Maja Roedenbeck Schäfer: (...) Anwerbung von ausländischen Fachkräften (...)
Rezensiert von Prof. Dr. Rüdiger Falk, 06.11.2018

Maja Roedenbeck Schäfer: Wie die Anwerbung von ausländischen Fachkräften gut gelingen kann. Internationales Recruiting in Sozial- und Gesundheitsunternehmen. Walhalla Fachverlag (Berlin) 2018. 160 Seiten. ISBN 978-3-8029-5476-4. 19,95 EUR.
Autorin
Maja Roedenbeck Schäfer ist für das Karriereportal der Diakonie Deutschland verantwortlich und leitete von 2011 bis 2016 die vom ESF geförderte Recruitingkampagne „SOZIALE BERUFE kann nicht jeder“. Sie hat Englische Philologie, Philosophie, Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Münster und Berlin studiert und mit dem Master abgeschlossen. Ihr beruflicher Werdegang umfasst journalistische, schriftstellerische, beratende und lehrende Tätigkeiten.
Entstehungshintergrund
Eine Studie von „prognos“ aus dem Jahr 2016 zeigt, wie bedeutsam ausländische Arbeitnehmer allein im Gesundheitswesen sind: Im Jahr 2014 betrug ihr Anteil bei den Ärzten 8,2 % und bei den nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen sogar 14 %. Herkunftsländer sind vor allem süd- und osteuropäische Staaten. Ziel des rezensierten Buches ist es, Führungskräfte in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu befähigen, eine fundierte Entscheidung zu treffen, ob internationales Recruiting als Methode zum eigenen Unternehmen passt (S. 11). Hierzu spricht die Autorin durchaus die Vorbehalte wie illegale Beschäftigung, fehlendes berufliches Ethos oder den Brain Drain in den Rekrutierungsländern an, dem ein Kodex der WHO entgegenwirken soll. Wesentlich ausführlicher aber geht die Autorin bereist in der Einleitung auf die Chancen internationaler Rekrutierung ein und setzt hierzu insbesondere auf das sogenannte Employer Branding, also die „Arbeitgebermarke“, wobei sie auf einen eigenen Leitfaden für Sozial- und Pflegeeinrichtungen verweist.
Aufbau
Zunächst fällt auf, dass es sich um ein in unterschiedlichen journalistischen Stilformen geschriebenes Buch handelt, was es sehr leicht lesbar und verständlich macht. Beispiele und Interviews sind durch grau unterlegte Kästen gekennzeichnet sowie Checklisten durch nicht farblich unterlegte Kästen. Die Gliederung ist nicht unbedingt wissenschaftlich, anderseits werden von dort viele Anleihen genommen.
Das Buch beginnt mit den drei Verzeichnissen Inhalt, Erfahrungsberichte und Interviews sowie Übersichten und Checklisten. Dann folgt mit dem Kapitel „Internationales Recruiting als Baustein der Personalstrategie“ quasi die Einleitung und Heranführung an das Thema. Nach vier, sehr unterschiedlichen langen inhaltlichen Kapiteln folgen noch ein Literaturverzeichnis, als „Quellen und weiterführende Informationen“ bezeichnet, Hinweise zur Autorin und ein Stichwortverzeichnis.
Inhalte
1 „Die Konzeptionsphase: Notwendige Vorüberlegungen“ (S. 21-87). Begonnen wird mit den strategischen Entscheidungen der Geschäftsführung und Festlegung der Verantwortlichkeiten. Als Programmformate werden die unterschiedlichen Formen skizziert, wie ausländische Mitarbeiter gewonnen werden können; insgesamt sind es zwölf Möglichkeiten. Um potenzielle Herkunftsländer zu identifizieren, wird auf die einschlägige Bertelsmann-Studie eingegangen. Neben Expertenmeinungen werden verschiedene Kriterien untersucht, die für ein erfolgreiches Rekrutieren bedeutsam sein können. Im nächsten Unterkapitel geht es um die Kosten und Finanzierung. Am Ende dieses Kapitels stehen ein realistischer Zeitplan und die Evaluation.
2 „Die Umsetzung: Jetzt geht's los!“ (S. 88-139). Wenn man es genau betrachtet, handelt es sich auch bei diesem Kapitel weitgehend noch um Planung und nicht um Realisierung. Ganz im Stil der klassischen Personalwirtschaft wird mit dem Stellenanforderungsprofil und der Stellenanzeige begonnen. Im Sinne eines guten Rekrutierungsplans folgen dann das Personalmarketing und ergänzend die Einbeziehung von Personalberatern. Dieses entspricht den Phasen 1–4 im Recruiting-Programm der Autorin. Danach folgen die Phase 5–6: die Einreise und Einarbeitung der ausländischen Facharbeiter sowie deren Integration und Bindung.
