Kathrin Ripper, Jürgen Ripper: Therapie-Tools Kommunikation
Rezensiert von Dr. rer. soc. Wolfgang Widulle, 16.04.2019
Kathrin Ripper, Jürgen Ripper: Therapie-Tools Kommunikation. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2018. 270 Seiten. ISBN 978-3-621-28580-3. 39,95 EUR.
Thema
Kommunikation ist das zentrale Medium jeder beraterischen oder psychotherapeutischen Kommunikation. Entsprechend sollten Therapeuten und psychosoziale Berater auf der Basis allgemeiner Kommunikationstheorien und -modelle aufbauend therapeutische Kommunikation zielführend gestalten können. Nicht immer werden jedoch die Grundlagen professionellen kommunikativen Handelns in sozialen und psychologischen Studiengängen so handlungs- und kompetenzorientiert unterrichtet, dass lernende Berater und Therapeuten über diese allgemeine Basis von Kommunikation zielsicher verfügen und diese für ihre therapeutische Arbeit dann entsprechend differenzieren und professionalisieren können. Obwohl eine Vielzahl von Lehrbüchern zur Kommunikation zur Verfügung stehen, schien bislang ein Buch mit Arbeitshilfen und Tools für Lernen und Training in therapeutischer Kommunikation zu fehlen, sodass der Beltz-Verlag hier Nachholbedarf für seine Reihe Therapie-Tools sah.
Autorin und Autor
Dr. Kathrin Ripper ist Psychologin und Psychotherapeutin sowie Professorin und Studiengangsleiterin der Studienrichtung Soziale Arbeit im Gesundheitswesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sie lehrt Psychologie in der Sozialen Arbeit, psychotherapeutische Verfahren und Beratung sowie Arbeits- und Organisationspsychologie.
Dr. Martin Ripper ist Psychologe und tätig als Geschäftsleiter von MTO, einer Tübinger Firma für psychologische Forschung und Beratung in den Bereichen Personal- und Kompetenzdiagnostik, Bildungs- und Organisationsentwicklung für Privatunternehmen, öffentliche und Bildungseinrichtungen.
Entstehungshintergrund
Das als «Workbook» eingeführte Buch entstand im Rahmen eines Forschungssemesters an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg auf der Basis einer Online-Erhebung bei Praxisanleitern in Institutionen der Sozialpädagogik/Sozialarbeit. Das Buch ist, wie bereits dem Titel prominent zu entnehmen, Teil der Beltz-Reihe «Therapie-Tools», mit der Beltz psychotherapeutische Ansätze «handwerklich» und praxisnah lernbar zu machen sucht. Die 37 weiteren Bände der Reihe sind störungsspezifisch oder an Behandlungsansätzen ausgerichtet: Mit «Therapie-Tools Kommunikation» steht nun erstmals ein an grundlegenden kommunikativen Wissensbeständen orientiertes Buch in der Reihe.
Aufbau und Inhalt
Nach dem Vorwort und einer methodisch-praktischen Einleitung zur Benutzung des Buchs folgen die drei Hauptteile Grundlagen, Theorien und Modelle sowie Settings der Kommunikation. Ein Anhang mit Literatur und dem Verzeichnis der Übungen schließen das Buch ab.
Die Kapitel starten mit kurzen theoretischen Überblicken zu den jeweiligen Inhalten, anschließend werden Übungen und Arbeitsblätter präsentiert. Die Übungen bestehen aus Pencil-Paper-Arbeiten zur Vorbereitung oder Reflexion kommunikativen Handelns, weiter finden sich Anleitungen zu Gruppendiskussionen, Partner- und Gruppenübungen und schließlich finden sich Arbeitsvorlagen für die direkte Gesprächsarbeit (Gesprächsraster, Analysematerial, Checklisten usw.). Alle Materialien sind didaktisch gekennzeichnet und als Kopiervorlage seitenweise formatiert, was in der Machart an die Methodenlehrbücher von Klippert (Klippert 2006; Klippert & Kähne 2002) und deren tool-orientierte Didaktik erinnert.
