Robin P. Bonifas: Mobbing und Bullying unter alten Menschen
Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 11.10.2018

Robin P. Bonifas: Mobbing und Bullying unter alten Menschen. Was tun, wenn alte Menschen sich drangsalieren, schikanieren und tyrannisieren? Hogrefe AGHogrefe AG (Bern) 2018. 152 Seiten. ISBN 978-3-456-85767-1. 28,95 EUR. CH: 38,50 sFr.
Thema und Autoren
Der Autor beschreibt alltägliche Verhaltensweisen zwischen alten Menschen, die sich gegenseitig drangsalieren, schikanieren und tyrannisieren. Er beschreibt diese Handlungen mit dem englischen Begriff „Bullying“ und verdeutlicht; wie diese Reaktionen zu verstehen und zu erkennen sind und auch, wie sich Opfer dagegen schützen können. Das Fachbuch schärft das Bewusstsein von Pflegenden für Bullying Verhaltensweisen in Pflegeinteraktionen und legt dar, welche Assesment- und Interventionsstrategien geeignet sind.
Herausgeber des Bandes ist Robin P. Bonifas, Accociate Professor an der Arizona State University School of Social Work USA. Christine Sowinski ist die Herausgeberin der deutschen Ausgabe. Sie arbeitet als Diplom Psychologin und sie ist Leiterin des Bereichs Beratung von Einrichtungen und Diensten im Kuratorium Deutsche Altenhilfe (KDA) in Köln.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist neben einem Geleitwort und einer Einführung in vier Teile mit insgesamt zehn Kapiteln unterschiedlicher Länge gegliedert.
Im „Geleitwort zur deutschsprachigen Ausgabe“ wird betont, dass der Begriff „Bullying“ in der deutschen Pflege neu sei und dafür eher der Begriff „Mobbing“ verwendet werde.
In der „Einführung“ wird der Begriff „Zielperson“ und nicht der Begriff „Opfer“ gebraucht, um zu verdeutlichen, Menschen seien diesen Anfeindungen gegenüber nicht hilflos ausgeliefert. Des Weiteren soll dieses Buch über schikanöses Verhalten unter alten Menschen aufklären und mögliche Interventionen zeigen, um das Wohlbefinden zu steigern (S. 12).
Im Teil I wird im ersten Kapitel „Überblick: Schikanöses Verhalten unter alten Menschen“ ausgeführt, was durch Bullying verhindert werde – die Entwicklung eines positiven Gemeinschaftsgefühls in Wohngemeinschaften und Pflegeeinrichtungen. Es folgen die Definitionen einiger Begrifflichkeiten wie skandalöses Verhalten verbal, antisozial bzw. relational sowie psychisch und es wird der Unterschied zwischen schikanösem und herausforderndem Verhalten herausgearbeitet.
Kapitel zwei dieses Teils „Aktuelle Erkenntnisse über schikanöses Verhalten unter alten Menschen“ von Robin P. Bonifas und Jamie Valderrama verfasst, klärt darüber auf, warum schwierige soziale Interaktionen ein Auslöser für die Unzufriedenheit in Wohnanlagen sind. Ein relational aggressives Verhalten setze ein gewisses Maß an kognitiver und sozialer Intelligenz voraus, wodurch WGs und Einrichtungen, deren Bewohner eine gute Funktionsfähigkeit haben, größere Probleme mit Bullying hätten (S. 27).
Der Ursache für „Schikanierende und schikaniert werdende alte Menschen“ wird im folgenden Kapitel verdeutlicht. So hätten Menschen, die andere schikanieren, ein großes Bedürfnis, andere zu kontrollieren und zu dominieren. Sie tendierten dazu, andere abzuwerten, um sich selbst aufzuwerten. Dagegen seien Zielpersonen solcher Schikanen jene, die ein geringes Selbstwertgefühl haben und sich schlecht wehren könnten.
