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Martin Henssler, Heinz Josef Willemsen et al. (Hrsg.): Arbeitsrecht Kommentar

Rezensiert von Prof. Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch, 13.05.2019

Cover Martin Henssler, Heinz Josef Willemsen et al. (Hrsg.): Arbeitsrecht Kommentar ISBN 978-3-504-42692-7

Martin Henssler, Heinz Josef Willemsen, Heinz-Jürgen Kalb (Hrsg.): Arbeitsrecht Kommentar. Verlag Dr. Otto Schmidt (Köln) 2018. 8. Auflage. 3246 Seiten. ISBN 978-3-504-42692-7. 179,00 EUR.

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Die Herausgeber und die Autoren

Die drei Herausgeber sind Repräsentanten des Arbeitsrechts aus dem Bereich der Wissenschaft, der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Rechtsanwaltschaft.

Die 36 Autoren und sieben Autorinnen des Werkes sind renommierte Arbeitsrechtler und Arbeitsrechtlerinnen aus dem Bereich der Wissenschaft, der Rechtsanwaltschaft sowie aus der Arbeitsgerichtsbarkeit bzw. auch aus der Sozialgerichtsbarkeit.

Einführung in das Thema

Das Buch, das 2018 in der 8. Auflage vorgelegt wurde, versteht sich als Kommentar zum Arbeitsrecht mit dem Anspruch einer Gesamtdarstellung mit den Bezügen zum Verfahrensrecht, zum Steuerrecht, zum EU-Recht und zum Sozialversicherungsrecht. Mangels eines einheitlichen Arbeitsgesetzbuches ist für die Gesamtdarstellung des Arbeitsrechts die Heranziehung zahlreicher Einzelgesetze erforderlich. Insgesamt erfolgt die Darstellung des Arbeitsrechts in 50 Gesetzen von Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) bis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) in alphabetischer Reihenfolge mit den jeweiligen Paragrafen.

Die Orientierung in dem Buch setzt Kenntnisse des Arbeitsrechts hinsichtlich der Systematik voraus. Für das Individualarbeitsrecht werden die Grundlagen des Arbeitsvertrags im BGB sowie die einzelnen Arbeitsschutzgesetze erläutert. Hinsichtlich des kollektiven Arbeitsrechts werden das BetrVG und die Mitbestimmungsgesetze erläutert.

Ziel des Buches ist eine praxisnahe Kommentierung des gesamten Arbeitsrechts in einem Werk, das die aktuelle Rechtsprechung berücksichtigt und wissenschaftlich fundiert problemorientierte Informationen liefert.

Ziel der Neuauflage ist, die zahlreichen Gesetzesänderungen der letzten Jahre einzuarbeiten. Das sind die Änderungen des AÜG mit Wirkung zum 1. April 2017 mit der Einführung einer Definition des Arbeitsvertrags in § 611a BGB, die Änderungen des SGB IX durch das Bundesteilhabegesetz, insbesondere des Teils 3 (Schwerbehindertenrecht), die Neuregelung des Mutterschutzgesetzes zum 1. Januar 2018, die Einführung des Entgelttransparenzgesetzes sowie die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung. Das Werk erfasst den Rechtsstand bis zum 1. Februar 2018. Außerdem wird die neuere Rechtsprechung umfassend berücksichtigt.

Aufbau und Inhalte – Formaler Aufbau

Das Buch ist aufgebaut als Kommentar. Innerhalb der 50 dargestellten Einzelgesetze werden die jeweiligen Paragrafen bzw. ausgewählte Paragrafen erläutert. Ein 67seitiges umfangreiches Stichwortverzeichnis erleichtert die Orientierung.

Aus der Fülle der 3.246 Seiten umfassenden Gesamtdarstellung des Arbeitsrechts werden nachfolgend gesetzliche Neuerungen und die Berücksichtigung aktueller Entscheidungen auszugsweise vorgestellt:

