Andreas Langer, Johannes Eurich et al.: Innovation Sozialer Dienstleistungen
Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 31.10.2018

Andreas Langer, Johannes Eurich, Simon Güntner: Innovation Sozialer Dienstleistungen. Ein systematisierender Überblick auf Basis der EU-Forschungsplattform INNOSERV. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Wiesbaden) 2018. 190 Seiten. ISBN 978-3-658-05121-1. D: 29,99 EUR, A: 30,83 EUR, CH: 31,00 sFr.
Autoren
- Andreas Langer,Professor für Sozialwissenschaften, Sozialpolitik und Soziologie an der HAW Hamburg und Direktor des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft (DISW)
- Johannes Eurich,Professor für Praktische Theologie/Diakoniewissenschaft an der Universität Heidelberg und Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts der Universität Heidelberg
- Simon Güntner,Professor für Raumsoziologie an der TU Wien
Entstehungshintergrund und Thema
Die hier vorliegende Arbeit präsentiert auf Basis der Ergebnisse der EU-Forschungsplattform INNOSERV und an Hand von Text- und Videomaterial empirisch gewonnene Forschungsergebnisse und gibt Antworten auf Fragen zu „Innovationen“ in sozialen Einrichtungen wie etwa Innovationsakteure und -handeln, dazu auftauchende Fragen der Qualität und Evaluation, der Nutzerorientierung, Technisierung und Digitalisierung sowie Kontextinnovationen.
Aufbau und Inhalt
Im ersten Teil des Buches werden folgende neun Themen theoretisch in Kurzform erläutert:
- Am Beginn steht die Einordnung in den Forschungskontext von Innovationen in sozialen Dienstleistungen. Dazugehörend auch die EU-Plattform INNOSERV.
- Es folgt ein recht global formuliertes Analysemodell für Innovationen in sozialen Dienstleistungen, wobei der demographische und soziale Wandel, die sozialen Ungleichheiten und daraus resultierende Probleme, neue Technologien sowie Veränderungen in der Politik als Kategorien angesprochen werden.
- Die Akteure des Veränderungsprozesses werden in der Folge identifiziert, strategische grenzüberschreitende Innovationsallianzen in drei Typen eingeteilt:
- Intersektorale Management-Allianzen,
- subversive Praxis-Allianzen,
- Initiativen zur Kontextinnovation.
- Gedanklich konsequent führt ein Kapitel zu „Organisation und Organisation“ weiter, in dem – wenn auch recht oberflächlich – Wertschöpfung und Risikomanagement in Innovationsprojekten angesprochen werden.
- Im darauffolgenden Kapitel gehen die Autoren auf Qualität und Evaluation ein, wobei sie auf das Spannungsfeld von alten Qualitätsmanagementsystemen in Verbindung mit neuen Anforderungen an Dienstleistungen hinweisen. Ebenso auf eine partizipative Evaluation.
- Die Ausführungen zur Nutzerorientierung bzw. Dienstleistungsentwicklung aus Kundensicht wären für eine engagierte Mitarbeiterin aus dem Spannungsfeld der Ambivalenzen herauszuführen.
- Erfreulicherweise wird die „Technisierung“ und „Digitalisierung“ als Innovation in sozialen Dienstleistungen etwas mehr Raum gegeben. Statt der Diskussion um Fluch oder Segen von Neuen Technologien wäre eine Folgenabschätzung samt Begleitmaßnahmen hilfreicher.
- Zum Abschluss gehen die Autoren auch auf den sozialstaatlichen Wandel und Kontextinnovationen ein und schließen das Kapitel mit Innovation zwischen Projektifizierung, Standardisierung und Differenzierung ab. Hier wird auch sichtbar, dass man sich mit (sozialen) Innovationen auch auf unsicherem Terrain bewegt.
Im zweiten Teil des Buches wurden im Sinne eines Überblicks aus 167 Innovationsprojekten 18 Beispiele ausgewählt und als „Shortcuts“ mit „Visual Essays“ vorgestellt, in die sich der Leser über eine App aus dem Buch heraus einen tieferen Einblick verschaffen kann. Der Themenbogen ist hier erfreulich breit und reicht vom gemeinwesenorientierten Pflegeheim über präventive Finanzberatung bis hin zum Arbeitsmarktprojekt. Ein weiterer Aspekt ist – auf Grund des EU-Hintergrundes – die Streuung bei den Ländern. Dies macht die Beurteilung wesentlich komplexer, da die Sozialsysteme in der EU recht unterschiedlich ausgeprägt sind.
Fazit
Das Buch gibt einen Überblick zu Innovationsprojekten im Bereich der Sozialwirtschaft. Dem akademisch orientierten Leser möge der erste Teil mit seinen unterschiedlichen Zugängen zum Thema soziale Innovation als etwa oberflächlich erscheinen. Dem betriebswirtschaftlich ausgerichteten Leser fehlt die strategische Rückbindung bzw. der ökonomische Hintergrund der Kostenrechnung im Sinne der Gegenüberstellung. Eine stärkere Einbettung in das Service Design und damit in eine konsequentere Berücksichtigung der Kundensicht wäre ebenso wünschenswert wie klarere Aussagen zur Wirkung der einzelnen Fallbeispiele. Ebenso Aussagen zu den zu erwartenden Folgekosten im Sinne einer Gegenüberstellung von „Alt-Neu“.
Bei aller Kritik liefert das Buch trotzdem eine Übersicht und damit eine Vielzahl von Anregungen für die Adaptierung und Neuausrichtung von sozialen Dienstleistungen. Hilfreich dazu sind die Multimediabeiträge. Aufbauend auf dieser Arbeit wäre eine strategisch fokussierte Weiterführung wünschenswert.
Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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