Teil I „Grundlagen der Kommunikation“ bietet Reflexions- und Arbeitsmaterialien zu einem persönlichen Verständnis von Kommunikation und zur Entwicklung entsprechender Haltungen. Weiter werden Strukturen der Kommunikation eingeführt und Arbeitshilfen zur allgemeinen Gesprächsführung gegeben.
Teil II stellt „Theorien und Modelle der Kommunikation“ vor und fokussiert die bekannten Kommunikationsmodelle von Shannon & Weaver, Schulz von Thun, Watzlawick, einige Basics zur personzentrierten Kommunikation von Rogers, die GfK von Rosenberg, wie sie auch in vielen Einführungen zur Kommunikations-/Gesprächspsychologie (z.B. Delhees 1994; Flammer 2001; Röhner & Schütz 2016) zu finden sind. Bedauerlich ist, dass die Kommunikationspsychologie der Hamburger Schule wie sehr häufig in Lehrbüchern zur Kommunikation auf das bekannte Modell der «vier Seiten einer Nachricht» (Schulz von Thun 2007c) reduziert ist, statt die fünf weiteren Modelle (Schulz von Thun 2007a, 2007b), die die Kommunikationspsychologie von Schulz von Thun erst vollständig verstehbar machen, vorzustellen.
Psychotherapie-/beratungsnah im engeren Sinn ist erst die zweite Hälfte des Teils II – dort werden Modelle und Techniken der motivierenden, systemischen, hypnotherapeutischen und narrativen Kommunikation kurz theoretisch und mit entsprechenden Übungen eingeführt. Zwangsläufig bleibt es dabei bei einer Auswahl der wichtigsten Kommunikationstechniken der jeweiligen Ansätze – für die systemische Kommunikation z.B. Problem- vs. Solution Talk, zirkuläres und ressourcenorientiertes Fragen, Skalierungen, Komplimente oder die bekannte Wunderfrage.
In Teil III findet sich eine Vielzahl von „Settings der Kommunikation“, in denen Psychotherapeuten als Adressaten nur in zwei Kapiteln (Kommunikation in der Psychotherapie und der Klinik) im Vordergrund stehen. Die Unterlagen zur Kommunikation in der Psychotherapie orientieren sich am Therapieprozess: Es finden sich Arbeitsvorlagen zum Erstgespräch, der Auftragsklärung, zu wichtigen Fragen im Arbeitsprozess (Ziel- und Motivationsklärung) sowie zum Therapieabschluss. Für den kommunikativen Klinikalltag werden grundlegende Themen wie Gesundheit und Krankheit, Kommunikation um Diagnosen, die Visite, Angehörigengespräche u.ä. thematisiert.
In den weiteren Kapiteln zu Kommunikation
- im Unternehmen,
- zwischen Kollegen,
- in der Schule,
- in Gruppen,
- bei Konflikten,
- im Feedbackgespräch und
- zwischen Tür und Angel
wird der Adressatenkreis deutlich auf pädagogische, weitere Gesundheits- und soziale Berufe ausgedehnt, was für ein erweitertes Publikum des Buchs durchaus sinnvoll scheint, das Buch aber für das Kernpublikum der Psychologen wieder unspezifisch macht.
Diskussion
Das Buch bietet viele hilfreiche Vorlagen, Checklisten und Reflexionshilfen für das Grundstudium in Psychologie und sozialen Berufen, für die professionelle Selbstentwicklung oder kollegiale Unterstützungsarbeit in Intervisionsgruppen. Der erkennbare Zielkonflikt mit dem adressierten Lesepublikum (Psychologen/Psychotherapeuten und weitere helfende, soziale bzw. pädagogische Berufe) verwirrt aber immer wieder. Praxisbeispiele und Erläuterungen beziehen sich mal auf die psychotherapeutische Arbeit, dann wieder auf Schule, Soziale Arbeit, das Gesundheitswesen oder Unternehmen (z.B. beim Mitarbeitergespräch). Diese Öffnung der Nutzungsfelder machen Teile des Buchs recht unspezifisch, mindestens bezogen auf therapeutisches Handeln.