  1. Definition des Arbeitsvertrags nach § 611a BGB und Änderung des AÜG: Erstmals in der Geschichte des BGB wird eine gesetzliche Definition des Arbeitsvertrags, der die Rechtsgrundlage für die Beschäftigung von aktuell (2018) 40 613 000 Arbeitnehmern/innen (www.destatis.de) bildet, in § 611a BGB durch Art. 2. des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.02.2017 (BGBl. I, S. 258) geregelt. Bis dahin war der Begriff des Arbeitsvertrags als ein Unterfall des Dienstvertrags nach § 611 BGB entwickelt worden. Hauptkriterien sind die persönliche Abhängigkeit durch Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers.
    In der Kommentierung stellt G. Thüsing die Genese des Arbeitnehmerbegriffs und des Arbeitsvertrags sowie die Entstehung der Regelung in § 611a BGB vor. Mit dem Hinweis, „dass der Gesetzgeber beim BAG plagiiert hat“, wird Kritik an der teils wörtlichen Wiedergabe von Entscheidungssätzen des Bundesarbeitsgerichts zur Definition des Arbeitsvertrags angedeutet. Das Ziel des Gesetzgebers wird erläutert. Es solle einerseits dem trägen Rechtsanwender geholfen werden, aber vor allem der „Missbrauchsbekämpfung beim Fremdpersonaleinsatz“ dienen. Es erfolgt eine ausführliche Interpretation der Regelung und eine Abgrenzung zu den anderen Vertragstypen des BGB, wie Dienstvertrag (§ 611), Werkvertrag (§ 613), Auftrag (§ 662). Trotz der neuen gesetzlichen Definition des Arbeitsvertrags zeigt die Kommentierung, dass im Einzelfall die Prüfung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, nach wie vor schwierig sein kann. In den Ausführungen zu den RN 117 und 118 werden zahlreiche Einzelfälle benannt.
    Die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit Wirkung zum 1. April 2017 wird in der Gesamtdarstellung des AÜG von C. Höpfner erläutert. Die Entwicklung des AÜG als Instrument des flexiblen Personaleinsatzes wird mit den Zielsetzungen des Schutzes der überlassenen Arbeitskräfte gezeigt. Die wesentlichen Neuerungen des Änderungsgesetzes, wie Neufassung des Equal Pay- und Equal Treatment-Grundsatzes in § 8, die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten in § 1 Abs. 1b, eine Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 werden benannt und bei der jeweiligen Regelung erläutert. Die Öffnungsklausel für die Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften hinsichtlich der Regelung der Überlassungshöchstdauer in § 1 Abs. 2 1 S. 8 sowie die Ausnahme zur Personalgestellung im öffentlichen Dienst und für juristische Personen des öffentlichen Rechts in § 1 Abs. 3 werden dargestellt.
  2. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Das AGG aus dem Jahre 2006 ist die Umsetzung der EU Richtlinie RL 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG in das deutsche Recht mit dem Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern. Die Kommentierung von H.-J. Rupp erläutert die Systematik einschließlich der Ausnahmen und des Entschädigungsanspruchs und bezieht die Fülle der dazu ergangenen Entscheidungen mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ein. Die Rechtsprechung zu den Loyalitätsobliegenheiten der Kirchen hinsichtlich der Frage der Religionszugehörigkeit als Einstellungsvoraussetzung oder Loyalitätsverletzungen als Kündigungsgrund wird in § 9 Rn. 5 bis zur Entscheidung des BVerfG vom 22.10.2014 im sog. Chefarztfall und dem Vorlagebeschluss des BAG vom 28.07.2016 -2 AZR 746/14 (A) berücksichtigt. Die im Jahre 2018 ergangenen Urteile des EuGH im sog. Chefarztfall und im Fall Egenberger, wie auch die bereits dazu ergangenen Urteile des BAG vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 zur Frage der Religionszugehörigkeit als Einstellungsvoraussetzung (ZMV 2019, S. 104ff) und des BAG vom 20.02.2019 – 2 AZR 746/14 (ZMV 2019, S. 97ff Pressemitteilung mit Anmerkung Oxenknecht-Witzsch) zur Kündigung konnten noch nicht berücksichtigt werden.
  3. Mutterschutzgesetz: Nach 65 Jahren ist das MuSchG mit dem Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium vom 23.05.2017 (BGBl. I S. 1228) mit Wirkung zum 1. Januar 2018 neu strukturiert und an die gesellschaftlichen und rechtlichen Veränderungen angepasst worden. Das neue System des Gesundheitsschutzes nach arbeitsrechtlichem, betrieblichem und ärztlichem Gesundheitsschutz wird erläutert. Hinsichtlich der teilweise umstrittenen betrieblichen Beschäftigungsverbote wird in der Kommentierung zu § 13 betont, dass das Beschäftigungsverbot subsidiär ist und nur ausgesprochen werden darf in dem Umfang, wie es zur Abwendung der unverantwortbaren Gefährdung der Schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes erforderlich ist. Hinsichtlich der Neuregelung im Kündigungsschutz in § 17 Abs. 1 Satz 3, wonach sich das Kündigungsverbot auch auf Vorbereitungsmaßnahmen bezieht, werden mit Bezug auf den EuGH Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes, also „nur zielgerichtete Maßnahmen“ verstanden, nicht während der Schwangerschaft beschlossene Umstrukturierungsmaßnahmen, die auch den Arbeitsplatz der schwangeren Frau betreffen können. Hier ist sicher noch die Rechtsprechung abzuwarten.
  4. Entgelttransparenzgesetz: Die Kommentierung des Entgelttransparenzgesetzes vom 30.06.2017 (BGBl. I S. 2152) erläutert die Zielsetzung des Gesetzes, das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Der individuelle Auskunftsanspruch nach § 10, der als das Kernstück des Gesetzes bezeichnet wird, wird mit den einzelnen Voraussetzungen erklärt. Für den Fall, dass eine Diskriminierung wegen des Geschlechts festgestellt wird, wird ein Anspruch auf Lohnanpassung bzw. Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bejaht.
  5. EU-Datenschutz-Grundverordnung und Bundesdatenschutzgesetz: Das Jahr 2018 wird auch in der Geschichte des Arbeitsrechts als das Jahr des Datenschutzes bzw. mit dem Begriff der Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO) in Erinnerung bleiben.
    Am 25. Mai 2018 ist die EU-DSGVO als unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Staaten in Kraft getreten. In den Vorbemerkungen zur Kommentierung wird die Bedeutung des Datenschutzes für das Arbeitsrecht hervorgehoben. Die DSGVO wird soweit erläutert, wie die Regelungen für das Arbeitsverhältnis relevant sind. Aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO für nationales Recht verweist die Kommentierung auf die im BDSG neue Regelung des § 26 Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Der Text ist unter BDSG abgedruckt.
  6. Kündigungsschutzgesetz: Die außerordentliche Bedeutung des Kündigungsschutzgesetzes, die der Funktion des Arbeitsverhältnisses als Existenzsicherungsgrundlage der überwiegenden Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland Rechnung trägt, wird durch eine ausführliche Kommentierung von M. Quecke auf 247 Seiten betont. Die Grundsätze der Rechtsprechung als Voraussetzung einer verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Kündigung des Bundesarbeitsgerichts werden detailliert und übersichtlich dargestellt.

