregtheiten, die von humoristischen bis zu Untergangsstimmungen reichen – „Deutsch: Ächz, Würg“ (DER SPIEGEL), „Kaputte Gespräche“ (Peter Roos) – wird die uralte, immer wieder neue und aktuelle Diskussion geführt, ob und wie sich Verständigung und Kritik als Generationenkonflikt verdeutlicht. Da werden – von Erwachsenen – die bekannten Vorwürfe und Einschätzungen vorgenommen, dass es sich bei den Formen der Jugendkommunikation um „Fäkalsprache“, als „Comicsprache“, als „Denglisch“ und „Kanaksprache“ handele, während Jugendliche mit ihren selbsterfundenen oder in Medien und in der Virtualität übernommenen Floskeln, Ausdrücken und Verständigungsformen eigenes Prestige und Identität artikulieren.

Die Autorin greift in ihrer Einführung in die Jugendsprache nicht auf die Jahrtausende alten, generationellen Auseinandersetzungen zurück, sondern benennt die 1980er Jahre als den Beginn der (deutschen) Jugendsprachforschung: „Spricht die Jugend eine eigene Sprache?“, so fragte 1982 die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und begründete damit die neuere linguistische Jugendsprachforschung. Im Forschungsdiskurs haben sich dabei verschiedene, erkenntnistheoretische und praktische Zugangsweisen entwickelt: Historische, sprachbiographische, gruppen-, medien-, sprachkontakt-, sprachbewusstseinsphänomenologische und interkulturelle.

Das Selbstverständnis und die Zielsetzungen der JugendsprachforscherInnen orientieren sich zuvorderst nicht an kurzfristigen Analysen, Reaktionen und Beantwortungen von täglich neuen Klischee- und Begriffsbildungen; vielmehr sollen mit der Entwicklung, Erprobung und Handhabung von theoretischen Frage- und Forschungskonzepten längerfristige Antworten auf Ursachen und Wirkungen von Jugendsprachen beim gesellschaftspolitischen, intergenerationellen und interkulturellen, friedlichen, gerechten und demokratischen Zusammenleben der Menschen gegeben werden. Im Forschungsdesign stehen dabei ein- und mehrdimensionale Modelle zur Verfügung. Dabei ist ein Grundverständnis unverzichtbar: Sprache als Kommunikationsmittel unterliegt einer ständigen Veränderung; und damit natürlich auch die Jugendsprache. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung – und ist doch analytisch bedeutsam – dass Jugendsprachen, Slangs, Phraseologien, Vulgarismen… immer regionalen, alltagskulturellen und sozialen Einflüssen unterliegen und von diesen beeinflusst werden.

Neben der Freizeitgestaltung werden insbesondere in schulischen Zusammenhängen Jugendsprachen benutzt. So ist Schule auch ein Ort der Auseinandersetzung mit Alltags- und Hochsprache, etwa im muttersprachlichen Deutschunterricht, bei Deutsch als Zweit(Fremd-)sprache, Landeskunde, usw.

Das 23-seitige Literatur- und Quellenverzeichnis verdeutlicht die Vielschichtigkeit der Thematik und bietet für theoretische und praktische Arbeiten Anregungen. Die erläuternden und illustrierenden SW-Abbildungen lockern die Studie auf. Personen- und Sachregister erleichtern das Nachschlagen und Zurechtfinden. So lässt sich die neugefasste Einführung in „Jugendsprachen“ auch als Vademecum benutzen.

Fazit

Bildhafte, aus Alltags- und Separationssituationen übernommene und benutzte Redewendungen werden verständlich, wenn es gelingt, sich in etablierte Sprach- und Kommunikationsentwicklungen von Jugendlichen hineinzudenken und hineinzufühlen. Es sind Metaphern, die in einer Szene zu Verstehensmustern werden (vgl. dazu: Rudolf Schmitt, Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung, 2017, www.socialnet.de/rezensionen/25127.php). „Jugendsprache hat Hochkonjunktur: als Schlagwort in der Öffentlichkeit, als Forschungsgegenstand in der Sprachwissenschaft, als konkrete Spracherfahrung von Eltern, Lehrkräften und nicht zuletzt von Jugendlichen selbst“. In der Auseinandersetzung damit ist weder der erhobene pädagogische oder moralische Zeigefinger gefragt, noch ein Ordre du mufti, sondern ein fragendes, entdeckendes Lernen. Die Einführung in „Jugendsprache“ von Eva Neuland bietet dafür zahlreiche Anregungen.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1702 Rezensionen von Jos Schnurer.

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ISSN 2190-9245