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Theo Wehner, Stefan Tomas Güntert et al.: Freiwilligenarbeit

Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 30.01.2019

Cover Theo Wehner, Stefan Tomas Güntert et al.: Freiwilligenarbeit ISBN 978-3-658-22173-7

Theo Wehner, Stefan Tomas Güntert, Harald A. Mieg: Freiwilligenarbeit. Essenzielles aus Sicht der Arbeits- und Organisationspsychologie. Springer Science+Business Media GmbH & Co. KG (Berlin) 2018. 52 Seiten. ISBN 978-3-658-22173-7. D: 14,99 EUR, A: 15,41 EUR, CH: 15,50 sFr.
Reihe: Essentials.

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Thema

In den vorliegenden „essential“ werden die wesentlichen Punkte für das Verständnis und die Organisation von „Freiwilligenarbeit“ aus Sicht der Arbeits- und Organisationspsychologie erörtert.

Autoren

Verfasst wurde die Arbeit von Prof. Dr. Theo Wehner, emeritierter Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften der ETH Zürich (Schweiz), Dr. Stefan Tomas Güntert, Dozent für Organizational Behavior sowie des Schwerpunktes Freiwilligen-Management und Miliz-System an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Wirtschaft in Basel (Schweiz), und Prof. Dr. Harald A. Mieg, Professor am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin (Deutschland).

Entstehungshintergrund

Die vom Springer-Verlag konzipierte Reihe „essentials“ möchte „aktuelles Wissen in konzentrierter Form“ liefern beziehungsweise „schnell, unkompliziert und verständlich“ informieren, und zwar „als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet, als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld, als Einblick, um zum Thema mitreden zu können.“

Die Arbeiten verstehen sich als Wissensbausteine aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aus Technik und Naturwissenschaften sowie aus Medizin, Psychologie und Gesundheitsberufen und stammen von renommierten Autor*innen aller Springer-Verlagsmarken. Dementsprechend handelt es sich bei der vorliegenden Schrift nicht um ein neues Werk. Vorgestellt werden vielmehr, in stark komprimierter Form, Gedankengänge, Quellen und empirische Daten sowie Befunde aus dem von Theo Wehner und Stefan T. Güntert herausgegebenen Band „Psychologie der Freiwilligenarbeit. Motivation, Gestaltung und Organisation“ (Berlin 2015).

Aufbau

Neben dem Vorwort und Literaturverzeichnis gliedert sich die vorliegende Darstellung in die folgenden sieben Kapitel, wobei die meisten ihrerseits diverse Unterkapitel aufweisen:

  1. Einleitung: Eine Begriffsklärung
  2. Die Verbreitung von Freiwilligenarbeit: Statistiken
  3. Freiwillige Arbeit als Tätigkeit
  4. Motivation zur Freiwilligenarbeit
  5. Gestaltung von Freiwilligenarbeit
  6. Freiwilligenarbeit als psychosoziale Ressource
  7. Die Freiwilligenforschung hat mehr zu bieten, als die Praxis wahrnimmt: Ein Fazit zur Flüchtlingshilfe.

Inhalt

Davon ausgehend, dass ohne die unbezahlten Tätigkeiten von Freiwilligen – seien es nun die Pflege von alten, kranken und behinderten Menschen, das Engagement für Umwelt- und Naturschutz, der Einsatz als Wahlhelfer oder Schöffe oder die Ehrenämter in den Kommunen, beim Sport und in den Kirchen – kein derzeitiges Gemeinwesen bestehen kann, gehen Theo Wehner, Stefan Tomas Güntert und Harald A. Mieg den folgenden drei Fragen nach:
  • Wie können wir freiwillige Arbeit verstehen?
  • Wie wesentlich ist es für diese Arbeit von Arbeit, dass sie unbezahlt bleibt und von sogenannten Laien mit besonderer Motivlage ausgeführt wird?
  • Was folgt daraus für das Zusammenspiel von Freiwilligenarbeit und der professionalisierten, bezahlten Erwerbsarbeit?