Im Studium der Sozialen Arbeit benutzt, färbt das Buch alle Methoden und Techniken «therapeutisch» ein, eine Orientierung, die für die Soziale Arbeit als nicht mehr zeitgemäß gilt und einige Kritik erfuhr (Neuffer 2000; Sauer 2012). Aber «Therapeutisierung» scheint ein immer noch großes Professionalisierungsversprechen für soziale Berufe zu sein; das Buch trägt zu diesem «Labeling» leider bei. Hilfreich wäre gewesen, den Adressatenkreis generell breiter zu halten und soziale Berufe wie auch psychosoziale Beratung expliziter einzubeziehen und auf das Label «Therapie» zu verzichten, da viele Tools dort breite Anwendung finden können (und eine adressaten-offener angelegte Buchreihe beim Verlag zu suchen) oder spezifischer auf den Kontext Psychotherapie/psychologische Beratung zu fokussieren.
Auf mehr als 300 Seiten 155 Arbeitsblättern und Übungen zu finden, wirkte auf die Dauer etwas ermüdend und meine Zweifel bleiben, dass Lernende aus Psychotherapie oder Sozialer Arbeit im selbstgesteuerten Lernen über längere Zeit konsistent damit arbeiten werden – ähnlich wie auch bei anderen so groß angelegten Selbst-Lernbüchern (McLeod 2011).
Weiter suggeriert das zusammenhanglose Nebeneinander so vieler Ansätze, Themen und Tools einen Eklektizismus in der Methoden-/Ansatzwahl, der problematisch ist. Ein eigentlicher Frame, ein Modell oder mindestens Hinweise zur sinnvollen, professions- und feldbezogenen Integration so verschiedener Schulen, Ansätze und Tools vermisste ich.
Zur Auswahl einzelner Themen und der Arbeit mit den entsprechenden Vorlagen ist das Buch gut geeignet. Es bedarf allerdings der Ergänzung durch vertiefende Lektüre: Novizen der Sozialen Arbeit oder Psychotherapie werden mit den notwendigerweise verkürzten Einführungen nur wenig Orientierung erhalten, besonders in den theoretisch anspruchsvolleren Teilen zur systemischen, hypnotherapeutischen oder narrativen Kommunikation. Und generell besteht das Risiko von Fehllernprozessen durch die Verkürzung und Tool-Orientierung solcher Lehrbücher. Allerdings gelingt es den Autoren gut, immer wieder auch auf Haltungsfragen aufmerksam zu machen und sensibilisierende Übungen zu präsentieren, die der Tool-Trance in Coaching, Beratung und Therapie vielleicht Grenzen setzen und Technologie-Missverständnisse reduzieren helfen.
Am besten geeignet scheint mir das Buch als Materialsammlung für Dozierende der Psychologie und Sozialen Arbeit im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsstudiengängen, die ausreichend Dialog und soziales Lernen bieten oder in ausgewählten Teilen des Selbststudiums solcher Ausbildungen, zu denen natürlich auch das E-Book-Inside-Format von Beltz mit der Möglichkeit des Ausdrucks von Vorlagen hilfreich ist.
