Nora Dainton: Feedback in der Hochschullehre
Rezensiert von Dr. Julia Weitzel, 15.02.2019
Nora Dainton: Feedback in der Hochschullehre.
UTB
(Stuttgart) 2018.
141 Seiten.
ISBN 978-3-8252-4891-8.
D: 22,99 EUR,
A: 23,70 EUR,
CH: 29,90 sFr.
Reihe: UTB - 4891.
Thema
Mit Bologna haben standardisierte Lehrveranstaltungsevaluationen derart stark zugenommen, dass eine gewisse Evaluationsmüdigkeit bei Studierenden wie Lehrenden zu verzeichnen ist. Zwar können solche Ergebnisse eine schnelle Orientierung bieten, sie werfen aber auch Interpretationsprobleme und Fragen auf. Oftmals sind deshalb die freitextlichen Kommentare besonders beliebt, wobei auch hier Aspekte offenbleiben, wie beispielsweise die Frage der Mehrheitsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund wundert das zunehmende Interesse an qualitativen Feedbackformaten (darunter auch von Dritten moderierte Verfahren wie TAP, Teaching Analysis Poll, oder SHIFT) in der akademischen Lehre und der entsprechend erhöhte Weiterbildungsbedarf nicht.
Nora Dainton greift diese Bedarfe mit einem praxisbezogenen Arbeitsbuch für Lehrende aus der Hochschule und der Erwachsenenbildung auf.
Autorin
Nora Dainton ist ausgebildete Designerin und als Hochschuldozentin tätig sowie als freie Gestalterin.
Entstehungshintergrund
Die Veröffentlichung „Feedback in der Hochschullehre“ erscheint in der sehr interessanten utb-Reihe „kompetent lehren“ zu der Titel wie „Schwierige Situationen in der Lehre“ von Eva-Maria Schumacher (vgl. die Rezension) oder „Schreiben in der Lehre“ von Swantje Lahm (vgl. die Rezension) gehören. Zielgruppe der Reihe sind Hochschullehrende, die ihre Lehr- und Beratungstätigkeit professionalisieren möchten.
Aufbau und Inhalt
Das Arbeitsbuch gliedert sich in vier Kapitel – die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
- Bedeutung und Wert von Feedback: Signal, Reaktion, Aktion, Input, Output, System, Information … was zunächst etwas technisch wirkt, bekommt schnell einen persönlichen Dreh, etwa wenn es um die Relevanz von Fehlern im Feedback- bzw. Lernprozess geht. „Fehler“ werden im Anschluss an Hattie „positiv bewertet, weil sie eine Chance eröffnen, negative Faktoren zu erkennen, anzugehen und ins Positive zu wenden“ (S. 14). Dieses Potenzial unterstreicht Dainton, indem sie die gängige Feedbackschleife (Sammeln und Zurückführen von Feedback als Kreislauf dargestellt) in eine Feedbackspirale weiterentwickelt. Der Nutzen von Feedback wird aus der Perspektive von Studierenden, Lehrenden und anderen Akteuer_innengruppen reflektiert.
- Wo klemmt es? Die Autorin führt verschiedene Einflussfaktoren ein, die Feedbackprozesse erschweren können. Neben Übersättigung, nicht erkanntem Nutzen, Zeitnot und anderen, nimmt negative Kritik einen besonderen Stellenwert ein. Es wird zwischen der professionellen, an Sachthemen orientierten Ebene und zwischen der persönlichen Ebene der Emotionen und der Intuition differenziert. Die Autorin konkretisiert den Umgang mit negativer Kritik an Beispielen aus der Lehre und erläutert dabei, wie auch die persönliche Ebene produktiv in die Rückmeldung einfließen kann (S. 28ff).
- Im dritten Kapitel Feedback: Arten und Umgang zeigt die Autorin Unterschiede in der Feedbackausrichtung (ungerichtet, zielgerichtet), dem Blickwinkel (Lehrende / Lernenden etc.) und der Perspektive (Gruppe, Rahmenbedingungen etc.) auf, thematisiert die Frage, nach dem richtigen Zeitpunkt, gibt Empfehlungen für das Geben und Nehmen von Feedback (Feedbackregeln etc.) und Hinweise für den Umgang mit Feedbackergebnissen im Lehralltag. Dainton überträgt dafür auch bekannte Kommunikationsmodelle wie das Eisberg-, Sender-Empfänger- und das Vierohrenmodell auf typische Feedbacksituation in der Lehre.
- Das Kapitel vier Werkzeuge, an die Arbeit! beginnt mit einer Anleitung zur Auswahl geeigneter Feedbackinstrumente (Fragen zur praktischen, zeitlichen, inhaltlichen Erwägung) sowie der Quicklist „Situation und passende Werkzeuge“ (spezifiziert in Anfangssituation, während des Prozesses, Abschluss, schwierige Situationen). Es folgt die Toolbox, mit knapp 60 von A-Z sortierten Methoden. Die Methodenvorstellung ist durch folgende Kategorien strukturiert: Ablauf, Variation, Bemerkungen, Gruppengröße, geeigneter Zeitpunkt, Dauer, Arbeitsaufwand, Vorteile und Nachteile, Quelle sowie passende Situation. Den Abschluss bildet ein Abschnitt zu „DIY(Do-it-yourself)Feedbackinstrumenten“ mit der Einladung Feedbackverfahren nach Bedarf eigenständig zu entwickeln.
