Petra Endres: Nach Worten fischen (Demenz)
Rezensiert von Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff, 27.11.2018

Petra Endres: Nach Worten fischen. Demenz - Kommunikation - assoziativer Dialog.
Vincentz Network
(Hannover) 2018.
175 Seiten.
ISBN 978-3-86630-575-5.
D: 22,80 EUR,
A: 23,50 EUR.
Reihe: Altenpflege.
Thema
Der Umgang mit Menschen, deren Leben zunehmend von einem demenziellen Abbauprozess beeinflusst und geprägt wird, erfordert viel Einfühlungsvermögen in der alltäglichen Begleitung und braucht auch spezielle Ansätze und Kompetenzen für eine gelingende Kommunikation. Denn nicht nur das Erinnerungsvermögen der Betroffenen leidet mehr und mehr – auch der Umgang mit Sprache verändert sich und sie geht oftmals schrittweise verloren. Das stellt Pflegende oft vor große Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten beiden Jahrzehnten verschiedene Konzepte in der Praxis und für die Praxis (weiter-)entwickelt, die dem veränderten Kommunikationsverhalten des Menschen mit Demenz (MmD) in wertschätzender Form begegnen, wie zum Beispiel die Validation von Naomi Feil oder die Integrative Validation von Nicole Richards. Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie das individuelle Erleben und die jeweils spezifischen Themen und Anliegen des MmD, über eine besonders empathische Form der Kommunikation aufgreifen und verbalisieren. Dabei geht es vor allem um die Anerkennung und Stärkung des Person-Seins, also um die Orientierung an Identität und Biografie der Betroffenen, um damit trotz der objektiv feststellbaren Einschränkungen, ein subjektiv besseres Lebensgefühl und damit eine gelingendere Alltagsgestaltung zu ermöglichen.
Autorin
Die Autorin Petra Endres ist examinierte Krankenschwester und Dipl. Sozialpädagogin mit langjähriger Erfahrung im biografiebasierten Arbeiten mit Menschen mit Demenz. Sie hat seit vielen Jahren im Bereich der stationären Altenpflege mit dem von ihr entwickelten Ansatz Erfahrungen gesammelt, diesen immer wieder modifiziert und nun im „Assoziativen Dialog RE“ konzeptionell zusammengeführt und verdichtet.
Entstehungshintergrund
Die vorliegende Publikation ist also das Ergebnis einer Reflexion von praktischen Erfahrungen der Autorin, die zunächst auf einem eher intuitiven Vorgehen und Erproben basierten. Dies führte in der Konsequenz letztlich zu einem Konzept, das als in sich logische Form der Intervention nun beschreibbar und damit letztlich auch überprüfbar wird und das auf einem speziellen theoretischen Modell zu Sprache und Kommunikation basiert. Dieses so genannte Sprachmodell 3DKom bildet also den Ausgangspunkt zum Verständnis der methodischen Vorgehensweise, die die Autorin als Assoziativen Dialog beschreibt. Das Konzept ist also aus der Praxis heraus entstanden und soll nun eine theoretische Fundierung erfahren, um seine Anwendung und weitere Verbreitung in der Praxis zu ermöglichen. Die Betonung liegt dabei auf einer sehr individuellen Form der Gestaltung des Dialogs. Umso mehr braucht es die konzeptionelle Basis, um das Vorgehen nicht beliebig werden zu lassen. Damit dient die Publikation letztlich auch der Qualitätssicherung bei der Umsetzung in der Praxis.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert und sehr anschaulich bebildert. Der „rote Faden“ zieht sich optisch in Form einer gestrichelten und mehrfach gewundenen Linie über alle Seiten hinweg. Damit erhält die Publikation den Charakter eines Manuals, also einer Art von Leitfaden, der die Anwendung in der Praxis ermöglichen und begleiten soll. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den frei gehaltenen Raum für eigene Notizen am Ende des Buchs. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige vollständige Inhaltsverzeichnis.
Das Kapitel 1 beschreibt sehr kurz und knapp den Entwicklungsweg des spezifischen Ansatzes und des dahinter liegenden Sprachmodells 3DKom.
Im Zentrum von Kapitel 2 steht die Beschreibung und Erläuterung von 3DKom. Dabei werden die verschiedenen Ebenen der Kommunikation mit den zeitlichen Dimensionen des biografischen Arbeitens in Bezug gesetzt und mit Besonderheiten der Kommunikation unter dem Einfluss demenzieller Veränderungen verknüpft.