Fazit
Insgesamt scheint mir der Anspruch des Buchs einigermaßen selbstüberfordernd, denn gerade therapeutische Kommunikation wird nicht primär über Pencil-Paper-Arbeit gelernt, sondern erfordert Selbsterfahrung, Training, Feedback und Supervision, wie das auch alle therapeutischen Fachgesellschaften in ihren Ausbildungsrichtlinien verlangen. Die theoretischen Einblicke in die Ansätze bleiben notwendig an der Oberfläche – für Novizen nur erste Übersichtsinformationen, für Fortgeschrittene zu wenig Vertiefung, auch wenn die wesentlichen Merkmale der Kommunikationsansätze durchaus gut und präzise verdichtet sind. Auch fehlt ein integrativer Frame für das Nebeneinander so vieler Ansätze. So bleibt das Risiko von Fehllernen ohne weitere Einbettung in Ausbildungskontexte doch markant – z.B. sinnvoll in ein Therapiegespräch eingebettete, funktional wirksame zirkuläre Fragen sind nicht so trivial zu erlernen und einzusetzen, wie das eine Toolbox mit Arbeitsblättern und Übungen suggerieren mag.
Mit dem Entstehungskontext des Buchs an einer dualen Hochschule für Soziale Arbeit und auf der Basis der dort online erhobenen Themenwünsche sehe ich als Adressaten des Buchs eher Sozialarbeitende als werdende Psychotherapeuten. Letztere sollten in der psychotherapeutischen Ausbildung (als MA-Absolventen mit abgeschlossenem Psychologiestudium, wie dies die Fachgesellschaften verlangen) über die vorgestellten Grundkompetenzen verfügen und sie, wenn, dann spezifischer vertiefen. So scheint mir das Buch auch nicht wirklich in die Reihe „Therapie-Tools“ zu passen. Verglichen mit den anderen Titeln der Reihe bleibt es mir zu unspezifisch.
Die inhaltliche Tour d’Horizon für viele helfende Berufe (besonders bei den Settings) stellt aber für die Lehre in sozialen Berufen wertvolles Ausbildungsmaterial zur Verfügung und als Materialsammlung für Dozierende in psychosozialen Berufen ist das Buch gut geeignet, um mit Übungen in entsprechenden Modulen zu sensibilisieren, zu trainieren oder zu reflektieren.
Literatur
- Delhees, Karl H. (1994). Soziale Kommunikation: psychologische Grundlagen für das Miteinander in der modernen Gesellschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag.
- Flammer, August (2001). Einführung in die Gesprächspsychologie. Bern: Huber.
- Klippert, Heinz (2006). Kommunikations-Training Übungsbausteine für den Unterricht. Weinheim: Beltz.
- Klippert, Heinz & Kähne, Heinz (2002). Kommunikations-Training Übungsbausteine für den Unterricht II. Weinheim: Beltz.
- McLeod, John (2011). Beraten lernen: Das Übungsbuch zur Entwicklung eines persönlichen Beratungskonzepts. Tübingen: DGVT-Verlag.
- Neuffer, Manfred (2000). Beratung als Kernkompetenz Sozialer Arbeit. Der Beratungsbegriff in der Geschichte der Profession. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. 147(5+6). Jg. Heft S. 112–128.
- Röhner, Jessica & Schütz, Astrid (2016). Psychologie der Kommunikation. Wiesbaden: Springer VS.
- Sauer, Stefanie (2012). Beratung als Kernkompetenz der Sozialen Arbeit: Aktuelle Ansätze und Perspektiven. In: Soziale Arbeit. 7. Jg. Heft S. 249–254.
- Schulz von Thun, Friedemann (2007a). Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
- Schulz von Thun, Friedemann (2007b). Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung differentielle Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
- Schulz von Thun, Friedemann (2007c). Störungen und Klärungen allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Rezension von
Dr. rer. soc. Wolfgang Widulle
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Olten/Schweiz
Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement
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Zitiervorschlag
Wolfgang Widulle. Rezension vom 16.04.2019 zu:
Kathrin Ripper, Jürgen Ripper: Therapie-Tools Kommunikation. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2018.
ISBN 978-3-621-28580-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24804.php, Datum des Zugriffs 09.11.2024.
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