Anette Dörr: Religiosität und psychische Gesundheit
Rezensiert von Prof. Dr. med. Klaus-Dietrich Stumpfe, 22.02.2002

Anette Dörr: Religiosität und psychische Gesundheit. Zur Zusammenhangstruktur spezifischer religiöser Konzepte.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2001.
308 Seiten.
ISBN 978-3-8300-0346-5.
79,95 EUR.
mit Fragebogen-Anhang.
Thema:
Das Thema steht in dem Spannungsfeld zwischen Religion und Psychologie. Religiöser Glaube als Forschungsgebiet der Psychologie ist ein schwieriges Unterfangen, weil die Religion nicht die psychologischen Wurzeln des Glaubens hinterfragt und die akademische Psychologie grundsätzlich die Religion nicht erfassen kann. Das religiöse Denken ist aber ein wesentlicher Bestandteil des Menschen und wenn das nicht berücksichtigt wird, dann wird der Mensch nicht erfasst bzw. verstanden.
Der religiöse Glaube ist in Deutschland eine private Angelegenheit und die Thematisierung im psychologischen und wissenschaftlichen Arbeiten mit Hindernissen verbunden.
Deshalb ist es lobenswert, dass die Autorin dieses Thema bearbeitet hat.
Hintergrund
Die Autorin scheint eine Dipl.-Psychologin und die Arbeit eine Doktorarbeit in der Psychologie zu sein (genaue Angaben fehlen).
Inhalt:
Der erste Teil (bis Seite 101) bringt eine ausführliche und gute Darstellung der wissenschaftlichen Literatur über die religionspsychologische Forschung. Es wird auch die psychologische Funktionalität von Religiosität in Bezug auf Gesundheit diskutiert. Die verschiedenen Theorien werden dargestellt: die Theorie der sozialen Unterstützung, der kognitiven Orientierung, des moralischen Verhaltens, des göttlichen Handelns, der positiven Emotionen, der alternativen Werte und die Positiv- und Negativ- Funktionen von Religiosität.
Im zweiten Teil werden die Hypothesen der Untersuchung formuliert, die Fragebögen, die teils neu entwickelt wurden, und die Durchführung der Untersuchungen vorgestellt. Die Fragebögen erfassen die religiösen Copingstile, die allgemeine Religiosität, das psychosoziale Potential, die externale Gott-Kontrolle, das religiöse Copingverhalten und die kognitive religiöse Aktivität.
Im dritten Teil werden die Ergebnisse ausgewertet bzw. die verschiedenen Skalen validiert. In der Diskussion werden dann die Modellebenen der verschiedenen Skalen dargestellt.
Es fehlt eine Darstellung von psychischer Gesundheit bzw. Krankheit.
Zielgruppen
Die Thematik ist interessant für Psychologen, Ärzte und Theologen. Da es sich um eine psychologische Arbeit handelt, sind in erster Linie Psychologen als Interessenten zu sehen. Für Theologen und Psychiater bzw. Ärzte dürfte die Lesbarkeit durch die wissenschaftlich-psychologische Darstellung mit Schwierigkeiten verbunden sein.
Zusammenfassung
Es handelt sich um eine fachpsychologische wissenschaftliche Untersuchung, die sich sehr stark auf die statistische Auswertung der Fragebögen stützt. Wie es bei wissenschaftliche Arbeiten üblich ist, werden weitgehend nur die errechneten Ergebnisse dargestellt. Es fehlt (leider) eine Übertragung in die menschliche Alltags-Praxis bzw. eine Stellungnahme der Autorin zu dem gesamten Themenkreis, die ein interessierter Leser sich wünscht.
Die Nützlichkeit des Buches wird deswegen doch erheblich eingeschränkt. Die Beziehungen zur psychischen Gesundheit werden nicht deutlich thematisiert.
Fazit
Es ist sehr erfreulich, dass eine Untersuchung dieser Thematik vorgelegt wird.
Für den nichtpsychologischen Leser ist der Nutzen des Buches nur begrenzt.
Rezension von
Prof. Dr. med. Klaus-Dietrich Stumpfe
Arzt für Psychiatrie
Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Lehrgebiet: Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie
Es gibt 21 Rezensionen von Klaus-Dietrich Stumpfe.