Einleitend verweisen die Autoren darauf, dass die Begriffsarbeit in der Freiwilligencommunity zwar vielfältig ist, bisher „aber noch zu keiner gemeinsamen, die Einzeldisziplinen übergreifenden Definition gefunden“ hat. Insofern stellen sie zunächst Begriffsvarianten („Solidarität“, „Eigenarbeit“, „Informelle Hilfe“, „Bürgerschaftliches Engagement“, „Ehrenamt“, „Volunteering“ und „Freiwilligenarbeit“) vor, um dann die „Frei-gemeinnützige Tätigkeit“ (FGT) als Referenzdefinition – die je nach Akzentsetzung der Forschungsanliegen oder praktischen Verwendung so übernommen oder auch abgeändert bzw. erweitert werden könne – vorzuschlagen. Diese umfasse „unbezahlte, selbst oder institutionell organisierte, sozial ausgerichtete Arbeit“. Gemeint sei „ein persönliches, gemeinnütziges Engagement, das mit regelmäßigen, projekt- oder eventbezogen Zeitaufwand verbunden ist, prinzipiell auch von einer anderen Person ausgeführt und potentiell auch bezahlt werden könne“ (S. 3). Sodann zeigen sie deren Abgrenzung auf, insbesondere zum Milizsystem in der Schweiz.

Im zweiten Kapitel werden Einblicke in die Ergebnisse repräsentativer Befragungen gewährt und insbesondere die wichtigsten Erkenntnisse des European Quality of Life Survey (EQLS), des deutschen Freiwilligensurvey (FWS) und des Schweizer Freiwilligenmonitors (FWM) zusammenfassend präsentiert.

Da für Wehner, Güntert und Mieg Freiwilligenarbeit „nicht nur etwas über individuelles Hilfeverhalten in der jeweiligen Zivilgesellschaft, in der sie stattfindet, aussagt, sondern, wegen des Aspekts der Arbeit in enger Verbindung zur jeweiligen Verfasstheit der Erwerbsarbeitsgesellschaft steht“ (S. 13), betrachten sie im dritten Kapitel Freiwillige Arbeit als Tätigkeit. Hierzu werfen sie einen Blick auf die „Verfasstheit der Erwerbsarbeitswelt“ im EU-Raum, in Deutschland sowie in der Schweiz und beleuchten – bezugnehmend auf Hannah Arendt und ihr Werk „Vita activa – oder Vom tätigen Leben“ (1967/2005) – den „Sinn in der frei-gemeinnützigen Tätigkeit“.

Im vierten Kapitel beschäftigen sich die Autoren mit der Motivation zur Freiwilligenarbeit. Hierzu betrachten sie zunächst mit dem „funktionalen Ansatz“ einen etablierten Ansatz zur Klassifikation und Messung der vielfältigen Motive für Freiwilligenarbeit („Wertefunktion“, „Erfahrungsfunktion“, „Karrierefunktion“, „Soziale Anpassungsfunktion“ „Selbstwertfunktion“ und „Schutzfunktion“), für den sie anschließend Erweiterungen vorstellen, um schließlich vor dem Hintergrund der sogenannten Selbstbestimmungstheorie aufzuzeigen, dass nicht jeder Beweggrund für Freiwilligenarbeit gleichermaßen wünschenswert ist, wenn nachhaltiges Engagement gefördert werden soll.

Im fünften Kapitel setzen sich Wehner, Güntert und Mieg mit der Gestaltung von Freiwilligenarbeit auseinander. Hierzu stellen sie zuerst die Idee vor, Freiwilligenarbeit als Prozess zu begreifen, den Organisationen mitgestalten können, um dann mit den drei psychologischen Grundbedürfnissen („Bedürfnis nach Kompetenz“, „Bedürfnis nach Autonomie“ und „Bedürfnis nach Beziehung“) Konzepte vorzustellen, an denen sich gestalterische Maßnahmen generell ausrichten können. Sodann diskutieren sie die Gestaltung von Aufgaben und organisationale Rahmenbedingungen und zeigen deren Zusammenhang mit nachhaltigem freiwilligen Engagement auf.

Im sechsten Kapitel machen die Autoren darauf aufmerksam, dass Freiwilligenarbeit als „Psychosoziale Ressource“ gesehen werden kann. Demnach dient Freiwilligenarbeit „als Ergänzung oder Ausgleich zu anderen Tätigkeitsbereichen, allen voran zur Erwerbsarbeit“; „kann zum Erhalt der Gesundheit und zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen“; und „geht in der Regel mit einer guten Vereinbarkeit von bezahltem und unbezahltem Tätigsein einher (Work-Life-Balance)“ (S. 37).