Zielgruppen

Das Werk richtet sich vor allem an Praktiker und Praktikerinnen des Arbeitsrechts, d.h. Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht, Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, aber auch an Personalverantwortliche in Unternehmen und Betrieben sowie an Gewerkschaften und Interessenvertreter/innen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Betrieben und Einrichtungen.

Gesamtbewertung

Das Buch ist eine sehr kompakte, wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Darstellung des wesentlichen Kerns des Arbeitsrechts. Für die tägliche Arbeitsrechtspraxis ist die Erläuterung des Arbeitsrechts in einem Werk überaus hilfreich. Die umfangreiche Einbeziehung der Rechtsprechung und Literatur ermöglicht die weitere Vertiefung von Fragestellungen. Die Bearbeitung ist eine außerordentliche Leistung.

Erfreulich ist, dass auch Fragestellungen des kirchlichen Arbeitsrechts in der Kommentierung einzelner Gesetze mitbehandelt werden, auf die zwei Stichworte verweisen.

Rezension von
Prof. Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch
Em. Professorin für Recht mit Schwerpunkt im Arbeits-, Sozial- und Familienrecht an der Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Es gibt 44 Rezensionen von Renate Oxenknecht-Witzsch.

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Zitiervorschlag
Renate Oxenknecht-Witzsch. Rezension vom 13.05.2019 zu: Martin Henssler, Heinz Josef Willemsen, Heinz-Jürgen Kalb (Hrsg.): Arbeitsrecht Kommentar. Verlag Dr. Otto Schmidt (Köln) 2018. 8. Auflage. ISBN 978-3-504-42692-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24624.php, Datum des Zugriffs 07.11.2024.


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