3 „Internationales Recruiting für (sozial)pädagogische Fachkräfte“ (S. 140-145). Das Beispiel lautet „Als Heilpädagogin von Andalusien nach Bayern“. Dieses Kapitel soll auf die Besonderheiten im Sozialwesen eingehen (S. 20). Auf den wenigen Seiten gibt es jedoch nur ein paar sporadische Hinweise, zum Beispiel warum der Beruf des Erziehers kein Mangelberuf ist. Sehr fundiert und abgesichert ist dies alles nicht.
4 „Fazit: Digitale Unterstützung und anhaltende Wanderbewegungen als Trends im internationalen Recruiting“. Die abschließenden vier Seiten sind einer Tour d'Horizon gewidmet: Digitalisierung, natürlich auch beim Recruiting, oder das Verhalten der Generation Y werden kurz skizziert.
Diskussion
Aus den sieben Stufen, welche die Autorin für die Einführung eines internationalen Recruiting-Programms nennt (S. 22 f.), verdichtet sie diese im Buch auf zwei Stufen: Vorbereitung und Durchführung. Gerade angesichts des Ziels, dass Leser anhand einer Checkliste klären können, ob das eigene Unternehmen hierfür geeignet ist, erschließt sich diese Vorgehensweise nicht. Zumal irgendwie die Stufen dann doch in den Unterkapiteln auftauchen. Es fehlt etwas an der logischen Stringenz.
Und hierin liegt die Krux dieses Buches: Vor allem in den öffentlich-rechtlichen Medien treten zunehmend Journalisten als „Fachleute“ auf. Diesen Trend nutzt die Autorin und gibt ihre beruflichen Erfahrungen, die unbestritten fundiert und ausgiebig sind, in Form von Checklisten, Projektplänen etc. weiter. Durch den Mix journalistischer Darstellungsformen ist das Buch sehr leicht lesbar. Soweit so gut, könnte man meinen. Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass damit das Buch und seine Aussagen nicht unbedingt aussagekräftig sind.
Bereits das sowohl quantitativ als aus qualitativ dürftige Literaturverzeichnis zeigt, dass Bezüge zu und Einbettungen in die wissenschaftlichen Theorien der Personalrekrutierung fehlen. Dieses ist insofern problematisch, als dass der Eindruck erweckt wird, dass es sich nicht nur um Erfahrungen handelt, sondern dass diese auch verifiziert seien: „Jenen, die diesen Weg beschreiten möchten, wird aufgezeigt, welche Schritte zu gehen sind, welche realistischen Erfolge erwartet werden können, mit welchen Hürden aber auch zu rechnen ist.“ (Klappentext) Angesichts dieses Anspruchs verwundert es, dass die Autorin nur an wenigen Stellen (z.B. S. 117) auf die zentrale Schwierigkeit internationalen Recruiting eingeht: die Sprache, die auch in die kulturellen Unterschiede hineinspielt. Die Sprachkenntnisse sind für die Anerkennung ausländischer Qualifikationen ebenso bedeutsam wie für das Verständnis des deutschen Sozial- und Gesundheitssystems sowie berufsspezifischer Verhaltensnormen.
Fazit
Viele Beispiele, sogenannte „Good Practice“, so wichtig sie auch sein mögen, ersetzen nicht ein in sich stringentes, induktiv aufgebautes Theoriemodell internationaler Rekrutierung. Insofern handelt es sich bei dem vorliegenden Buch möglicherweise um einen Ratgeber oder ein Sachbuch, keinesfalls aber um ein Fachbuch. Daher gelten alle Vorbehalte, die berechtigterweise gegen „Rezepte“ bestehen, auch hier. Vielleicht ist diese Kritik aber auch obsolet. Möglicherweise handelt es sich um eine moderne Form der Themenvermittlung? Die Autorin ist Bloggerin und es gibt zahlreiche Videos mit ihr im Netz. In dieses Umfeld passt ihr Buch perfekt hinein.
Rezension von
Prof. Dr. Rüdiger Falk
em. Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Human Resource Management und Berufsbildung sowie Sportmanagement an der Hochschule Koblenz
Mailformular
Es gibt 172 Rezensionen von Rüdiger Falk.