Teil II „Interventionen für den Umgang mit schikanösem Verhalten unter alten Menschen“ wird mit dem vierten Kapitel „Ein Rahmen für Interventionen gegen schikanöses Verhalten“ eingeleitet. Um schikanöses Verhalten zu verringern bzw. zu verhindern, sollten Interventionen auf drei Ebenen stattfinden – Circles, Höflichkeits- und Beobachtertraining. Diese Ebenen werden in den folgenden Ausführungen mit Fallvignetten versehen, beschrieben (S. 47 bis 64).
In Kapitel fünf werden „Ansätze für Menschen, die andere schikanieren“ aufgegriffen. Infolge von einschneidenden Verlusten im Alter, die verkraftet werden müssen, leiden jene, die andere bestimmen wollen, unter einem Mangel an Empathie und /oder der Fähigkeit, sich in andere einzufühlen. Des Weiteren werden Strategien entwickelt, wie diesen Anfeindungen begegnet werden kann.
„Ansätze für Menschen, die schikaniert werden“ sind Gegenstand des folgenden Kapitels. Dieses Kapitel richtet sich an die Zielpersonen schikanösen Verhaltens, um Strategien entwickeln zu können, Anfeindungen oder Spötteleien anderer zu vereiteln.
Im Teil III geht es um „Die Schaffung fürsorglicher Gemeinschaften“. Eleanor Feldmann Barbera hat das siebente Kapitel unter dem Titel „Strategien und Interventionen zur Einschätzung schikanösen Verhaltens“ geschrieben. Es ist der Entwicklung von Strategien zur Einschätzung, Meldung und Aufdeckung schikanösen Verhaltens vorbehalten.
Im achten Kapitel steht das „Empathie – Training“ im Mittelpunkt der Ausführungen. Es wird zunächst beschrieben, dass sich Schikanen gegenüber alten Menschen anders äußern als bei Kindern, aber dennoch seien diese genauso zerstörerisch, weil sie sehr viel verdeckter als Teil alltäglicher Interaktionen auftreten würden.
Das vorletzte Kapitel von Katherine Parker Kardinal greift „Initiativen zur Förderung des sozialen Wohlbefindens“ auf. Die Autorin betont, dass es einer Veränderung der Kultur, der Förderung einer Höflichkeits- und Wohlbefindenskultur in Einrichtungen der Altenhilfe bedarf (S. 115).
Das letzte und damit zehnte Kapitel ist „Empfehlungen für die Zukunft“ gewidmet und wurde von Alyse November und Stephanie Langer verfasst. Sie fordern ein geschärftes Bewusstsein der Gesellschaft für eine Population, die sich weder schützen noch für ihre Interessen einstehen kann, um Präventionsprogramme und gesetzliche Regelungen zu schaffen, die unsere verletzlichsten Mitbürger davor bewahren, zu Zielpersonen schikanösen Verhaltens zu werden.
Teil IV „Anhang“ enthält einen Fragebogen zur sozialen Interaktion und ein Formular zur Meldung von Bullyingvorfällen.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Fazit
In dieser Publikation wird ein bisher in der gerontologischen Forschung völlig vernachlässigtes Thema aufgegriffen – ein Verhalten alter Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen wohnen und sich gegenseitig verspotten, belästigen und schikanieren. Es verdient Anerkennung, diese neue Thematik aufzugreifen und anhand von Fallvignetten, Interventionsmaßnahmen und Strategien zur Verhinderung eines im Alltag nicht selten auftretendes Phänomen wissenschaftlich zu bearbeiten.
Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische
Sozialforschung und Gerontologie
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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 11.10.2018 zu:
Robin P. Bonifas: Mobbing und Bullying unter alten Menschen. Was tun, wenn alte Menschen sich drangsalieren, schikanieren und tyrannisieren? Hogrefe AGHogrefe AG
(Bern) 2018.
ISBN 978-3-456-85767-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24699.php, Datum des Zugriffs 07.06.2023.
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