Diskussion
Das Arbeitsbuch ist übersichtlich gegliedert (schnelle Orientierung mittels Marginalien, kapitelweise Zusammenfassung etc.), ansprechend und angenehm zurückhaltend gestaltet (von der Autorin persönlich) und leichtgängig lesbar.
Die Argumentation ist einschlägig und nachvollziehbar, wobei sie noch stärker auf die tertiäre Bildung zugeschnitten sein könnte. Wenn es um den Nutzen von Feedback geht, dann könnte lernförderliches Feedback verstärkt herausgestellt werden: Studierende profitieren dann besonders von Feedback, wenn sie neben einer Rückmeldung zur Güte ihrer Leistung, auch konkrete Wege zur Verbesserung aufgezeigt bekommen und wissen, welche Qualitätskriterien/-standards in ihrem Fach gelten.
Sehr gelungen und hilfreich sind die konkreten Empfehlungen für die Gesprächsführung in herausfordernden Feedbacksituationen. Wie reagiere ich auf, „Sie vergeuden meine Zeit!“? Manchmal braucht es Rückendeckung, und die versteht die Autorin zu geben, indem sie klarstellt, hier findet eine Grenzüberschreitung statt („Dieses Feedback nehme ich so nicht an“) und dennoch Wege aufzeigt, im Gespräch zu bleiben („Bitte passen Sie Ton und Inhalt angemessen an die Situation an“, S. 30). Oft hindern schlechte Vorerfahrungen, Befürchtungen, Versagensängste oder allgemein Angst vor Kritik davor, Feedback einzuholen. Solche Formulierungsvorschläge können da Erste Hilfe leisten bzw. als Notfallapotheke Sicherheit bieten. Eine solide Grundversorgung – um im Bilde zu bleiben – stellt jedoch eine dialogische Feedbackkultur dar, die aktuell noch keine exponierte Stellung in der Veröffentlichung einnimmt. Feedback ist kein Einbahnstraßenmodell, es geht auch weniger um das Instrumentelle (Feedbackverfahren sind dann bloß ein Vehikel), sondern vielmehr um das Dialogische an sich, darum miteinander im Gespräch zu sein: Was fördert das Lernen, was hindert es und was können wir besser machen? Und zwar vor dem Hintergrund einer geteilten Verantwortung für das Gelingen von Lehrveranstaltungen. Beide Seiten müssen „liefern“: Lehrende, indem sie das didaktische Setting gestalten und evaluieren; Lernende, indem sie die Hauptverantwortung für ihren Wissens- und Kompetenzaufbau übernehmen – auch wenn sie dabei auf die Unterstützung und Prozessbegleitung ihrer Lehrenden zählen dürfen. Dann wird Feedback spannend, hilfreich und produktiv. Dann macht es Spaß, weil sich etwas löst und ins Rollen kommt, weil die Zusammenarbeit an Sinn gewinnt und alle mit mehr rauskommen, als sie gestartet sind. Inwiefern dies gelingt, hängt maßgeblich auch von der institutionellen Feedbackkultur ab, davon ob Evaluations-/Feedbackprozess eher kontrollierend oder eher unterstützend ausgestaltet und wahrgenommen werden?
Die Toolbox ist in ihrem Umfang und dem Überblick, den sie zu Feedbackverfahren gewährt, gelungen und bereichernd zu lesen, die Methoden sind ausreichend ausführlich beschrieben, sodass es mit etwas Experimentierfreude leicht gemacht wird, Neues in den Lehralltag aufzunehmen. Die Toolbox könnte ggf. noch übersichtlicher werden, wenn statt der A-Z-Sortierung, ähnliche Verfahren zusammengefasst würden (z.B. Brief und eMail, Skalierung und lebendige Statistik, alle Blitzlichtvariationen). Beim 5-Finger-Feedback empfehle ich für eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre dringend den Mittelfinger nicht mit „das-stink-mir“ gleichzusetzen (S. 99), das Verfahren bietet auch ohne das ausreichend Raum für kritische Hinweise. Die Autorin nennt eine Variation von Lehrhospitation „Fliege an der Wand“ (S. 98), wenn ich die sprachliche Präformierung berücksichtige, bekommt so ein für die Lehrkompetenzentwicklung hilfreiches Verfahren unnötig einen eher störenden Bedeutungshof wie die sprichwörtliche Fliege in der Suppe.
Fazit
Das Buch macht Lust, sich mit Feedback zu beschäftigten, zeigt viele Wege auf mit den Studierenden ins Gespräch zu gehen, gibt erste Absicherungen für den Fall negativer Kritik und inspiriert zu Erprobungen im Feld. Detailfragen sind, wie oben im Einzelnen ausgeführt, diskutierbar, das sollte aber nicht an der Rezeption des Buches hindern, sondern zum Mitdenken und Mitgestalten einladen. Denn das ist letztlich ein Grundgedanke der Autorin, die mit einem DIY-Aufruf zur eigenen Konzeption von Feedbackverfahren schließt.
Rezension von
Dr. Julia Weitzel
Erziehungswissenschaftlerin, DGfC-Coach, Hochschuldidaktikerin (dghd)
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Zitiervorschlag
Julia Weitzel. Rezension vom 15.02.2019 zu:
Nora Dainton: Feedback in der Hochschullehre. UTB
(Stuttgart) 2018.
ISBN 978-3-8252-4891-8.
Reihe: UTB - 4891.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24721.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
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