Der Titel der Publikation wird in Kapitel 3 aufgegriffen, in dem das Verfahren des Assoziativen Dialogs als „Nach Worten fischen“ charakterisiert wird – eine Beschreibung des Vorgangs, die von einem der von Petra Endres begleiteten MmD geprägt worden ist. Diese auf den ersten Blick etwas sonderbar anmutende Bezeichnung wird greifbarer über kurze Fallbeispiele und Gesprächssequenzen, die die methodische Vorgehensweise anschaulich erläutern.
In Kapitel 4 erfolgt eine schrittweise Einführung in den Assoziativen Dialog. Auch hier wird auf der Basis von kurzen Fallvignetten illustrierend die Vorgehensweise verdeutlicht. In der Logik eines Manuals werden dafür auch Schaubilder genutzt und Arbeitsaufträge eingebunden.
Diese sehr praktische und anschauliche Vorgehensweise wird im Kapitel 5 fortgeführt, in dem die Anfänge und Grundlagen des Assoziativen Dialogs beschrieben und erläutert werden.
Im Kapitel 6 wird deutlich, dass die Basiselemente des Assoziativen Dialogs durchaus nicht neu sind, sondern auf grundlegenden Kompetenzen in der Gesprächsführung, wie Beobachtung und Bewertung, die Fähigkeit des Assoziierens und die Verwendung von Sprachbildern zurückgehen. Im Assoziativen Dialog werden sie aber eng miteinander zu einem Gesamtkonzept verknüpft und als Elemente bewusst eingesetzt.
Wie dies in der praktischen Arbeit eingeführt und verankert werden kann, beschreibt das Kapitel 7, das sich mit den Zugangsmöglichkeiten beschäftigt.
Das abschließende Kapitel 8 ermutigt dazu, in der Anwendung des Assoziativen Dialogs einen eigenen Weg zu suchen, der sich authentisch anfühlt und mit der eigenen Person und Praxis sinnvoll verbunden werden kann. Den eigenen Einstieg wählen ist in dieser Logik die Aufforderung, das Manual als Basis für eine individuelle Form der Anwendung zu verstehen. Auch deshalb macht der vorgesehene Raum für eigene Notizen durchaus Sinn.
Zielgruppe
Zielgruppe der Publikation sind Praktiker, die offen sind für neue Ansätze und Anregungen in der Begleitung von Menschen mit Demenz. Dies gilt ebenso für Pflegende, wie auch für die Alltagsbegleitung und alle anderen Berufsgruppen in diesem mittlerweile sehr diversen Arbeitsfeld.
Diskussion
Das Buch regt dazu an, vor dem Hintergrund der eigenen Praxis die individuelle Dialogfähigkeit zu reflektieren und seine Haltung in der Begegnung mit Menschen mit Demenz zu überprüfen. Mit seinem Charakter als Manual kann es die Einführung und Anwendung des Assoziativen Dialogs in der Praxis ermöglichen. Deshalb ist die Publikation auch sehr praxisnah gestaltet und aufgebaut.
Gleichzeitig wird bei der Lektüre deutlich, dass die gezielte Anwendung des Assoziativen Dialogs voraussetzungsvoll ist und viel Übung braucht. Dieser lässt sich nicht einfach nebenbei erlernen und das Buch alleine kann dafür nur eine erste Anregung und ein Leitfaden sein, sich auf diesen Weg zu wagen. Die skizzierten Beispiele zeigen aber deutlich, welche Chancen damit verbunden sein können, die Identität von Menschen mit Demenz zu stärken
Fazit
Insgesamt ein anregendes und lesenswertes Buch, das spannende Anregungen und Gedanken für die Verbesserung der einschlägigen Fachpraxis und die Kommunikation mit Menschen mit Demenz liefert. Der Charakter des Leitfadens ist für den Einsatz in der Praxis gut gewählt und die optische Gestaltung überzeugt. In Gesamtaufbau und Gliederung hätte dem Buch allerdings etwas mehr Stringenz gut getan – die einzelnen Kapitel haben in der vorliegenden Form leider viele Überschneidungen und Doppelungen. Das schmälert zuweilen den Lesegenuss.
Rezension von
Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff
Beratung – Prozessbegleitung – Training;
Soziale Gerontologie und Soziale Arbeit im Gesundheitswesen
Katholische Hochschule Freiburg (em.)
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