Unter der Überschrift „Die Freiwilligenforschung hat mehr zu bieten, als die Praxis wahrnimmt“ ziehen Wehner, Güntert und Mieg im siebten Kapitel „Ein Fazit zur Flüchtlingshilfe“. Ihres Erachtens hätte ein Ineinandergreifen von Forschung und Praxis helfen können, während der Flüchtlingskrise ab Herbst 2015, einiges an Frustration zu vermeiden und zwar sowohl für die Non-Profit-Organisationen und deren professionell sowie ehrenamtlich Tätige, als auch für Geflüchtete. Aus Sicht der Freiwilligenforschung sei in der Flüchtlingskrise vor allem zweierlei deutlich geworden:

  1. Freiwilligenarbeit ist stärker vom gesellschaftlichen Kontext abhängig, als dies bis dahin beobachtbar war.
  2. Gerechtigkeitsvorstellungen spielen eine maßgebliche Rolle. Zu berücksichtigen seien dabei nicht nur die Hilfeempfänger (Geflüchtete) und diejenigen, die freiwillige Arbeit leisten, sondern auch die Nichtengagierten (S. 45).

Diskussion

Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Sie trainieren Kinder und Jugendliche im Sportverein, helfen im Elternverein der Schule, betreuen Flüchtlinge, arbeiten bei der freiwilligen Feuerwehr mit oder kümmern sich um alte Menschen. Dabei besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass ohne diese Freiwilligenarbeit und die Leistungen der ehrenamtlichen Tätigkeit viele Bereiche unserer Gesellschaft nicht funktionieren würden. Hiervon ausgehend erörtern Theo Wehner, Stefan Tomas Güntert und Harald A. Mieg in den vorliegenden „essential“ die wesentlichen Punkte für das Verständnis und die Organisation von „Freiwilligenarbeit“ aus Sicht der Arbeits- und Organisationspsychologie kurz und prägnant. Neben Ergebnissen aus repräsentativen Befragungen betrachten sie dabei auch die Freiwilligenarbeit als Tätigkeit und die Motivation zur Freiwilligenarbeit, ebenso wie die Gestaltung von Freiwilligenarbeit.

Da es für die „Freiwilligenarbeit“ bisher zwar eine Reihe von Begriffsvarianten, aber noch keine allgemeinverbindliche Definition gibt, schlagen die Autoren „Frei-gemeinnützige Tätigkeit“ (FGT) als Referenzdefinition vor. Inwieweit sich diese in Zukunft etabliert bleibt abzuwarten, zumal es hier nicht nur in den deutschsprachigen Ländern Europas durchaus unterschiedliche Sichtweisen gibt.

Wie aus der Darstellung zu entnehmen ist, wird Freiwilligenarbeit vornehmlich nicht von denen geleistet, die viel Zeit haben, sondern vielmehr von jenen, die einerseits im Arbeitsleben stehen oder andererseits bereits Verantwortung tragen. Zugleich ist Freiwillige Arbeit als „Tätigkeit“ zu verstehen, die von persönlichem Sinn getragen wird und Sinn – etwa als „gute Arbeit“ oder „gelungenes Leben“ – herzustellen vermag. Zusammenfassend halten Wehner, Güntert und Mieg die folgenden drei Punkte fest:

  1. „Die Frage der Organisation von Freiwilligenarbeit und des nötigen Verständnisses für diese Art von Arbeit ist hochaktuell, insbesondere in der aktuellen Diskussion um Flüchtlingshilfe.
  2. Freiwillige Arbeit darf nicht als günstiger Arbeitsersatz verstanden werden. Freiwilligenarbeit unterscheidet sich von professionalisierter Erwerbsarbeit in Motivation und Organisationsarbeit.
  3. Eine wichtige Rolle für freiwillige Arbeit spielen Gerechtigkeitsmaßstäbe von Freiwilligen“ (S. 47).

Insgesamt betrachtet werden die vorliegenden „essentials“ ihrem Anspruch gerecht, in stark komprimierter Form wesentliche Punkte zum Verständnis der Freiwilligenarbeit vorzustellen. Wer sich unterdessen mit der Thematik intensiver beschäftigen möchte wird nicht umhinkommen, auf weitere Darstellungen zurückzugreifen, so wie sie etwa im vergleichsweisen langen Literaturverzeichnis (S. 49-52) zu finden sind.

Fazit

Die Lektüre der vorliegenden „essential“ kann all jenen empfohlen werden, die sich in Theorie und / oder Praxis mit dem Thema Ehrenamt und Freiwilligenarbeit befassen oder sich über wesentliche Punkte zu deren Verständnis und Organisation informieren möchten.

Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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Es gibt 192 Rezensionen von Hubert Kolling.

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ISSN 2190-9245